Vom Schüren der Ausländer- und von der Beschwörung der Inländerfeindlichkeit

Der brutale Überfall auf den Rentner in München wird von Koch, Beckstein oder Kauda instrumentalisiert und rückt sie in die braune Ecke, in der das Gleiche nur ein klein wenig deutlicher gesagt wird

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Die Aussichten für Landtagswahl in Hessen sind für Roland Koch und seine CDU nicht gut. Auch zusammen mit der FDP würde nach der letzten Umfrage für das Politbarometer und nach einer vom Spiegel in Auftrag gegebenen Umfrage die CDU keine Regierungsmehrheit erhalten. Weil nur noch vier Wochen Zeit bleiben, zieht Koch wieder einmal die Karte, die ihm schon einmal zum Erfolg verholfen hat, und macht Stimmung gegen Ausländer. Die zwei jungen Kriminellen, ein Türke und ein Grieche, die in einem U-Bahnhof in München einen Rentner brutal zusammenschlugen , kamen dem Politstrategen gerade recht, der damit wieder einmal am rechtsextremen Rand fischt und weniger Gewalt dämpft, als schürt.

Auch die Medien spielen mit und heizen die Stimmung zwischen "Deutschen" und "Ausländern" auf, wodurch noch mehr Gewalttaten provoziert werden können. So berichtete der Spiegel am Sonntag unter dem reißerischen Titel Jugendliche prügeln wehrlosen Mann nieder - Union fordert Erziehungs-Camps:

"Scheiß Deutscher!" Sie pöbelten, prügelten, ein Messer wurde gezückt, dann das Opfer bestohlen: Am Hauptbahnhof Gelsenkirchen ist es erneut zu einer Attacke junger Ausländer auf einen Mann gekommen.

Von der Polizei Gelsenkirchens wird der Sachverhalt nach der ersten Meldung, die sich offenbar nur auf die Aussage des Betroffenen stützte, nun schon ein wenig anders dargestellt:

Gelsenkirchen - 30.12.2007 - 15:10 - Hinsichtlich der Auseinandersetzung zweier Männer im Hauptbahnhof von Gelsenkirchen gibt es zurzeit widersprüchliche beziehungsweise ungeklärte Angaben.
Fest steht nach Zeugenaussagen, dass sich die beiden Männer eine verbale Auseinandersetzung lieferten.
Keine Zeugen aber gibt es zum weiteren Hergang und unter welchen Umständen der Geschädigte die Schnittverletzung erlitt. Auch wurden keine Begleiter beim Täter erkannt. Ebensowenig wurde die Aussage "Scheiß Deutscher" von Anderen bestätigt. Die Ermittlungen hinsichtlich des angezeigten Raubes der Geldbörse sind noch nicht abgeschlossen.

"Zu viele kriminelle junge Ausländer in Deutschland"

Koch hatte zunächst in einem Interview mit der Bild-Zeitung erklärt, in Deutschland gebe es "zu viele kriminelle junge Ausländer". Grund sei eine verfehlte Integrationspolitik:

Bis vor kurzem wurden in multi-kultureller Verblendung Verhaltensweisen toleriert, die inzwischen zu hochexplosiven Gruppen-Aggressionen führen können. Wir müssen Schluss machen mit bestimmten Lebenslügen. Die deutsche Position in der Integrationspolitik war lange leider nicht klar genug.

Bestandteil der Integration müsse der Grundsatz „Null Toleranz gegen Gewalt“ sein. So müsse beispielsweise eine schärferes Jugendstrafrecht geschaffen werden, das keine "Verständnispädagogik" sein dürfe, sondern die Strafe hervorkehrt: Gefängnis muss man spüren"; sagte Koch, "wenn es eine Wirkung haben soll." Auch Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein witterte mal wieder ein Thema und hat sich für härtere Strafen ausgesprochen. Unionsfraktionschef Volker Kauder sah sich ebenfalls herausgefordert zur Profilierung nach rechts. Ausländerkriminalität sei "zu lange ein Tabu in Deutschland“ gewesen, durfte er auch über die Bild verbreiten. Das "Hohngelächter" der kriminellen Ausländer dürfe nicht länger geduldet werden, meinte er:

Kriminelle Jugendliche brauchen kein Multikultigesäusel, sondern einen Warnschuss vor den Bug. Sie sollten auch bei einer Bewährungsstrafe in kurzfristigen Warnarrest genommen werden. Für harte Fälle müssen Erziehungscamps eingerichtet werden, geschlossene Einrichtungen mit therapeutischem Gesamtkonzept.

Koch legte in dem Interview mit der Bild-Zeitung noch eins drauf und stellte zum Schüren der Ausländerfeindlichkeit und der Realitätsverweigerung noch einmal klar, wer der Herr im ethnisch reinen Deutschland mit seiner christlich-abendländischen Kultur ist, die für Koch offenbar weder den Humanismus noch die Aufklärung erreicht hat:

Deutschland ist kein klassisches Einwanderungsland wie z. B. Kanada oder Australien. Bei uns treffen sich nicht viele Kulturen und bilden dann gemeinsam eine neue. In Deutschland gibt es seit vielen Jahrhunderten eine christlich-abendländische Kultur. Wer sich als Ausländer nicht an unsere Regeln hält, ist hier fehl am Platze. Er kann nicht erwarten, dass wir uns mit ihm irgendwo in der Mitte treffen. Die Grundregeln von Anstand und Umgang sind nicht verhandelbar.

Roland Koch

Kriminelles Verhalten wie Gewalt wird freilich auch im unchristlichen Ausland strafrechtlich verfolgt und nicht nur eine Regel der abendländischen Kultur. Fragt sich auch, was Koch mit Deutschen machen will, die sich nicht an "unsere Regeln" halten. Ob der hessische Ministerpräsident selbst sich immer an die "Grundregeln von Anstand und Umgang" hält, wollen wir einmal beiseite lassen, ebenso wie die Frage, ob es der christlich-abendländischen Kultur entspricht, gegen "Ausländer" Ressentiments zu schüren. Selbst in dem Münchner Fall war einer der Ausländer nicht nur ein EU-Bürger, sondern zudem auch noch Angehöriger der christlich-abendländischen Kultur.

Zwar betont Koch, dass er das Thema einer Verschärfung des Jugendstrafrechts – dann aber doch wohl nicht nur für ausländische Gewalttäter? - schon seit Jahren thematisiere und er sich dies im Wahlkampf nicht verbieten lasse, aber es kommt doch dann sehr als Wahlkampfthema gelegen, um gegen die SPD zu agieren: "Die Sozialdemokraten tragen die Verantwortung dafür, dass in den achtziger und neunziger Jahren nicht konsequent gegen ausländische jugendliche Kriminelle vorgegangen wurde", sagte er und hat in der Hitze des Gefechts womöglich vergessen, wer zu dieser Zeit die Bundesregierung stellte.

Brüder im Geiste

Koch und die Seinen stellen sich mit ihren Ausländerparolen auf die Seite der Rechtsextremen. Auch die hessische NPD tritt mit der Parole "Ausweisung aller kriminellen und arbeitslosen Ausländer" zu Wahl an und spricht aus, was Koch an deutschtümelnder Stimmung zu seinen Gunsten wecken will: "Grenzen dicht! Austritt aus dem „Schengener Abkommen“ und Rückführung der hier lebenden kulturfremden Ausländer."

Noch deutlicher wird die gemeinsame Position, wenn man sich die in München nach dem Nürnberger Vorbild neu gegründete Bürgerinitiative Ausländerstopp anschaut, auch wenn diese sich von den "Udes, Becksteins und Kochs" abgrenzt, die nur "schleimen", aber nichts machen. Die von der NPD geförderte Organisation, die bei der Wahl im März gerne ins Münchner Rathaus einziehen will, instrumentalisiert wie Koch den Überfall auf den Rentner und kocht damit ihr braunes Süppchen: "Gegen Ausländergewalt und Inländerfeindlichkeit. Kriminelle Ausländer raus!" München, nicht gerade eine sonderlich gefährliche Stadt mit hoher Kriminalität, sei zu "einem Eldorado für kriminelle und gewalttätige Einwanderer" geworden. Jeder könne zum Opfer werden, warnt die NPD-Bürgerinitiative, die eine "Mahnwache" auf dem Marienplatz durchführte und am 4. Januar zu einer Demonstration aufruft, an der auch der NPD-Vorsitzende Udo Voigt teilnehmen wird und an der man "Zivilcourage" unter dem Motto demonstrieren soll: "Das deutsche München sagt NEIN zu Ausländergewalt und Inländerfeindlichkeit!"

Sieht man sich einmal näher an, wie die Rechtsextremen, die natürlich auch gegen den Bau von Moscheen sind, aber auch andere Themen wie Ablehnung von genveränderten Lebensmitteln und einer dritten Startbahn mitnehmen, Aus- und Inländer definieren, würde es bald leer in Deutschland werden:

Was verstehen wir unter "Ausländer"? Nach dem Migrationsforscher Prof. Klaus Bade kann man Deutscher nur sein und nicht werden. Daher betrachten wir auch "Paß- oder Papierdeutsche", also die nach dem neuen Staatsbürgerrecht von 1999 Eingebürgerten, als Ausländer. In der Statistik wird dieser Personenkreis als "Personen mit Migrationshintergrund" bezeichnet. In München gibt es von den 1.253.900 Einwohnern, 431.000 "Personen mit Migrationshintergrund".