Werden Jugendliche gewalttätiger?

Die Gewalt gegen Lehrer an britischen Schulen scheint zuzunehmen, aber ob die Gewalttätigkeit von Schülern und Jugendlichen hier oder anderswo tatsächlich zunimmt, ist umstritten

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In Großbritannien scheinen Lehrer gefährlich zu leben. Jeden Tag wird mindestens ein Lehrer im Klassenraum von Schülern tätlich angegriffen. 2006 wurden 221 Lehrer durch Angriffe verletzt, die Zahl der Angriffe ist in den letzten fünf Jahren um 21 Prozent gestiegen.

Die Disziplin in den britischen Schulen zerfalle, mahnt die konservative Zeitung Telegraph. Gewalt und Einschüchterung würden endemisch. In einigen Städten würde schon jeder zwanzigste Schüler einer Sekundärschule einmal wegen eines tätlichen oder verbalen Angriffs auf Lehrer vom Unterricht ausgeschlossen worden sein.

Besonders schlimm scheint es in Southampton, Bristol, Manchester, Hull oder Poole aan den Schulen zuzugehen. In der Hafenstadt Southhampton mit über 220.000 Einwohnern wurden im Schuljahr 2005/2006 die meiste Gewalt gegen Lehrer registriert. Es gab 88 tätliche und 741 verbale Angriffe auf Lehrer, 7,2 Prozent der Schüler in Sekundarschulen wurden als Strafe vom Schulunterricht ausgesperrt. Die Bevölkerung ist zu über 90 Prozent weiß, Asiaten haben einen Anteil von mehr als 5 Prozent an der Bevölkerung. Insgesamt wurden über 87.000 Schüler (2,7 Prozent) mit Schulausschluss 2005/2006 bestraft. In aller Regel handelt es sich dabei um verbale Angriffe, tätliche Angriffe auf Erwachsene seien, so das Schulministerium, noch immer sehr selten, das bei körperlichen Angriffen auf Lehrer auch einen permanenten Schulverweis empfiehlt, was allerdings die Gewalt nur woandershin verlagert.

Ob die Gewalt an den Schulen tatsächlich steigt, ist ebenso umstritten wie im Fall der Gewalt von Jugendlichen. Nach der neuesten Studie ist zwar zahlenmäßig die Gewalt bei Jugendlichen angestiegen, die Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass dies weitgehend auf eine gestiegene Anzeigenbereitschaft und damit eine stärkere Ablehnung von Gewalt zurückzuführen sei (Kriminalität geht zurück, Gewaltkriminalität von Jugendlichen steigt). Dieses Ergebnis hat eine Umfrage unter Schülern in Zürich bestätigt. Auch hier erklärt das gestiegene Anzeigeverhalten die anscheinend gestiegene Zunahme der Gewalttaten..

In Neukölln werden seit kurzem 13 Schulen von einem privaten Dienst bewacht. Nach dem Bezirk ist die Zahl der körperlichen Gewalt an den Schulen von 119 Fällen 2005/2006 (mit 26 von außen hereingetragener Gewalt) auf 139 (27 von außen) im Schuljahr 2006/2007 angestiegen. In einer auf Freiburg beschränkten Umfrage unter Lehrern gaben 2006 weniger als 2 Prozent an, Opfer von körperlicher Gewalt geworden zu sein, 43 Prozent sagten, sie wären massiv verbal angegriffen worden. Lehrer an Hauptschulen waren davon besonders betroffen. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, sagte im Mai 2007 in einem Interview, dass die Gewalt in den letzten Jahren bei Schülern zugenommen habe: "Dabei gilt: Je jünger die Jugendlichen sind, desto höher liegen die Zuwachsraten. Etwa zehn Prozent der Jungen müssen als gewaltanfällig gelten und etwa fünf Prozent der Mädchen."

In einer Studie des Bundesverbands der Sozialkassen hat die physische Gewalt an Schulen im Zeitraum zwischen 1993 und 2003 allgemein abgenommen. Das traf auch auf die Hauptschulen zu, in denen die Raufunfallrate gleichwohl am höchsten lag. Mit zunehmender Bildung sinkt die Gewaltbereitschaft. In der Studie konnte weder eine Zunahme der Brutalität der Gewalt noch die Vermutung bestätigt werden, dass ausländische Schüler verstärkt an Gewalt beteiligt seien. Gewalt geht vor allem von den Jungen aus, die auch den größten Teil der Opfer darstellen.