"Osama, Obama and your Mama"

Warum Hillary Clinton nach Iowa mehr Delegierte als Barack Obama hat

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Die erste Vorentscheidung bei den Demokraten gewann Barack Obama am Donnerstag mit 38 % vor John Edwards und Hillary Clinton. Über die Chancen gegen einen republikanischen Gegner sagt der Sieg Obamas allerdings ebenso wenig aus, wie über seine mögliche Politik. Bei den Republikanern gewann der ehemalige Baptistenprediger Mike Huckabee den Caucus in Iowa und der Mormone Mitt Romney den Konvent in Wyoming.

Obama hat das unverbindlichste Krankenversicherungsprogramm von allen demokratischen Kandidaten: Es beinhaltet kaum konkrete Ansprüche für die gut 60 Millionen unversicherten Amerikaner, sondern ist eher ein schwacher Appell, gemischt mit Subventionen für die Versicherungen. Doch das wird kaum diskutiert.

Statt dessen konzentrieren sich die amerikanischen Medien auf die Vorstellung eines abstrakten "Wechsels", den Obama scheinbar am besten verkörpert. Diese Vernachlässigung von Inhalten erinnert frappant an die deutschen Bundestagswahlen von 1998, als Gerhard Schröder mit einer ähnlich inhaltsleeren Kampagne gewann und dann eine Politik machte, die viele seiner Wähler später wünschen ließ, sie hätten für Kohl gestimmt. Auch mit dem vermeintlichen Friedenskandidaten Obama könnten sich die Amerikaner unversehens in mehr und in blutigeren Kriegen wiederfinden als jetzt: sei es in Pakistan oder in Afrika.

Doch auch Hillary Clinton zeigte sich nach ihrer Niederlage zusammen mit der ehemaligen Außenministerin Madeleine Albright - und erinnerte so daran, dass ihr Ehemann, einen mindestens ebenso wenig durchdachten Angriffskrieg begann, wie George W. Bush. John Edwards, der fast sein ganzes Geld in Iowa verpulverte, sprach im Wahlkampf zwar vom Kampf gegen "corporate greed", arbeitete aber für die Heuschrecke Fortress. Worte und Taten passen hier ähnlich wenig zusammen wie bei Hillary Clinton, die es in der ersten Hälfte der 1990er unterließ, ihre im Wahlkampf angepriesene allgemeine Krankenversicherung durchzusetzen. Dass so etwas grundsätzlich auch mit einem von der Opposition dominierten Kongress funktionieren hätte können, das beweist George W. Bush seit einem Jahr. John Edwards hatte angekündigt, als Präsident die bestehende Krankenversicherung für Abgeordnete und politische Beamte solange auszusetzen, bis der Kongress seinen Plänen zustimmen würde.

Bei den Republikanern errang in Iowa der christliche Fundamentalist Mike Huckabee mit 34 % die meisten Stimmanteile. Danach folgten der Mormone Mitt Romney mit 25 % und der ehemalige Schauspieler Fred Thompson, der knapp vor dem Vietnamveteranen John McCain landete. Der protolibertäre Kandidat Ron Paul, der sich weniger auf Iowa als auf New Hampshire konzentrierte, wurde Fünfter - und überrundete damit immerhin den ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani, der eine ähnliche Strategie verfolgte. Den republikanischen Konvent in Wyoming, der am Samstag stattfand, gewann Mitt Romney. Die meisten anderen Kandidaten hatten in diesem Bundesstaat keinen Wahlkampf gemacht.

Ein indianisches Erbe mit bizarren Regeln

Der Caucus ist eine spezielle Form der Vorwahl, die es nur in einigen der US-Bundesstaaten gibt. Das Wort wurde der Sprache der Algonkin-Indianer entlehnt. Insgesamt gab es in Iowa 1.781 solcher Versammlungen in Schulen, Feuerwachen und Gemeindezentren, an denen trotz weiter Anfahrtswege in dem dünn besiedelten Flächenstaat über 220.000 Personen ihre Stimme abgaben. Mehr als die Hälfte der diesjährigen Iowa-Caucus-Teilnehmer bei den Demokraten hatten noch nie an solch einer Veranstaltung teilgenommen – unter ihnen genoss Obama eine Zustimmung von 40 %. Bei den Caucus-Veteranen lag dagegen Edwards mit 30 % vorn. An den republikanischen Veranstaltungen beteiligten sich mit 114.000 weit weniger Menschen. Doch auch hier war die Teilnahme weitaus höher als vor acht Jahren.

Bei den Caucuses der Demokratischen Partei Iowas waren die Regeln komplizierter als bei den Republikanern. Während jene nach nur einer informellen Abstimmung auszählten, gab es bei den Demokraten Vorabstimmungen, nach denen um die Unterstützer unterlegener Kandidaten geworben werden konnte. Der demokratische Kandidat Dennis Kucinich hatte deshalb gleich eine Empfehlung für seine Unterstützer abgegeben: Obama.

Mehr Stimmanteile – aber weniger Delegierte

Die bizarren Caucus-Regeln, bei denen OSZE-Beobachtern nach Einschätzung eines MDR-Korrespondenten "graue Haare wachsen" würden, führten auch dazu, dass Edwards zwar mehr Stimmanteile, aber weniger Nominierungsparteitagsdelegierte erhielt als Clinton. Und obwohl Obama in Iowa mit relativ deutlichem Vorsprung gewann, hat er bislang nicht die meisten Wahlmänner: Zwar gewann er einer AP-Analyse zufolge in Iowa 16 Delegierte, Clinton 15 und Edwards 14. In den Caucuses und "Primaries", den Vorwahlen mit weniger bizarren Regeln, werden jedoch nur etwa 3200 Wahlmänner bestimmt. Dazu kommen noch 765 Amtsträger und Parteifunktionäre. Unter anderem durch diese "Superdelegierten" führt Clinton insgesamt mit 174 Unterstützern vor Obama mit 69 und Edwards mit 48.

Bei den Republikanern, die auf ihrem Nominierungsparteitag 2008 weniger Funktionäre als Wahlmänner fungieren lassen, bekam Huckabee aus Iowa 17 Delegierte und Romney zwölf. Durch den republikanischen Konvent in Wyoming gewann der Mormone mindestens weitere sieben dazu und liegt jetzt vor dem Baptisten. Am Dienstag finden für beide Parteien Vorwahlen im Bundesstaat New Hampshire statt. Dort führen in den Umfragen bei den Republikanern McCain und Romney, bei den Demokraten Clinton und Obama.

Eine wirkliche Vorentscheidung fällt jedoch wahrscheinlich erst am 5. Februar, dem "Giga-Tuesday", an dem in 24 Bundesstaaten abgestimmt wird – darunter mehrere mit "offenen" Vorwahlen. Dort können nicht nur Anhänger einer Partei, sondern auch solche der anderen an den Abstimmungen teilnehmen. Republikaner können so beispielsweise für einen demokratischen Kandidaten stimmen, dem sie bei der Präsidentschaftswahl weniger Chancen einräumen. Wie unklar sich zumindest die Anhänger der Republikaner derzeit darüber sind, das zeigt ein gerade kursierender Witz, in dem Chelsea Clinton einen im Irak stationierten Marine fragt, was er am meisten fürchtet, und als Antwort erhält: “Osama, Obama and your Mama”.