Ölgeld übernimmt die Macht

Die Energie- und Klimawochenschau: Die Staatsfonds der Öl- und Gasförderländer erobern die Finanzwelt. Der Ölpreis beschert den großen Förderländern prall gefüllte Kassen. Geld mit dem sie auf Einkaufstour gehen und sich im Großmaßstab in die Wirtschaft der Industriestaaten einkaufen.

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Die „Sovereign Wealth Fonds“ (SWF) , staatliche Investmentfonds, verwalten rund 2.500 Milliarden Dollar und verfügen damit über doppelt soviel Kapital wie alle Hedgefonds und immerhin halb soviel wie alle Notenbankenreserven zusammen. Mit ihrem enormen Kapital sorgen die SWFs für Unruhe wegen ihrer wirtschaftlichen Macht und der Angst, hinter ihren Geschäften könnten auch politische und strategische Interessen stehen. Immerhin sind die Eigentümer der größten Fonds in der Mehrzahl autokratische Regime mit demokratiefernen, feudalen und - wie im Falle Russlands – teilweise auch antagonistischen Politikinteressen. Die Furcht vor quasi feindlichen Übernahmen wächst.

Die Europäische Kommission plant Unternehmen vor dem Zugriff ausländischer Staatsfonds zu schützen. Der britische EU-Handelskommissar Peter Mandelson sagte dazu: „Das europäische Interesse, die Kontrolle über wichtige und politisch sensible Schlüsselindustrien zu bewahren, könnte durch das Instrument der goldenen Aktie erreicht werden.“ Solche Aktien wurden schon in der Vergangenheit von EU-Regierungen verwendet, um sich Kontroll-Stimmrechte in Unternehmen, die privatisiert wurden, zu sichern.

Die Staatsfonds sind aber schon auf Einkaufstour. Der Staatsfond Abu Dhabis nutze Ende 2007 die Gelegenheit und kaufte Anteile für 7,5 Mrd. Dollar an der durch Fehlspekulationen in US-amerikanische Immobilien ins Schlingern geratenen Citigroup. Eine Investmentgesellschaft aus Dubai kaufte sich mit ihrem Kapital aus Öleinnahmen beim japanischen Elektronikkonzern Sony ein. Mitte November stieg dann der staatliche Investmentfonds Mubadala Development Company aus Abu Dhabi mit 8,1 Prozent beim Chip-Hersteller Advanced Micro Devices AMD ein.

Auch staatliche Investmentgesellschaften aus dem Fernen Osten nutzen die Gelegenheit und kaufen sich bei internationalen Banken ein. Mit ihrem Fondsvermögen aus Rohstoffgewinnen und Devisenüberschüssen sind die neuen Teilhaber willkommen bei den Geldhäusern, die sich grob verspekuliert und in der US-Kreditkrise riesige Verluste eingefahren haben. Die Devise lautet: Lieber frisches Geld, egal woher, anstatt Konsequenzen aus dem eigenen Versagen zu ziehen. Singapur ist so mit 6,65 Mrd. Euro bei der Schweizer Bank UBS eingestiegen und besitzt jetzt neun Prozent an der weltgrößten Vermögensverwaltungsbank.

Das Thema ist auch in der Deutschen Politik angekommen Angela Merkel sagte dazu, dass die finanziellen Auswirkungen staatlich finanzierter Fonds eine „bislang unbekannte Dimension“ erreicht hätten, und schlug Änderungen wie im US-System vor. In den USA kann ein Ausschuss über ausländische Investitionen dem US-Präsidenten empfehlen, ausländische Direktinvestitionen, die als Bedrohung für die nationale Sicherheit bewertet werden zu blockieren. Denn Staatsfonds könnten auch politisch-strategische Absichten verfolgen und zu Problemen in sensiblen Bereichen führen. Deshalb sei eine EU-weite Diskussion fällig.

In Vorwahlkampflaune stieg auch Hessens Roland Koch auf das Thema ein. Es gehe nicht um Protektionismus, sondern um die Abwehr ausländischer politischer Einflussnahme, erklärte er und nannte als Beispiele Russland und China: Der russische Gazprom-Konzern stehe „unter Führung der russischen Regierung. Wenn dieses Unternehmen investiert, investiert der Kreml.“ Die milliardenschweren Währungsreserven, die von chinesischen Staatsfonds angelegt würden, seien nicht „dem Fleiß und der Arbeit der Chinesen geschuldet“, sondern ein Ergebnis der chinesischen Politik „ungerechter Währungsverhältnisse“.

Hinter den Kulissen geht es weniger populistisch zu. In einem internen Papier schlägt die CDU eine „geeignete internationale Regelung“ vor, verbunden mit der Forderung nach Transparenzrichtlinien, die nicht nur für Staatsfonds, sondern auch für Hedge-Fonds und Private-Equity-Gesellschaften gelten sollen. Adressat der neuen Regelung sollen sämtliche ausländische Investoren sein. In diesem Punkt erhält sie Zustimmung von der SPD. „Es ist völlig richtig, den Schutz nicht auf Staatsfonds zu beschränken“, sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend. Schließlich sei unter Umständen nicht von vornherein erkennbar, wer sich hinter einem Investor verberge.

Kritik kommt aus der Opposition. „Die Union ist dabei, jedes Maß zu verlieren. Nach Jürgen Rüttgers setzt jetzt offenbar auch Roland Koch auf linken Populismus ... Die Abwehr ausländischer Investitionen gefährdet Arbeitsplätze“, kritisierte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Rainer Brüderle.

Energiefonds - größer als alle Heuschrecken zusammen

Die größten Energie- und Staatsfonds sind laut Handelsblatt: der Abu Dhabi Investment Authority (ADIA) aus den Vereinigten Arabischen Emiraten; der Government of Singapore Investment Corporation (GIC) und der Fonds Temasek von Singapur; der Government Pension Fund - Global, der Pensionsfonds der norwegischen Regierung; vor einem halben Jahr von der chinesischen Regierung gegründete Fonds State FX Investment Corp. + Hueijing Co., der russische Stabilitätsfonds, der ab Februar 2008 in ausländische Firmenanleihen und Aktien investieren soll; der Staatsfonds Investment Authority (KIA) von Kuwait; der Australian Future Fund, der Alaska Permanent Fund und die Brunei Investment Authority

Dubai Waterfront. Bild: Nakheel

Die neuen Dagoberts

Wenn die Fonds auch, wegen ihres schieren Reichtums, diffuse Ängste auslösen vor einer „Überfremdung“ oder „Machtübernahme“ durch andere Staaten oder gar feindlich gesonnene Regime – den Energiestaaten selbst geht es in erster Linie um ihre Zukunftssicherung. Damit beweisen selbst Clans in der arabischen Wüste mehr Weitsicht als viele Verantwortliche hier. Während bei uns immer noch gerne darüber räsoniert wird, wann denn „Peak-Oil“ nun erreicht wird, hat man dort, teilweise schon seit Jahrzehnten, die Gewissheit der Endlichkeit der Energiereserven in das Vorsorgekonzept der Staatsfonds umgesetzt.

Das vermehrte Engagement von Staatsfonds aus Ländern wie China und Saudi-Arabien hat im Westen die Befürchtung aufkommen lassen, dass sich ausländische Staaten in strategisch wichtigen Unternehmen einkaufen könnten. Der russische Finanzminister Alexei Kudrin versucht, diesen Befürchtungen zu begegnen, und betont, dass der russische Wohlfahrtsfonds sich als Finanzinvestor und nicht als strategischer Anleger sehe. Wenn ab Februar im russischen Parlament die gesetzlichen Grundlagen für eine flexiblere Anlagepolitik geschaffen werden, wird sich zeigen, welche Richtung damit eingeschlagen wird. Weiterhin soll jedoch die Regierung bestimmen, wo investiert wird.

Mitten in der Wüste - der Burj Dubai soll das höchste Gebäude der Welt werden. Bild: Nakheel

Länder wie Dubai kaufen sich nicht nur in Unternehmen ein, sondern versuchen, sich selbst mit Megabauprojekten zum Finanzplatz zu entwickeln. Unternehmen, die sich etwa in der neuen Freihandelszone, dem „International Financial Centre“, einmieten, wird in den ersten 50 Jahren Steuerfreiheit auf ihre Handelsgewinne gewährt.

Das Herzstück dieser Freihandelszone ist die neue Börse „Dubai International Financial Exchange DIFX“ die sich als Mittler zwischen Europa und Asien zu profilieren sucht. Im letzten September hat der internationale Handel begonnen. Gehandelt wird in US-Dollar, mit einer Börsenaufsicht nach britischem Vorbild und einer Gerichtsbarkeit, die nicht der islamischen Scharia unterliegt – eine kapitalistische Oase. Der Finanzplatz ist eines der vielen Rekordprojekte im Land, um ausländische Investoren in den Wüstenstaat zu holen. Allein im vergangen Jahr beliefen sich die ausländischen Direktinvestitionen in Dubai auf 18 Mrd. US-Dollar. Di

e Anstrengungen sollen die Abhängigkeit vom Erdöl weiter verringern. Nach Schätzungen des Emirats werden die eigenen Erdölvorkommen spätestens in 20 Jahren versiegen. Schon jetzt macht Öl nur noch sieben Prozent des Bruttoinlandprodukts aus. Den Rest bestreiten vorrangig Logistik, Immobiliensektor und Tourismus. Entlang der Küstenstraße wechseln sich mittlerweile Shopping Malls und Baustellen ab. Neue Hotels entstehen für die 15 Mio. Gäste, die bis 2010 jährlich erwartet werden. Leuchtturmprojekte wie das einzige Sieben-Sterne-Hotel der Welt "Burj al Arab", erbaut in Form eines 321 Meter hohen Segels, oder ab nächstem Jahr Hydropolis, das erste Unterwasserhotel der Welt, sorgen für Aufmerksamkeit und ziehen sowohl Touristen als auch neue Investoren an. Ein weiteres dieser Mammut-Projekte ist "Burj Dubai", nach seiner Fertigstellung soll es das höchste Gebäude der Welt sein. Ein reines Symbol, denn in einem ansonsten „leeren Land“ machen künstlich geschaffene urbane Megazentren funktional keinen Sinn. Und sind angesichts ihrer Entstehung aus der Erkenntnis endlicher Rohstoffvorräte geradezu ökologisch absurd. Egal, die Finanzlogik ist eine andere.

Hydropolis soll mit seinen 220 Zimmern in einer Tiefe von 20 m unter dem Meeresspiegel liegen. Ein Plexiglastunnel soll das Hotel mit der dazugehörigen Landstation verbinden.

Im Boom sind Wohn- und Geschäftsräume noch Mangelware, was die Mieten zeitweise um 75 Prozent im Jahr hochschnellen ließ. Seit kurzem ist die Mietsteigerung per Gesetz auf 15 Prozent pro Jahr beschränkt. Das wäre gar nicht nötig gewesen, die Datenbank des Informationsanbieters Emporis listet zwar „erst“ 174 fertige Hochhäuser, 292 befinden sich aber schon im Bau und für 224 Gebäude liegt bereits eine Genehmigung vor. Fünf Prozent aller weltweiten Baukräne sollen sich zur Zeit im Wüstenemirat drehen.

Hohe Renditen der vergangenen Jahre und der steuerfreie Erwerb von Immobilen üben immer noch eine starke Anziehungskraft auf Investoren aus. Aber wenn erst alle in dieselbe Richtung rennen, ist das Ende der Immobilienblase wohl bald erreicht. Bei aller plakativen Modernität lohnt sich zudem ein Blick auf die Nachbarschaft. Die Projekte in Dubai liegen inmitten der Dauerkrisenregion Naher Osten, zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Die Scheichs selbst müssen nicht beunruhigt sein, selbst wenn das Prestigeprojekt in der Wüste versandet, ihnen bleiben immer noch ihre Beteiligungen in den Industriestaaten.