Macht Junkfood gewalttätig?

Angeblich reduziert sich die Neigung zu Gewalt, wenn die Menschen gesünder essen und mehr Vitamine, Mineralien oder auch Omega-3-Fettsäuren zu sich nehmen

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Gewalt könnte auch mit der Ernährung zusammenhangen. Wer ungesund ist, von Junkfood lebt, viel Zucker und Fett zu sich nimmt, neigt auch stärker zur Gewalt. Das ist zumindest das Ergebnis einiger Studien, die mit Häftlingen in britischen und amerikanischen Gefängnissen durchgeführt wurden. Schon 2002 hatte eine Studie von Bernard Gesch von der University of Oxford mit 230 jungen Straftätern einen Zusammenhang zwischen Ernährung und Gewalt nahegelegt. Die Straftäter, die zusätzlich Vitamine, Mineralstoffe und essentielle Fettsäuren erhielten, begingen im Gefängnis während der Beobachtungsdauer von neun Monaten 25 Prozent weniger Gewalttaten als die Probanden der Kontrollgruppe, die nur Placebos erhielten. Sollte es einen solchen Zusammenhang geben, müsste vielleicht nur präventiv die Ernährung der potenziellen jugendlichen Gewalttäter verbessert werden, um die Kriminalitätsrate zu senken.

Gesch, der auch Direktor der Stiftung Natural Justice ist, macht sich dafür stark, nicht nur weiter den Zusammenhang zwischen Ernährung und Gewaltneigung zu untersuchen und dafür Gelder zu erhalten, sondern fordert auch die Einführung eines entsprechenden Ernährungsprogramms in den Gefängnissen, vor allem für jugendliche Straftäter. Die Stiftung hatte für eine breitere Studie bereits Geld gesammelt, doch das britische Justizministerium zögerte bei der Unterstützung des Projekts. Lord Ramsbotham, der frühere Chefinspektor für Gefängnisse und Mitglied der Stiftung, warf so Ende 2006 dem Innenministerium vor, nichts zu tun und die Studie zu blockieren, obgleich mit einer Veränderung der Ernährung die Gewalt in den überfüllten Gefängnissen um 40 Prozent gesenkt werden könne.

Der amerikanische Wissenschaftler Joseph Hibbeln, vermutet, dass besonders die vermehrte Zunahme von Omega-6-Fettsäuren in der Nahrung und die gleichzeitig verringerte Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren, die besonders hoch in Fischen zu finden sind und eine wichtige Rolle für die Kommunikationsprozesse im Gehirn spielen, etwas mit der Zunahme der Gewalt zu tun haben könnten. Diese Fettsäuren stammen meist aus Soja- oder Sonnenblumenöl und sind in Fertiggerichten, frittierten Lebensmitteln, Chips, Keksen oder Margarine enthalten. Nach einer Studie von Hibbeln liege in 38 Industrieländern eine Korrelation zwischen der wachsenden Aufnahme von Omega-6-Fettsäuren mit einem linearen Anstieg der Mordraten vor. Hingegen sei in Ländern wie Japan, in denen man viel Fisch istt und damit viele Omega-3-Fettsäuren aufnimmt, eine niedrige Mord-, Suizid- und Depressionsrate.

Nach Hibbeln verdrängen die Omega-6-Fettsäuren die Omega-3-Fettsäuren im Gehirn. Vor allem das Fehlen der Docosahexaensäure (DHA) könne den Aufbau der Zellmembranen und damit die Aufnahme der Neurotransmitter Serotonin und Dopamin beeinträchtigen. Bei einer Studie mit 21 verurteilten Gewalttätern, die 2004 veröffentlicht wurde, sind niedrige DHA-Werte im Blut verbunden mit hohen Corticotropin-releasing Hormone (CRH)-Werten in der Rückenmarkflüssigkeit. Nach Studien gibt es eine Verbindung zwischen CRH und Stressreaktionen wie Depression, Angst und Gewalt. Die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren senkt die CRH-Werte. Daher nimmt Hibbeln an, dass damit auch die Neigung zur Gewalt und andere negative Reaktionen gedämpft würden.

Offenbar greift nun das britische Innenministerium, das wegen der seit Jahren überfüllten Gefängnisse unter Druck steht und etwa auch überlegt, Straftäter nicht mehr mit einer elektronischen Fußfessel, sondern mit implantierten RFID-Chips vorzeitig in den Hausarrest zu schicken, um neuen Platz zu schaffen, doch auf die Idee mit der befriedenden Ernährung zurück. Wie der Telegraph berichtet, will nun das Justizministerium doch eine Studie in Auftrag geben, um in zwei Einrichtungen im Jugendstrafvollzug zu prüfen, welche Auswirkungen eine mit Vitaminen und Mineralien ergänzte Ernährung auf das Verhalten von Strafgefangenen hat. Vermutlich wird Bernard Gesch die Studie durchführen, in der eine Gruppe Placebos und die andere Pillen mit den Vitaminen und Mineralien enthält.