Die privaten Treffs der Reichen und Mächtigen

Jedes Jahr findet ein Reigen von inoffiziellen Konferenzen statt, die Bürger bleiben außen vor

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In Davos geht er wieder los: Der bunte Reigen an internationalen Privatveranstaltungen, auf denen sich die Reichen und Mächtigen dieser Welt treffen, um über die weniger Reichen und weniger Mächtigen dieser Welt zu plaudern und zu entscheiden. Bezahlen darf diese Privattreffen auch immer wieder der Steuerzahler. Diesen Treffen auf der Spur ist der Soziologe Hans Jürgen Krysmanski von der Universität Münster mit einem Forschungsprojekt über „Strukturen und Akteure des Reichtums“.

Der Arme ist auch arm an Kontrolle über seine eigenen Daten: Jeder Hartz IV-Empfänger muss seine intimsten Details wie Kontostand und Bettpartner der Behörde bei Strafe des Verhungerns mitteilen, reich ist die soziologische Literatur an Forschungsergebnissen über die unteren sozialen Klassen. Nicht so bei den Vermögenden der Gesellschaft. Ist das Kapital scheu wie das Reh, scheut der Reiche den Blick der Gesellschaft in sein Portemonnaie und in seine Villa im Landhausstil.

Anders als die Armutsforschung ist die Reichtums-Forschung ein unterbelichteter Zweig der Sozialwissenschaft. Dem abhelfen will Professor Hans Jürgen Krysmanski. Er erforscht die Vernetzungen der Reichen und der Superreichen:

Die gleiche Person sitzt im Aufsichtsrat der Citibank, der Metropolitan Oper, in der Trilateralen Kommission und der Guggenheim-Foundation und trifft auf Personen, die in ähnlichen Netzwerken zu Hause sind. Wenn zwei solche Leute sich treffen und an der Bar einen trinken, können auf informelle Weise weitreichende Entscheidungen fallen und Weichen gestellt werden.

Zu diesen Netzwerken gehören auch eine Reihe von privaten Großveranstaltungen, die mehr oder weniger öffentlichen oder geheim über das Jahr verteilt stattfinden.

Weltwirtschaftsforum oder Sicherheitskonferenz

Zum Beispiel das Weltwirtschaftsforum im Schweizerischen Davos, das heuer vom 23. bis 27. Januar stattfindet. Ausrichter ist eine private Stiftung, die von über 1000 weltweit führenden Wirtschaftsunternehmen getragen wird. Zu diesem privaten Forum treffen sich über 2000 Firmenchefs der mächtigsten Unternehmen und Hunderte Politiker und Personen der Gesellschaft. Offiziell geht es um hehre Themen wie weltweite Gesundheitsinitiativen oder die „Stärke von Zusammenarbeit und Innovation“, so das Motto von 2008. Kritiker der Veranstaltung verweisen auf die mangelnde demokratische Legitimation der Teilnehmer, hier würden Themen verhandelt, ohne dass dazu die Bürger gefragt würden.

In der Tat ist der Teilnehmerkreis sehr exklusiv gehalten. Als Beitrittsgebühr muss man zuerst mal rund 37.000 Dollar auf den Tisch legen. Damit Firmenchefs und Politiker ungestört am Kaminfeuer plaudern können, werden Bevölkerung und Gegendemonstranten auf Abstand gehalten. Dazu wird eine militärische Sicherheitszone eingerichtet. Tausende Schweizer Soldaten sind im Einsatz und das Versammlungsrecht wird drastisch eingeschränkt. 2005 kostete diese Privatveranstaltung dem Schweizer Steuerzahler acht Millionen Franken.

Einen Monat später geht der Veranstaltungsreigen der Reichen und Mächtigen weiter. Dann trifft man sich vom 8. bis 10. Februar im schönen München zu der sogenannten Sicherheitskonferenz, auch „Teltschik-Festspiele“ genannt. Dies, weil Horst Teltschik, vormals Berater von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl, als privater Veranstalter auftritt und sich gerne im Glanz der Prominenz sonnt. Er ist es auch, der die Teilnehmer aussucht oder nicht aussucht. Kritiker der Sicherheitskonferenz wie der parteilose Europaabgeordnete Tobias Pflüger müssen dann schon mal außen vor bleiben - aufgrund von „Kapazitätsgründen“ sei eine Einladung von Pflüger nicht möglich, hieß es im vergangenen Jahr. Ansonsten konferieren und smalltalken im Hotel Bayerischer Hof hunderte Regierungschefs, Minister, Unternehmer und Generäle über das Schicksal dieser Welt. Auch hier sind Gegendemonstrationen nicht gerne gesehen, aber es sei eben die „Tragik“ der Demokratie, „dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf“, in Diktaturen würde so etwas nicht passieren, so Teltschick 2007 in einem Interview des Bayerischen Rundfunks.

Dass Kreti, Pleti und die Demonstranten draußen bleiben, dafür sorgen 3.500 Beamten und 150 Zivilpolizisten. Mitten in der Münchner Innenstadt wird um das Hotel Bayerischer Hof herum eine nicht betretbare Sicherheitszone eingerichtet und dafür müssen sogar Trambahnlinien umgeleitet werden. Die Kosten für die privaten „Festspiele“ trägt der deutsche Steuerzahler, 323.000 Euro an „Projektförderung“ machte dafür im vergangenen Jahr die Bundesregierung locker. Nicht eingerechnet darin der Polizeieinsatz in München und der Einsatz der Bundeswehr. Dies nahezu in Bataillonsstärke: An die 300 Angehörige der Bundeswehr stehen dem privaten Veranstalter zu Diensten - im Transportwesen, bei der Organisation, in den Pressezentren und in der „sanitätsdienstlichen Versorgung“.

Und weiter dreht sich der Jahresreigen: Vom 25. bis 28. April steht in Washington das Jahrestreffen der Trilateralen Kommission auf dem Programm. Sie wurde 1973 auf Betreiben des Milliardärssohn und Bankers David Rockefeller gegründet und besteht aus 300 Mitgliedern, die aus den USA, Europa und Japan kommen. Ziel der Organisation ist die verbesserte Zusammenarbeit dieser Regionen. Aus Deutschland mit dabei sind zum Beispiel Josef Ackermann (Deutsche Bank) und Otto Graf Lambsdorf (FDP). Wer in den illustren Club aufgenommen wird, darüber entscheidet jeweils eine nationale Kommission. Die Trilaterale Kommission betont ihren inoffiziellen Charakter. Übernehmen Mitglieder einen Posten in der jeweiligen nationalen Regierung, soll die Mitgliedschaft in der Kommission aufgegeben werden.

Nährboden für Verschwörungetheorien

Ein gefundenes Fressen für alle Verschwörungstheoretiker sind die geheimen Bilderberg-Konferenzen, die alljährlich im Frühsommer an verschiedenen Orten stattfinden. Der Name geht zurück auf das erste Treffen 1954 im Hotel Bilderberg im holländischen Oosterbeck, auf der hohe Herren über die Nato und den Warschauer Pakt diskutierten. Die Bilderberg-Konferenz dauert drei Tage und ist ein privates Treffen von rund 120 Reichen und Einflussreichen aus den USA und Europa zu einem ungezwungenen Meinungsaustausch. Wer eingeladen wird, darüber entscheidet ein Leitungsgremium. Vergangenes Jahr fand das Treffen vom 31. Mai bis 3. Juni in Istanbul statt, mit dabei waren zum Beispiel Jürgen E. Schrempp (Ex-Daimler-Chef) und Klaus Zumwinkel (Post AG). Worüber die Mächtigen auf dieser Konferenz sprechen ist nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Und auch wann und wo dieses Jahr sich die Bilderberger treffen - ist eben geheim.

Die mangelnde Transparenz, die Geheimnistuerei, die fehlende demokratische Legitimation, das sind nach Prof. Krysmanski auch die Gründe, warum derartige Konferenzen sich als Nährboden für Verschwörungstheorien eignen. Die Wahrnehmung dieser Treffen kann sehr unterschiedlich sein. So wird die Bilderberg-Konferenz auf der einen Seite einer „geheimen Weltregierung“ verdächtigt, andererseits wird von offenen Diskussionen zu verschiedenen Themen der Weltpolitik berichtet, die politisch keine direkten Folgen haben. Für den Sozialforscher aus Münster liegt die Wahrheit wohl - wie so oft - irgendwo in der Mitte.