Subventionsleiche DAB

Die Gebührenkommission stellt zwei Jahre vor der geplanten Zwangsabschaltung des Analogrundfunks das Scheitern der Digitalradiopläne fest

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In ihrem 16. Bericht zur öffentlich-rechtlichen Gebührenrunde 2009-2012 verlautbarte die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), dass die Einführung von DAB (Digital Audio Broadcasting) als deutscher Digitalhörfunk-Sendestandard endgültig gescheitert sei.

Mit dem im Rahmen des Eureka-147-Projekts der EU entwickelten digitalen Hörfunkübertragungsstandard können durch das "Multimedia Object Transfer Protocol" (MOT) neben Audio- auch andere Daten übertragen werden. Das schon etwas betagte Verfahren arbeitet mit dem MP2-Format und Datenraten zwischen 32 und 256 kbit/s. In Deutschland wird DAB-Radio im ehemals vom Fernsehen belegten Band III (174–230 MHz) und im L-Band (1452–1492 MHz) gesendet. Der Umstieg auf den Standard wird seit vielen Jahren intensiv propagiert - allerdings ohne nennenswerte Resonanz in der Bevölkerung.

Nun stellten auch die Sachverständigen der KEF fest, dass es trotz mehr als zehn Jahren öffentlicher Förderung nicht gelungen sei, ein ausreichendes Maß an Akzeptanz in der Bevölkerung beziehungsweise einen Wandel beim Kauf von Empfangsgeräten herzustellen. Die Kommission kommt deshalb zu dem Schluss, dass ein Weiterlaufen der DAB-Förderung in bisherigem Maße "nicht in Frage" komme, weil der DAB-Ansatz keine erfolgreiche Digitalisierung des Hörfunks verspreche.

Johannes Grotzky, der Hörfunkchef des Bayerischen Rundfunks, mochte gegenüber der Süddeutschen Zeitung lediglich von einer "unsicheren Phase" sprechen und verwies auf den neuen Standard DAB+, der durch eine wesentlich höhere Komprimierungsrate weitaus kostengünstiger sei. Ein Argument, dem wiederum die Gebührenkommission in ihrem Bericht nicht ganz folgen wollte. DAB+, so die Kommission, würde am Scheitern von DAB nichts grundlegendes ändern, sondern vor allem dazu führen, dass auch noch die Käufer der jetzt betriebenen DAB-Empfangsgeräte benachteiligt würden – auch deshalb, weil es DAB+ Empfangsgeräte (die zusätzlich zu MP2 auch HE AAC+ V2 decodieren können müssen) bisher nur als Einzelstücke gebe und eine Weiterentwicklung fraglich sei.

Seit 1995 wurden von den öffentlich-rechtlichen Sendern 180 Millionen an Gebührengeldern in den Standard gesteckt, was die vorhandenen Empfangsgeräte zu extrem teuren Spielzeugen machte – weniger für ihre Besitzer, als vielmehr für die Gebührenzahler. Jedes der in Deutschland vorhandenen circa 200.000 Geräte kostete den GEZ-Zahler bisher 900 Euro.

Das endgültige Scheitern des Standards bedeutet aber noch nicht das Ende der Subventionen. Zwar wurde die Forderung nach Entwicklungsgeldern dafür um etwa 166 Millionen Euro gekürzt, aber stolze 22,5 Millionen Euro sollten laut Finanzplan trotzdem noch im Grab des toten Standards versenkt werden. Die KEF begründet dies mit "rechtlichen Verpflichtungen". Gemeint sind offenbar Verträge der Rundfunkanstalten mit DAB-Gesellschaften wie T-Systems Media&Broadcast, von denen weder die Sender noch die Gesellschaften sagen wollen, wie lange sie noch laufen und welche genauen Klauseln sie beinhalten - obwohl es um öffentliche Gelder geht.

Bemerkenswert ist, dass über die Landesmedienanstalten unter dem Deckmäntelchen der DAB-Förderung offenbar auch private Hörfunksender "unterstützt" wurden. Über die Details dazu schweigen sich die Landesmedienanstalten allerdings aus. Darauf, dass die Subventionen möglicherweise nicht ganz unerheblich waren, deutet unter anderem die Reaktion des Vorsitzenden der "Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk" (APR), hin, der die Entscheidung der KEF heftig kritisierte.

Zielgenau an den Konsumgewohnheiten vorbei

Zur mangelnden Akzeptanz trug auch bei, dass DAB an den Konsumgewohnheiten der meisten Hörer recht zielgenau vorbeiging. Ein Großteil der Nutzer hört Radio im Auto oder bei der Hausarbeit, wo Motoren und Staubsauger brummen und Kochtopfdeckel klappern. Hier auf bessere Klangqualität als Haupt-Umstiegsanreiz zu setzen, war möglicherweise nicht ganz durchdacht. Hinzu kommt, dass sich nach den ersten Jahren Praxiserfahrung mit terrestrischem DVB-T-Fernsehen mittlerweile herumgesprochen hat, dass Digitalempfang zwar anders, aber keineswegs – wie vorher großmäulig versprochen - "störungsfrei" ist.

Dass DAB-Sendeanlagen mit weniger Kilowatt potentiell mehr Programme senden können, erwies sich beim Empfangsgeräteverkauf als Bumerang: Denn wo der Sender spart, da zahlt der Empfänger: Nicht nur, dass DAB-Empfängers erheblich mehr kosteten als herkömmliche Radios, sie verbrauchen auch wesentlich mehr Strom. Ein Argument, dass seit der Privatisierung des Energieoligopols und den damit verbundenen Preissteigerungen für Verbraucher zunehmend eine Rolle spielt. Vor allem im Batteriebetrieb sind DAB-Geräte durch den höheren Energieverbrauch gegenüber Analogradios im Gebrauchsnachteil. Auch das Argument der größeren Programmauswahl zog offenbar nur bedingt – möglicherweise auch deshalb, weil sich bereits jetzt ein Großteil der vorhandenen Sender in der Programmgestaltung kaum unterscheidet.

Ein wesentlicher Grund für das Scheitern war auch, dass der Empfang in Gebäuden in den meisten Fällen nur über eine außen angebrachte Hausantenne möglich war, die sich offenbar die wenigsten Radiohörer anschafften konnten oder wollten. Ursache dafür war, dass das Verteidigungsministerium eine Störung seiner oberhalb von 230 MHz angesiedelten Dienste befürchtete und deshalb eine Beschränkung der Sendeleistung im VHF-Band III auf Kanal 12 auf maximal 1 Kilowatt durchsetzte, womit praktisch kein "In-House-Empfang" möglich war. Als die Bundeswehr ihre Ansprüche teilweise zurückfuhr und in Bayern daraufhin die erlaubte Sendestärke erhöht wurde, hatte DAB den Ruf der Nicht-Empfangbarkeit schon weg.

Analogabschaltung

Eigentlich soll der analoge Rundfunk nach dem 2005 geäußerten Willen der EU-Kommission spätestens Anfang 2012 abgeschaltet werden. Der von der alten Bundesregierung verkündete Zielzeitpunkt Ende 2010 wird wohl nur für die Fernsehfrequenzen gehalten werden können. Wohl auch im Hinblick auf diese Pläne schrieben die KEF-Sachverständigen, dass der "Misserfolg der Digitalisierung des terrestrischen Hörfunks mittels DAB" nicht das Aus für die Einführung eines digitalen terrestrischen Hörfunks bedeuten müsse. Für einen "erfolgreichen Neustart der Digitalisierung" sollen weitere 42 Millionen Euro in ein "Entwicklungsprojekt" für einen neuen Standard fließen, das von der Kommission aber noch gesondert genehmigt werden muss.

In ihrem Bericht verweist die Gebührenkommission aber auch auf Formen medialer Konkurrenz, die bei der Entwicklung des Standards von der EU-Bürokratie noch nicht antizipiert wurden – darunter Radio über Internet, Satellit und DVB-H. Die Landesmedienanstalten warnten dagegen in einer Stellungnahme davor, dass der klassische Hörfunk angesichts der konkurrierenden neuen Informationswege "auf der Strecke bleiben" könne. Doch was wäre daran schlimm?

Ein guter Teil dessen, was früher das Radio lieferte, wird mittlerweile von Mobiltelefonen und MP3-Playern übernommen: darunter das immergleiche Gedudel von ein paar Charthits, die sich etwa im Monatsrhythmus abwechseln. Der so genannte Bürofunk erledigt sich durch Veränderungen in der Arbeitswelt immer mehr: In den Cubicles und Home Offices hat kaum mehr jemand Zeit und Nerven für die Werbesender, die Sekretärinnen früher dudeln ließen. Und auch Handwerker benutzen mittlerweile immer häufiger MP3-Player anstatt Kofferradios. Für das Küchenradio der Hausfrau ist die als Argument ins Feld geführte mit der CD "vergleichbare" Qualität (wie bereits ausgeführt) ebenso wenig sinnvoll wie für oder den mit Motorengeräuschen unterlegten Verkehrsfunk. Zudem haben automatisch unterbrochene MP3-CDs mit mehreren hundert Titeln das klassische Autoradiohören bereits zu weiten Teilen abgelöst.

Entsprechend wenig Willen zeigten diese Nutzergruppen bisher, sich neue Geräte zuzulegen. Sollten die analogen Sender tatsächlich abgeschaltet werden, ist anzunehmen, dass ein großer Teil dieser Noch-Radiohörer gleich auf andere Informations- und Musikquellen umsteigt, anstatt teure Empfangsgeräte zu kaufen. Die Zahl der tatsächlichen Konsumenten wird also wahrscheinlich wesentlich kleiner sein als die Zahl der möglichen. Denn trotz der relativen Erfolge im bekanntermaßen schrulligen Großbritannien gab es im restlichen Europa bisher keinen Markt für die Technologie – und es ist nicht wirklich absehbar, warum es in Zukunft einen geben sollte.

Eine Alternative zu der von der EU oktroyierten digitalen Zwangsbeglückung wäre eine Versteigerung der von Privatsendern genutzten Frequenzen, die derzeit mehr oder weniger verschenkt werden. Wie die Sender dann die Frequenzen nutzen – digital oder analog – bliebe ihnen selbst beziehungsweise dem Markt überlassen. Das Argument, mit den Privatsendern würde via Landesmedienanstalten eine Art öffentlich-rechtlicher Rundfunk veranstaltet, der für die Bevölkerung einen solchen Mehrwert bedeute, dass diese auf die Erlöse aus einer Versteigerung verzichten müsse, ist dagegen nach gut 20 Jahren Privatradioerfahrung kaum mehr nachvollziehbar. Und darauf, dass die Erlöse aus solch einer Versteigerung nicht unerheblich sein könnten, deuten unter anderem die Einnahmen aus den UMTS-Versteigerungen hin.