USA fürchtet islamistische Terroristen in Lateinamerika

Im Dreiländerdreieck von Paraguay, Brasilien und Argentinien sollen sich Hisbollah und andere Iran-nahe Gruppen angesiedelt haben

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Mit der zunehmenden Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und Iran wächst auch die Propaganda gegen die Islamische Republik. Neuester Vorwurf ist die Unterwanderung ganz Lateinamerikas. Gerade die Gegend im Dreiländerdreieck von Paraguay, Brasilien und Argentinien sei zum Terrorzentrum der libanesischen Hisbollah und anderer vom Iran unterstützten islamistischen Terroristen geworden, die von dort neue Anschläge planten.

Erst Mitte Januar diesen Jahres hatte US-Admiral James Stavridis vor den erschreckenden Verbindungen von islamischen Militanten in Lateinamerika gewarnt. „Die Verbindung von Narkoterrorismus und islamischen radikalen Terror“ würde bei ihm große Befürchtungen auslösen. Bei seinem Vortrag im Zentrum für Strategische und Internationale Studien in Washington zeigte der Admiral als Beweis ein Foto von Irans Präsidenten Mahmud Ahmadineschad zusammen mit bolivianischen Amtskollegen Evo Morales sowie Bilder mit Hugo Chavez von Venezuela und Rafael Correa aus Ecuador. Der iranische Präsident sei ein Sponsor des Terrorismus und ein sehr gefährlicher Mann, führte der US-Militär weiter aus. In Lateinamerika habe der Iran bereits 10 Botschaften und möchte auch in allen anderen Ländern der Region welche eröffnen.

Der Vorwurf von Admiral Stavridis passt sehr gut zu den neuerlichen Untersuchungen der Bombenanschläge von 1992 und 1994 in Argentinien, die die USA aktiv unterstützen. Bis heute sind die Attentate ungeklärt, US-Behörden und Israel halten jedoch den Iran und die libanesische Hisbollah verantwortlich

Dass man es sich bei der Täterschaft aber lange nicht so einfach machen kann, beweist eine Studie des Journalisten Gareth Porter. Er zeigt, dass Hisbollah nichts damit zu tun hat und die Attentate mit innen- und außenpolitischen Faktoren verknüpft sind. Bezeichnend dafür seien auffallend viele Schlampereien der argentinischen Untersuchungsbehörden bei der Aufklärung der Fälle.

Trotzdem werden die Anschläge als Beweis für die Präsenz radikaler islamischer Gruppen in Lateinamerika genommen. Exterritoriale Spielwiese der Terroristen soll das Dreiländerdreieck von Paraguay, Argentinien und Brasilien sein, in dem rund 25.000 Immigranten aus arabischen Staaten leben. Als Terrorzentrum gilt die paraguayische Stadt Ciudad de Este, die „laut US und israelischen Geheimdiensten, auch die Ausgangsbasis für die Hisbollah-Autobombe auf die israelische Botschaft 1992 und das Jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires 1994 war“. So jedenfalls wird es in einem CBS-Bericht aus dem Jahre 2006 kolportiert.

Handfeste Beweise gibt es kaum

Diese Art von Berichterstattung ist keine Ausnahme. Immer wieder wird das Dreiländerdreieck als Tummelplatz von Drogenmafia und radikalen Islamisten bezeichnet, die gemeinsam Schmuggeln und Geld waschen, um dann die Erlöse an Terrorgruppen in den Mittleren Osten zu schicken. Das behauptet auch ein offizieller Bericht der Federal Research Group der Library of Congress für die Regierung in Washington, der allerdings hauptsächlich aus Pressequellen zitiert, anstatt aus Gerichts-, Polizei- oder Geheimdienstunterlagen.

Handfeste Beweise haben bezüglich Islamisten im Dreiländerdreieck Seltenheitswert. Das mussten die beiden Journalisten April Howard und Benjamin Dangl, feststellen als sie 2007 Vorort in Ciudad de Este recherchierten Sie sprachen in der paraguayischen Grenzstadt mit politischen Verantwortlichen, Privat- und Geschäftsleuten, mit arabischen und nicht-arabischen Ursprung. Niemand wusste etwas von den vermeintlichen Hisbollah-Trainingcamps, systematischer islamistischer Indoktrination, Terroraktivitäten oder Sammlung von Spendengeldern. Der Presseattache des Gouverneurs sagte zu ihnen, dass sie die ersten ausländischen Journalisten wären, die mit ihm gesprochen hätten. Dabei gibt es zahlreiche Artikel im Ausland über die Ciudad de Este und das Dreiländergrenzgebiet.

Der US-Sender MNSBC sendete 2007 eine Reportage und präsentierte darin ein Interview mit Mustafa Khalil Meri, der sich als Hisbollah-Mitglied outete. „Ich bin jederzeit bereit, für mein Land zu sterben“, sagt er in diesem Video. Außerdem: Falls der Iran angegriffen würde, sei Bush ein toter Mann oder „Wir sind nicht geboren, um zu leben, sondern um zu sterben.“ Allerdings würde ein Mann, der tatsächlich zur libanesischen Hisbollah gehört, so etwas nie öffentlich sagen. Zum einen hätte er keine Erlaubnis dazu, zum anderen wäre ein offizieller Sprecher der Organisation wesentlich eloquenter und würde nie derart plumpe Aussagen treffen, die inhaltlich mit der Hisbollah-Doktrin nicht übereinstimmen.

Ebenso mysteriös ist die Figur Assad Amad Barakat, ein libanesischer Immigrant, der 50 Millionen US-Dollar an Terrorgruppen geschickt haben soll. Er wurde von der lokalen Polizei verhaftet, allerdings nur wegen Steuerhinterziehung belangt. Finanzierung von illegalen Gruppen ist in Paraguay kein Vergehen. Laut CBS News soll er einen handgeschriebenen Brief von Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah erhalten haben, in dem sich dieser für die geleisteten Dienste des Auslandslibanesen bedankt. Das klingt noch unglaubwürdiger als die Aussagen von Mustafa Khalil Meri. Wahrscheinlich war Assad Amad Barakat nur ein Hawala-Broker (Das Banksystem der Armen), der Geld in alle Teile der Welt verschickt. Hawala ist ein informales Geldüberweisungssystem, wie es im Mittleren Osten benutzt wird.

Eldorado für Schmuggler und Rauschgifthändler

Sicherlich ist das Dreiländerdreieck, wo an den Grenzen keine Pässe und keine Fracht kontrolliert werden, ein Eldorado für Schmuggel aller Art und natürlich auch für Geldwäsche. Selbstverständlich schicken Libanesen oder andere Araber jeden Monat Geld in ihre Heimatländer, um ihre dort verbliebenen Familien zu unterstützen. Schiiten aus dem Libanon werden auch ihre von der Religion vorgeschriebene Spendenpflicht erledigen und an Hilfsorganisationen, die möglicherweise zur Hisbollah gehören, kleinere wie größere Beträge überweisen. Daraus allerdings eine millionenschwere Terrorfinanzierung zu machen ist schlichtweg übertrieben.

Außerdem sollen nicht nur Hisbollah, sondern auch diverse radikale palästinensische Gruppen, darunter die Hamas und der Islamische Dschihad, sowie obendrein Al-Qaida in dieser Region ihr Unwesen treiben. Angeblich rekrutieren sie hier neue Freiwillige, unterhalten Ausbildungslager und akquirieren Spendengelder. Etwas viele Organisationen für gerade Mal 25.000 Immigranten arabischen Ursprungs in diesem Gebiet, die nicht alle Muslime, sondern auch Christen sind.

Millionensummen fließen beim Drogenhandel, der in der Tat von Südamerika direkt in die Bekaa-Ebene des Libanons führt. Nach dem Ende des libanesischen Bürgerkriegs (1975-1990) wurde der Opium- und Marihuanaanbau fast völlig unterbunden. Die Drogenmafia stellte sich auf die Veredelung der Rohstoffe um, die aus den Ursprungsländern importiert werden. Nun produziert man aus südamerikanischer Kokabase Kokain und danach Crack, um sie in arabische Länder sowie nach Südeuropa weiter zu exportieren. Heroin wird mit dem aus der Osttürkei oder Afghanistan importierten Opium hergestellt.

Das Bekaa-Tal ist heute ein völlig exterritoriales Gebiet, das von bewaffneten Familienklans beherrscht wird. Mit Hisbollah haben ihre geschäftlichen Praktiken erst einmal nichts zu tun. Vielleicht spendet die Mafia aus Sympathie oder aus einem einfachen Grund, nämlich ihre Ruhe zu haben. Hisbollah bevorzugt eine Zahlung in Naturalien, um damit israelische Offiziere zu bestechen, die als Gegenleistung militärische Geheimnisse preisgeben. Ungeklärt bleibt, wie viel vom gesamten Drogenhandel in den Libanon tatsächlich seinen Ursprung im Grenzgebiet von Paraguay, Argentinien und Brasilien hat. Schließlich leben in Südamerika insgesamt weit über 10 Millionen Libanesen.

Nimmt man die meisten der Presseberichte ernst, dann tummeln sich heute im Dreiländerdreieck, neben den zahlreichen Terroristen aus aller Welt, auch eine Reihe von Geheimdienstagenten, insbesondere vom CIA und dem israelischen Mossad. Schließlich will man Schlimmeres verhindern. Selbst das legendäre Terrormastermind Imad Mugniya, verantwortlich für zahlreiche Bombenattentate und Flugzeugentführungen, auf der Liste der meistgesuchten Männer des FBI und am 12.2.2008 durch einen Anschlag ums Leben gekommen, soll aus Cuidad del Este immer wieder operiert haben. Fast könnte man meinen, hier schreibt jemand an einem Hollywood-Film, denn an einer Geschichte über reale Begebenheiten.