Einwohner von Sderot fordern Laserwaffe gegen Kassam-Raketen

Gegen die israelische Regierung haben die unter Beschuss aus dem Gaza-Streifen liegenden Bürger von Sderot eine Klage eingereicht, Regierung und Militär setzen jedoch nicht auf den Hochenergie-Laser THEL/Nautilus, sondern auf das Raketenabwehrsystem "Iron Dome"

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Das Schema wiederholt sich, schon lange ist nicht mehr klar, wer anfängt und reagiert. Auf den Beschuss mit Kassam-Raketen von israelischen Siedlungen aus dem Gaza-Streifen folgen Bombardierungen oder gezielte Tötungen durch israelische Jets oder umgekehrt. Gewalt wird mit Gewalt beantwortet. Ein Ausstieg aus der Spirale der Gewalt scheint kaum möglich zu sein, da alle Beteiligten auch damit ihre Interessen verteidigen. Die unter dem Kassam-Beschuss besonders leidenden Bewohner der israelischen Stadt Sderot, die noch nicht geflohen sind, haben nun einen eigenwilligen Schritt vollzogen und die israelische Regierung angezeigt, dass diese zum Schutz noch keine Laserkanone installiert hat.

Zusammen mit den USA hatte Israel Mitte 1996 begonnen, das Nautilus- oder THEL-System (Tactical High Energy Laser) zu entwickeln. Der Hochenergie-Laser sollte bereits damals dazu dienen, in Nordisrael Katjuscha-Raketen abzuwehren, die von den Hisbollah abgefeuert wurden. Nach Jahre langer Arbeit und 300 Millionen US-Dollar Investitionen wurde das Projekt aber 2005 vom Pentagon und der israelischen Armee begraben, obgleich 2004 erste erfolgreiche Abschüsse von Raketen mit dem Prototyp bis in eine Entfernung von 5 km gelangen (Fortschritte bei Laserwaffe).

Der Tactical High Energy Laser. Bild: Pentagon

Wie Penrose C. Albright, eine ehemalige Pentagon-Angestellte, die für das Projekt zuständig war, sagte, war die Leistung aber nicht sonderlich. Besonders nicht, wenn es bedeckt ist, wie dies in Nordisrael häufig der Fall ist, oder wenn Raketen in Salven abgeschossen werden. Aber es gab noch weitere, wahrhaft gewichtige Gründe. Der Prototyp des Festkörperlasers, der schließlich auf dem Gelände White Sands Missile Range in New Mexico getestet wurde, war gewaltig groß und bestand aus einem Kommandozentrum, einem Radar und einem Teleskop, dem Lasersystem, einem bewegbaren Spiegel, mit dem Laserstrahl auf das Ziel gelenkt wird, und nicht zuletzt aus den Tanks mit den erforderlichen Tonnen an chemischen Substanzen zum Betrieb des Lasers. Falls eine Rakete diese Tanks zerstört, würde die austretende Säure in der Nähe Soldaten und Zivilisten gefährden. Auch bei einer Aktivierung des Laserstrahls – pro "Schuss" wurden Kosten von 3000 US-Dollar veranschlagt - treten toxische Chemikalien aus, die die futuristische Waffe zu einer ökologischen Bombe machen. Als zu kostspielig und untauglich für den Kampfeinsatz wurde die Entwicklung des Systems dann 2005 beendet, anfangs hatte man anvisiert, die ersten Laserkanonen schon 2007 einsetzen zu können. Jetzt ist das Lasersystem eingebunkert, die Wartung kostet jährlich eine Million Dollar.

In Israel blieb die Beendigung des Lasersystems umstritten. Manche befürworteten die Wiederaufnahme der Entwicklung, Ministerpräsident Olmert und der damalige Verteidigungsminister Peretz startete 2007 mit dem "Iron Dome", das vom israelischen Rüstungskonzern Rafael entwickelt wird, ein neues Abwehrsystem für Kurzstreckenraketen. Einsatzbereit soll es 2010 sein, allerdings wird es, so berichtete Haaretz, nichts gegen Kassam-Raketen nutzen, die aus kurzer Entfernung abgeschossen werden. Für Sderot bietet es also keinen Schutz. Zudem würde jede Abfangrakete 100.000 US-Dollar kosten.

Daher haben nun Anwälte für die Sderot-Einwohner, die teilweise Angehörige durch den Raketenbeschuss verloren haben, eine Klage gegen Ministerpräsident Olmert und Verteidigungsminister Barak eingereicht, in der sie die sofortige Installierung des angeblich erfolgreichen Nautilus-Systems fordern. Das würde nur 5 Millionen US-Dollar kosten. Werde es nicht installiert, würden die Angeklagten das Leben von Menschen riskieren. Überdies wird gefordert, dass sobald wie möglich das Nachfolgesystem SkyGuard installiert wird, das auf Nautilus aufbaut und schon länger auch als Alternative zum "Iron Dome" vorgeschlagen wurde.

SkyGuard wird vom US-Rüstungskonzern Northrop Grumman seit 2006 entwickelt. Der Konzern hat 2007 die erste Produktionsstätte eröffnet, in der ausschließlich Hochenergie-Lasersysteme für militärische Zwecke hergestellt werden. SkyGuard soll ein Viertel kleiner als THEL/Nautilus sein, weniger verbrauchen, billiger und effizienter sowie mobil sein und eine Reichweite von 10 km haben.

Das israelische Verteidigungsministerium weist die Vorwürfe der Sderot-Bürger allerdings ebenso zurück wie die Behauptung, dass THEL/Nautilus "100 Prozent" effizient sei. Jeder Schuss mit einem Lasersystem koste 100.000 US-Dollar, wird gesagt, der Abschuss einer Abfangrakete zwar auch noch 50.000, aber die Entwicklung eines solchen Raketenabwehrsystems, das weitaus leistungsfähiger sei, komme insgesamt erheblich billiger als die eines Lasersystems.

Zudem existiere SkyGuard eigentlich nur erst auf dem Papier, sagte ein Vertreter der israelischen Armee, während Iron Dome kürzlich verbessert wurde und Kassam-Raketen auch bis zu einer Entfernung von 4,5 km abschießen könne. Nach einem Bericht der Jerusalem Post will Generaldirektor Pinhas Buchris vom israelischen Verteidigungsministerium nächste Woche in die USA reisen und dem Pentagon Iron Dome um Verkauf anbieten, um die Truppen im Irak und in Afghanistan zu schützen.