Fed rettet Bear Sterns

Die fünftgrößte Wall Street-Investmentbank dürfte einen "Bank Run" erlebt haben und musste von JP Morgan Chase, der drittgrößten US-Bank, und der New Yorker Fed gerettet werden

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Die Investmentbank Bear Sterns dürfte am Freitag nur knapp an einer Insolvenz vorbeigeschrammt sein. Jedenfalls gaben Bear Sterns und JP Morgan da ein Arrangement bekannt, demzufolge JP Morgan Bear Sterns unbeschränkt Liquidität bereitstellen werde. Die Fed erklärte indes in einem dürren Statement, dass der Gouverneursrat der Fed diesem Arrangement einstimmig zugestimmt habe und die Fed so viel Liquidität bereitstellen werde wie nötig.

Auf der Bear Sterns Webseite war zudem zu lesen, dass man mit JP Morgan auch alternative Finanzierungsmöglichkeiten bespreche, was wohl darauf hindeutet, warum JP Morgan sich diese Bürde aufhalst, nämlich offenbar wegen einer geplanten Kapitalbeteiligung oder Übernahme.

Wie es zu dem Desaster kommen konnte, erklärt Alan Schwartz, President und CEO von Bear Stearns damit, das man es eben nicht geschafft hätte, dem Markt deutlich zu machen, was angesichts der umlaufenden Gerüchte „Fact“ und was „Fiction“ sei (am Montag sollen übrigens Quartalszahlen veröffentlicht werden, was die Nervosität weiter anheizte), so dass sich „in den letzten 24 Stunden“ die Liquiditätsposition der Bank „signifikant verschlechtert“ habe. „Wir haben diesen wichtigen Schritt unternommen um an den Märkten das Vertrauen in uns zurück zu gewinnen, unsere Liquidität zu verbessern und um unsere üblichen Geschäfte fortzusetzen.“ Dies nun für vorerst bis zu 28 Tage mit vollem Liquiditätsbeistand von JP Morgan und der Fed.

Geht es nach einer Analyse der Ratingagentur Standard & Poor’s, dann könnte es ein guter Einstiegszeitpunkt sein. Denn wenigstens mit den Abschreibungen auf Bear Sterns Spezialität, die Subprime-Kredite, die die Finanzkrise ausgelöst hatten, sei es nun bald vorbei und die Banken sollten eher mit Zuschreibungen rechnen. Allerdings nur aus dem Subprimebereich, denn in einigen anderen Segmenten stehe umfangreicher Abschreibungsbedarf an, der S&P jedenfalls nicht von rosigen Zukunftsaussichten sprechen lässt.

Bear Sterns ist (bzw. war) groß im Geschäft mit der Strukturierung von Eigenheim-Hypotheken und der Kollaps zweier seiner Hedge Fonds gilt als Ausgangspunkt der aktuellen Kreditkrise (Subprime-Brutalität). Das Wall Street Haus ist zudem einer der wichtigsten Broker und Dealer im Handel mit Kreditrisiken. Es verfügt auf diesen Gebieten über die besten und teuersten Manager; nur dürften diese bereits seit Wochen ernste Schwierigkeiten haben, am Markt als Käufer von Kreditrisiko akzeptiert zu werden. Denn offenbar zweifelte man zuerst dort an ihrer Fähigkeit, die zu übernehmenden Risiken auch tragen zu können. Zudem wurde letzte Woche bekannt (Bond-Investoren haben Vertrauen in die US-Notenbank verloren), dass Bear Sterns große Teile des Portfolios von Carlyle Capital finanziert hatte, eines 16 Mrd. USD Hedge Fonds, der letzte Woche fällige „Margin-Calls“ nicht erfüllen konnte und jetzt liquidiert wird.

Dann berichtete unter anderem die Financial Times über Liquiditätsprobleme bei Bear Sterns und spätestens, nachdem sich die Investmentbank nach 12 Prozent Kurseinbruch am Montag zu einem offiziellen Dementi genötigt sah, dürften Trader und Risikokomitees ihrer Handelspartner die Exposure gegenüber Bear Sterns drastisch reduziert haben.

Denn über die börsennotierte Carlyle Capital Corp, die von der Carlyle Group, einem der größten Private Equity Fonds, letztes Jahr für 400 Millionen Dollar an die Börse gebracht worden war, dürfte Bear Sterns nun weitere große Mengen an genau den Hypothekaranleihen in die Bilanz bekommen haben, die derzeit so schwer zu finanzieren sind.

Allerdings handelt es sich vor allem um gut geratete Papiere etwa von den großen „state sponsored agencies“, den vom Kongress gegründeten Hypothekenbanken Fannie May und Freddie Mac, und es ist undenkbar, dass die US-Behörden eine Pleite dieser Institute zulassen werden. Dennoch hatten zumindest die Carlyle-Kreditgeber plötzlich hohe Abschläge auf diese Sicherheiten verlangt, die Carlyle nicht erfüllen konnte, so dass die Kreditgeber die Sicherheiten einzogen. Da Bear Sterns diese zusätzlichen Papiere - bei laut Bloomberg aktuell rund 34fachem Bilanz-Leverage und genügend anderen Unabwägbarkeiten - kaum aus der eigenen Bilanz finanzieren kann und am Markt plötzlich „Haircuts“ (Sicherheitsabschläge) von 30 Prozent auf AAA-Anleihen verlangt werden, wie Carlyle berichtet, dürfte das systemisch enorm wichtige Institut dann tatsächlich mit großem Misstrauen und ernsthaften Liquiditätsproblemen konfrontiert worden sein.

Damit gewinnen freilich auch die z B. von DJ Marketwatch verbreiteten Vermutungen an Glaubwürdigkeit, die jüngsten Aktionen der Fed seien nichts anderes gewesen als eine verzweifelter Rettungsversuch für Bear Sterns. Denn die Fed hatte jüngst nicht nur massive Geldspritzen in den Interbankenmarkt, sondern am 11. März auch eine Verbreiterung der dafür zulässigen Sicherheiten bekannt gegeben, was Bear Sterns – die als einer von 20 „Primary Dealers“ für Staatsanleihen direkt mit der Fed traden kann - die Finanzierung größerer Teile seines Portfolios über die Notenbank ermöglicht. Von der Fed werden nun nicht mehr nur Staatsanleihen akzeptiert, sondern auch Hypothekaranleihen mit quasi-öffentlicher Garantie von Fannie und Freddie sowie private Hypothekaranleihen mit AAA/Aaa-Rating, für die sie den „Primary Dealers“ zusätzliche 200 Mrd. USD bereitstellen werde, dies zudem nicht nur für einen, sondern für 28 Tage.

Bear Sterns-Chef Alan Schwartz, der am Montag noch verkündet hatte, es sei „absolut keine Wahrheit an den Gerüchten um Liquiditätsprobleme“, und darauf beharrte, dass Bilanz, Liquidität und Kapital „stark bleiben“, dürfte nun hektisch verhandelt haben, um die Bank zu retten. Die Motivation der Fed ist klar, denn ein Zusammenbruch von Bear Sterns - die auch ein wichtiges Clearing Haus ist - wäre wohl ein guter Auslöser für einen ungeordneten Dollar-Crash.

JP Morgan Chase, mit rund 1.600 Milliarden Dollar an Bilanzsumme, ist der direkte Nachfolger der Imperien von Rockefeller (Chase Manhattan), John Pierpoint Morgan sowie der Chemical Bank und könnte sich zur absoluten Nummer Eins der Wall Street aufschwingen, gewänne es die Kontrolle über Bear Sterns, die von 2005 bis 2007 immerhin noch die Fortune-Rangliste der am meisten bewunderten Investmentbanken angeführt hatte.

Anders als Bear Sterns hat JP Morgan die aktuelle Finanzkrise bislang vergleichsweise unbeschadet überstanden und musste erst für das 4. Quartal 2007 Abschreibungen von 1,4 Mrd. USD bekannt geben, das allerdings bei einem Jahresüberschuss von 15,1 Mrd. USD. Auch an so genannten „Level 3 Assets“, den Wertpapieren in einer Bank-Bilanz, die so selten gehandelt werden, dass die Preise geschätzt werden müssen, hat JP Morgan nur rund 60 Mrd. USD und das ist nur rund die Hälfte des Eigenkapitals, während die Level 3 Anleihen bei Bear Sterns mit rund 20 Mrd. USD rund 155 Prozent des Eigenkapitals ausmachen.

Vermutlich wird der Preis, den JP Morgan angesichts der Unabwägbarkeiten für die Kontrolle über Bear Sterns zu zahlen bereit wäre, dennoch eher niedrig sein. Ob der im Oktober über einen Aktientausch mit einer Milliarde USD bei Bear Sterns mit zehn Prozent eingestiegene chinesische Fonds Citic Securities dann fair kompensiert werden wird, wird man sehen. An der Börse brach der Kurs von Bear Sterns am Freitag jedenfalls fast um die Hälfte ein. Im Januar 2007 hatte die Aktie noch mehr als 165 Dollar gekostet, dann war sie innerhalb eines Jahres auf unter 70 abgefallen und am Freitag lag der Preis im Tagesverlauf zeitweise unter 28 USD.