"Angriff auf die öffentliche Ordnung"

Ein Oster-Kommentar

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Über Feiertage wie Ostern entbrennt schon fast traditionell ein Kampf um Marktanteile. Millionen von der Arbeit befreiter Bürger haben synchron mehr als genug Zeit, sich ihrer seelischen Erbauung zu widmen - und tun dies häufig genug vor dem Fernseher. Um möglichst viel von diesem lukrativen Feiertagskuchen abzubekommen, übertreffen sich die Fernsehsender wieder in ihrem Aufgebot an publikumswirksamen Hollywood-Großproduktionen - nicht zuletzt auf Sat.1 mit den ersten drei Stirb-langsam-Filmen. Damit fischen die Sender selbstredend nur in einem ersten Schritt nach Zuschauern, am Ende steht bei allen aber der wirtschaftliche Gewinn durch verkaufte Werbespots. Diese wiederum sind auch nur dem Kampf um Marktanteile geschuldet, wobei hier der Kampf Milka gegen Lindt lautet - eine Art natürliche Auslese unter Schoko-Osterhasen.

In diesem Ringen um das wirtschaftliche Überleben wollen die christlichen Kirchen nicht zurückstehen. Ebenso wie die Lebensmittelindustrie sind sie auf zahlende Kundschaft angewiesen. Dabei können die Kirchen allerdings auf zwei unschätzbare evolutionäre Vorteile bauen: Die Gebühren für die sehr häufig einfach vererbte Mitgliedschaft werden gleich vom Staat eingezogen; und - was im Medienzeitalter womöglich noch schwerer wiegt -- sie müssen für ihre Werbebotschaften in Print und Fernsehen noch nicht einmal bezahlen.

Als Beispiel diene an dieser Stelle nur ein Interview vom Samstag - der österlichen Prime Time - mit Bischof Gebhard Fürst im Spiegel. Fürst ist "Vorsitzender der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz", anders ausgedrückt: Marketingleiter der katholischen Kirche in Deutschland. Wie sein Münchner Bischofskollege Marx geißelt Fürst die Filmauswahl gerade der privaten Sender zu Ostern. Ob den Bischöfen die subtile Ironie gerade der Auswahl der Stirb-langsam-Filme entgangen ist, sei hier einmal dahingestellt; in jedem Fall fordern sie einen "angemessenen Umgang mit der Osterbotschaft". Ein sichtlich empörter Bischof Fürst wird vom Spiegel mit der Skandal-Enthüllung zitiert, "offenbar gehen die Privatsender davon aus, dass Religion Privatsache ist und bei ihnen nicht vorkommen muss". Dies sei "ein Angriff auf die öffentliche Ordnung".

So sehr man es auch bedauern mag, der Überbringer schlechter Nachrichten zu sein, so muss es doch unseren Bischöfen früher oder später jemand (schonend) beibringen: Religion ist tatsächlich Privatsache. Und das ist genau genommen eine gute Nachricht. Die Zeiten, in denen sich die Obrigkeit, ob weltlich oder religiös, in der Menschen Glauben einmischen konnte, sind Gott sei Dank vorbei. Auch diese Form eines absolutistischen Anspruches auf Wahrheit hat in einer aufgeklärten, demokratischen Gesellschaft keinen Anspruch auf Gehör mehr.

Und ein Angriff auf die öffentliche Ordnung? Bischof Fürst scheint da besser als viele andere zu wissen, wovon er redet. Nicht nur in Zeitschriften, die ihm und eben nicht zuletzt auch seinen wirtschaftlichen Interessen bereitwillig ein kostenloses Forum bieten, möchte er die Privatangelegenheit eines Bevölkerungsteils gesponsert sehen. Nein, jetzt soll auch noch das private Fernsehen zur Verbreitung des Evangeliums verpflichtet werden.

Weiterhin ist es kein Zufall, dass demokratische Ideale und das Hochhalten der Rationalität Hand in Hand gehen - alte Griechen und nicht ganz so alte Franzosen und Amerikaner wussten sehr wohl, worauf sie ihre Staatsformen gründeten. Die Geschichte, dass ein Mensch vor ca. 2000 Jahren von den Toten wiederauferstanden und unter ihnen gewandelt ist, als eine moralische und erhebende Botschaft anzusehen und zu erwarten, dass erwachsene, vernunftbegabte Menschen wider jegliche Vernunft ihren Glauben an die Geschichte bekunden - das ist tatsächlich ein Angriff auf die öffentliche Ordnung. Vor den Gefahren dieser Glorifizierung der Irrationalität warnte nicht zuletzt Voltaire: "Wer andere dazu bringen kann, Unmögliches zu glauben, kann sie auch dazu bringen, Gräueltaten zu begehen."

Um etwas versöhnlicher zu schließen, sei an dieser Stelle gesagt, dass selbstverständlich eine andere Behandlung des Osterfestes im Fernsehen denkbar und sogar wünschbar wäre. Worauf die Wahl fallen könnte? Nun, Thomas Jefferson, einer der Väter der aufgeklärten, säkularen Demokratie, meinte (sinngemäß): "Das einzige, das man mit einer lächerlichen Idee tun kann, ist, sie lächerlich zu machen." Also, liebe Programmchefs, erhört die Bitten unserer Bischöfe. Zeigt Monty Pythons Ostern-gerechte Satire "Das Leben des Brian"!