Ausgerechnet France Télécom gegen geplante Internet-Sperrung

Der französische Ex-Staatsmonopolist hält die Maßnahme für "unverhältnismäßig" und zeigt sich besorgt, dass damit "ernsthafte Kriminalität" gefördert werden könnte

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Am 3. Januar hatte die EU-Kommission eine Mitteilung zu Kreativen Online-Inhalten im Binnenmarkt angenommen. Sie ist ein Schritt zu einem einheitlichen Online-Markt für Musik, Filme und Spiele. "Europas Inhalte-Branche leidet unter ihrer rechtlichen Zersplitterung, unter dem Mangel an klaren, verbraucherfreundlichen Regeln für den Zugang zu urheberrechtsgeschützten Online-Inhalten und unter ernsten Streitigkeiten der Beteiligten über grundlegende Belange wie Kopierabgaben und Privatkopien", führte Viviane Reding aus. Bis Mitte 2008 will sie eine Empfehlung geben und deshalb forderte sie "insbesondere Europas Verbraucherorganisationen" auf, sich aktiv an der Debatte zu beteiligen.

Im ausgearbeiteten Fragenkatalog wird auch um eine Stellungnahme zu dem geplanten Gesetz in Frankreich gebeten, dass dieses Jahr in Kraft treten soll. Damit soll härter gegen Internetnutzer vorgegangen werden, die illegal Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken herunterladen. Nicolas Sarkozy will auf Filter und Sanktionen setzen. So soll den Netizen nach Warnungen die Internetverbindung zeitweise oder dauerhaft gesperrt werden, wenn wiederholt gegen das Urheberrecht verstoßen wird. Dafür soll aber die Digitale Rechteverwaltung (DRM) abgeschafft werden.

Wurden die Maßnahmen als Vereinbarung zwischen dem Staat, den Internetprovidern und den Contentanbietern bezeichnet, so sticht nun die Stellungnahme der großen France Télécom hervor, dem größten französischen Kommunikationsunternehmen, in dem der Staat mit mehr als 22 Prozent der Aktien einen entscheidenden Einfluss ausübt. Die Firma hält eine Sperrung der Internetverbindung für "unverhältnismäßig" und fragt sich, wie diese Maßnahme mit der Verpflichtung zum universellen Dienst vereinbar sei. Das Schreiben ist leider bisher auf den entsprechenden EU-Webseiten nicht zugänglich. Allerdings zitiert die spanische Zeitung Publico daraus.

France Télécom weist darauf hin, dass der Tausch von Dateien über P2P "nicht die einzige illegale Aktivität im Internet ist". Sie befürchtet, dass derlei Maßnahmen letztlich dazu führen, "Anreize für die Entwicklung von Technologien zur Anonymisierung und Verschlüsselung schaffen, die sich in Werkzeuge für ernsthafte Verbrechen verwandeln".

Auch auf die Frage, ob Filtermaßnahmen zum Aufspüren von unautorisierten Kopiervorgängen ein wirksames Mittel seien, äußert sich die Firma skeptisch. Filter wolle man nur für Päderastie einsetzen, sei aber bereit, mit einer unabhängigen Instanz zusammen zu arbeiten, wenn die Privatsphäre der Konsumenten gewahrt werde. Kritisiert wird auch das Vorgehen an sich: "Der Aufbau eines breiten legalen Online-Angebots ist eine Vorbedingung vor der Kriminalisierung" von P2P-Netzen.

Ähnliche Bedenken kommen aber auch von anderer Seite. So meint auch der Verband österreichischer Internet-Anbieter ISPA, diese Maßnahmen würden den Rahmen der Verhältnismäßigkeit überschreiten und seien hinsichtlich ihrer Effektivität sehr fragwürdig: "Filtern ohne Verletzung der Grundrechte ist nicht möglich". Das Vorhaben in Frankreich widerspreche den Zielen der EU, dass das Recht auf Internetanschluss gewahrt werden müsse. Die ISPA, die den größten Teil ihres Schreibens der Filter- und der Sperrungsfrage widmet, erklärt: "Ein einfacher Zugang zu legalen und preiswertenOnline-Inhalten ist der beste Weg, um illegalen Nutzungen entgegenzuwirken".