Wer hat Angst vorm Schwarzen Loch?

Mit dem LHC des Kernforschungszentrums CERN könnten auch winzige Schwarze Löcher erzeugt werden, in den USA wurde wegen angeblicher Risiken für die gesamte Erde eine Klage eingereicht

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Der Large Hadron Collider (LHC), der weltweit größte Teilchenbeschleuniger, wird bald am Europäischen Kernforschungszentrum CERN fertiggestellt sein. Der Ringbeschleuniger mit seinen 1.700 Magneten hat einem Umfang von 27 km. Nicht von allen werden allerdings die geplanten Experimente mit dem LHC begrüßt, mit denen Einsicht in das Universum kurz nach dem Urknall etwa durch die Erzeugung von Antimaterie erlangt werden soll.

Darstellung des Zerfalls eines Schwarzen Lochs im ATLAS-Detektor. Bild: CERN

Insbesondere stößt Kritikern das Projekt auf, mit dem Teilchenbeschleuniger Schwarze Löcher erzeugen zu wollen. Mit dem riesigen, 46m langen und 25 m breiten und hohen ATLAS-Detektor ist nicht nur der Nachweis des Higgs-Boson geplant (Wurde das Higgs-Boson entdeckt?), sondern eben auch die Herstellung von mikroskopisch kleinen, blitzschnell zerfallenden schwarzen Löchern, die sich aus den Spuren der nach den Kollisionen von Protonen bildenden und zerfallenden Teilchen im Detektor erkennen ließen (The case for mini black holes).

Ein Schwarzes Loch könnte etwa entstehen, wenn Gluonen oder Quarks einander so nahe kommen, dass sich durch die Gravitationskraft eine Bindung herstellt. Zwischen den Teilchen könnte dann ein schwarzes Loch entstehen, das aber aufgrund von Quanteneffekten so schnell wieder zerfällt, dass kaum Materie von außen aufgenommen werden kann, weswegen dies nicht gefährlich ist – sagen jedenfalls die meisten Physiker. Sie verweisen dabei auf die Hawking-Strahlung, nach der sie an Masse verlieren müssten, oder auf ähnlich hochenergetische Teilchenkollisionen, die ständig nicht nur im Weltraum, sondern auch in der Atmosphäre vorkommen (Schwarze Löcher im Miniformat). Ein 2003 veröffentlichter Bericht der LHC Safety Study Group stellte fest, dass es keine erkennbaren Risiken gebe. Ob es überhaupt möglich ist, Schwarze Löcher künstlich zu erzeugen, muss sich freilich erst noch herausstellen.

Darstellung des Zerfalls eines Schwarzen Lochs. Bild: CERN

Gleichwohl sind manche Menschen schon seit Jahren besorgt, dass die winzigen Schwarzen Löcher, sollten sie überhaupt in Teilchenbeschleunigern erzeugt werden können, irgendetwas anrichten könnten. Das CERN hat deswegen schon eine Webseite zur Sicherheit eingerichtet und beruhigt, dass die im Teilchenbeschleuniger herstellbaren Energien im Vergleich zu denen, die im Universum auftreten, höchst bescheiden sind. Auch wenn jeder Protonenstrahl im LHC, so CERN, einem 400 Tonnen Hochgeschwindigkeitszug gleicht, der mit 150 km/h fährt, so werde nur ein winziger Teil dieser Energie in jeder Kollision von Teilchen umgesetzt: "Ungefähr das Äquivalent der Energie eines Dutzends fliegender Mücken." Da auch die Schwarzen Löcher aus der Energie von kollidierenden Teilchen entstünden, hätte diese Mückenenergie nicht die Kraft, Materie anzuziehen. Auch von möglicherweise entstehender Seltsamer Materie (Strangelet), sofern es sie gibt, würde keine Gefahr ausgehen.

Das wollen etwa Walter Wagner und Luis Sancho, die sich selbst als "Experten für Physik und andere wissenschaftliche Felder" präsentieren, nicht für bare Münze nehmen und haben in Hawaii gegen CERN sowie gegen das am LHC beteiligte US-Energieministerium, die National Science Foundation und das Fermilab am 21. März eine Klage eingereicht, um eine einstweilige Verfügung zu erzielen. Der dritte Sicherheitsbericht liege noch nicht vor, die Kläger bräuchten einige Monate, um diesen, sobald er vorliegt, überprüfen zu können.

Verschiedene wissenschaftliche Theorien, die Klagebegründung, würden verschiedene Ergebnisse der Kollisionen im LHC vorhersagen. Was genau herauskommt, wisse man nicht. Entstehen könnte theoretisch Seltsame Materie, die Materie aufnimmt und weiter wächst. Wiederholte Experimente könnten diesen Prozess verselbständigen, so dass die Erde in Gefahr schweben könnte, von der Seltsamen Materie verschlungen zu werden. Auch bei den Mini Schwarzen Löchern, die eine irreversible Implosion verursachen, bestünde die Gefahr, dass die Erde gefährdet wäre. Wagner und Sancho weisen überdies auf magnetische Monopole hin, hypothetische Teilchen, die bislang noch nicht nachgewiesen wurden. Diese Monopole könnten, so fürchten die beiden, den Zerfall von Protonen und Atomen auslösen, die sich wiederum unkontrollierbar in andere Materieformen entwickeln könnten.

Bislang habe man diese riskanten Möglichkeiten nicht "absolut" zurückweisen können. Wagner wirft CERN vor, nur zu behaupten, dass alles sicher sei. Das sei aber nur Propaganda. Dem widerspricht man aber in CERN, hat aber doch letztes Jahr eine anonyme Safety Assessment Group eingesetzt, um alle Eventualitäten auszuschließen.

Wagner ist für Teilchenphysiker kein Unbekannter. Er hatte schon vor acht Jahren ähnliche Klagen gegen das Brookhaven National Laboratory eingereicht, das den Relativistic Heavy Ion Collider betreibt, ist aber 2001 gescheitert. Das dürfte ihn mit seiner in Hawaii gestellten Klage wieder passieren, zumal seine Beweisführung für das Weltuntergangsrisiko dünn ist. Wagner selbst hatte Physik studiert, sich später in Jura promoviert und als Strahlungssicherheitsbeamter bei der Veterans Administration gearbeitet. Seine Klagen führen seine zwei Interessengebiete offenbar zusammen. Sein Kompagnon Sanchez stammt aus Spanien, und bezeichnet sich als Autor und Zeitforscher.