Wilders, Fitna und "unsere Werte"

Wilders sieht einen gemäßigten Islam als Widerspruch in sich, Niederländer entschuldigen sich für den islamophoben Politiker, den ebenso einseitige Mitstreiter als "radikalen Liberalen" würdigen

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Kurz nachdem der islamophobe Politiker Geert Wilders sein Anti-Islam-Video Fitna auf die britische Video-Plattform LiveLeak gestellt hatte, sperrte diese am 28. März mit dramatischer Begründung den Zugang. Man sei bedroht worden und fürchte für die Sicherheit der Mitarbeiter, hieß es, während das Video weiterhin auf Dutzenden anderer Websites und auf YouTube oder hier zu sehen war.

Am Sonntag wurde das Video dann wieder zugänglich gemacht. Man habe inzwischen Sicherheitsmaßnahmen für die Mitarbeiter und ihre Familien verbessert, heißt es nun. Und obwohl die Reaktion auf das Video eher verhalten und vermutlich damit nicht im Sinne von Wilders war, der bewusst mit einseitigen und vereinfachten Aussagen provozieren wollte, verkündet man nun nicht weniger dramatisch, dass man sich dem Druck nicht beugen werde, nachdem man dies gerade gemacht hatte. Die Geschäftsleitung entschuldigt sich, das Video entfernt und wieder online gestellt zu haben. Man habe nicht berücksichtigt, "dass manche Menschen so unsicher sind, unser Leben zu bedrohen, nur weil sie den Inhalt eines Videos nicht mögen, das wir weder produziert noch unterstützt, sondern nur gehostet haben".

Wenn man so will, hatte Fitna aber doch einen gewissen Erfolg im Sinne des Machers. 26 muslimische Staaten haben die niederländische Regierung aufgefordert zu prüfen, ob der Film verboten werden könnte. Das sind zwar nicht die Unruhen, die man befürchtet oder erhofft hatte, aber das ist immerhin ein Zeichen dafür, dass muslimische Länder auch bei eher dümmlichen Machwerken Probleme mit der Meinungsfreiheit haben (was freilich auch in christlichen Ländern durchaus vorkommen kann). Natürlich sollte man solche Filme machen und veröffentlichen können, selbstverständlich sollten keine Religionsvertreter oder Regierungen im Namen der Religion dies unterbinden dürfen und ebenso selbstverständlich müssen Muslime sich dem stellen, dass Radikale, Fundamentalisten und Terroristen den Islam und den Koran für ihre Zwecke benutzen. Das ist im Übrigen nicht anders bei den christlichen Kirchen, die nicht einfach verleugnen können, was im Namen ihrer Religion und unter der Berufung auf die Bibel verbrochen wurde.

In einem Gespräch mit Wilders fragte der Spiegel-Reporter, warum dieser zwar Meinungsfreiheit einfordert, aber gleichzeitig den Koran verbieten will. Bezeichnenderweise kann Wilders darauf nicht antworten, sondern lediglich sagen, dass er den Islam "hasst", weil er "unsere Werte" gefährdet. Natürlich hat er Recht, wenn er sagt, dass es offenbar keine Imams gibt, die die Homosexualität verteidigen, aber wenn dies "unsere Werte" sind, sollte er auch mal ein Hühnchen mit dem Vatikan rupfen. Gemäßigter Islam sei ein Widerspruch in sich, meint der anti-islamische Prediger und suggeriert, dass es keine Angriffe im Namen des Buddhismus und Christentums gebe.

Da fragt man sich, in welcher Welt Wilders lebt, wenn er dann auch noch hinzufügt, dass Homosexuelle angeblich nicht von Christen verprügelt werden. Da hätte er in letzter Zeit beispielsweise nur mal einen Blick nach Polen oder Russland werfen müssen, beides nicht gerade islamische Länder. Aber was nicht in die ideologische Scheuklappe passt, wird vom Verteidiger "unserer Kultur" und der Meinungsfreiheit ausgeblendet, weil man das Böse braucht und die Welt nicht zu kompliziert machen will. Macht man dies, dann gehört man den Gutmenschen an und unterwirft sich dem Bösen. Nach einem ähnliches Strickmuster ist bekanntlich auch Bush verfahren und hat damit den Islamismus eher geschürt als ihm den Boden unter den Füßen weg gezogen.

Wilders will nun das Video verändern, um Klagen anderer Art zuvorzukommen. So wird er die Mohammed-Karikatur mit der Bombe im Turban von Kurt Westergaard entfernen, da sonst eine Urheberrechtsklage droht. Fälschlicherweise hatte Wilders auch ein Bild des Rappers Salah Edin für Mohammad Bouyeri, den Mörder von van Gogh verwendet. Das passt Salah Edin nicht und ist für Wilders äußerst peinlich. Da das Video allerdings im Internet zirkuliert, dürfte dies nur einen kosmetischen Effekt haben.

Vielen Holländern ist es peinlich, dass ihr Land weltweit durch den Propagandafilm von Wilders in Misskredit gebracht wird. In YouTube findet man zahlreiche Videos, die sich für Wilders entschuldigen (Sorry for Fitna). Und es wurde eine Website eingerichtet, in der man mit Fotos sein Sorry for the Film bekunden kann:

We are sorry that it seems to be our voice. We are sorry that it receives so much attention. That its maker abuses his liberties to spread his unfair message, founded on fear and hate. That he knows no respect. That he presents himself as a saviour of the West. We do not want to be saved by him. We are ashamed of this man.

Natürlich aber kritisieren wiederum die Wilders-Unterstützer dessen Kritiker und sagen Sorry for the "sorry for Fitna". YouTube versucht, die neu eingestellten Fitna-Videos schnell unter eine gewissen Sperre zu bringen, indem man eine Anmeldung verlangt, was natürlich kaum gelingt.

Und selbstverständlich konnte sich Henryk Broder, der Vertreter des Guten, auch nicht zurückhalten. Er geißelt zu Recht die Verlegenheitsbezeichnung von Wilders als einem "Rechtspopulisten". Was man damit meint, ist die Profilierung seiner Person durch die Kultivierung des Hasses auf eine bestimmte (ausländische) Schicht von Menschen. Ganz ähnlich wie einst der Antisemitismus gegen die Juden gepflegt wurde, machen dies nun diejenigen, die Broder seltsamerweise als "radikalen Liberalen" bezeichnen. Der sollte, um so gelten zu können, seine radikale Liberalität – siehe oben – aber auch gegen andere Religionen und Ideologien demonstrieren. Broder, der einmal wieder sein gestörtes Verhältnis zu den "traditionellen Eliten", sprich den Liberalen, pflegt, muss mangels anderer Bedrohungen auf die vermeintlichen "Morddrohungen" gegen LiveLeak rekurrieren, um den Fanatismus der Muslime retten zu können.

Ansonsten pflegt Broder seine kultivierte Einseitigkeit, die so tut, als ginge alle Gewalt auf der Welt von den Muslimen aus. Würde er ein radikaler Liberaler sein und "die Wirklichkeit wenigstens zur Kenntnis zu nehmen", was er seinem ideologischen Kompagnon Wilders gegen die Verblendung der Restgesellschaft attestiert, hätte er mehr zu tun, als nur gegen Anhänger einer Religion und Menschen zu polemisieren, die es sich in einem billigen Schwarz-Weiß-Denken nicht bequem einrichten wollen. Broder schätzt vor allem an Wilders, wie er schreibt, dass er die Provokation benutzt, um zu agieren. Aber das ist eigentlich das einfachste und auch gefährlichste Mittel, das deswegen, dann doch, Populisten wie Broders und Wilders gelegen kommt, die sich bei vernünftigen und differenzierten Feinheiten eher langweilen.