Heroin, Hisbollah und Israel

Mit der Invasion des Libanon 1982 wurden die Grundlagen für den weiterhin florierenden Drogenschmuggel gelegt

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In den letzten zwei Monaten hoben die israelischen Behörden gleich zwei verschiedene Drogenschmugglerringe aus. Darunter waren Soldaten der israelischen Armee, die militärische Geheimnisse an die libanesische Hisbollah weiter gegeben haben sollen. Heroin im Austausch für Informationen – seit Jahren ein ganz normaler Handel zwischen Israel und dem Libanon.

Am 25. März verhafteten israelische Grenzsoldaten zwei ihrer Landsleute mit arabischer Herkunft, die im Besitz von 33 Kilogramm Heroin waren. Die größte Menge an Heroin, die je an der Nordgrenze zum Libanon beschlagnahmt wurde. Bereits im Februar war Unteroffizier Louai Balut mit zwei weiteren Zivilisten verhaftet worden, die gemeinsam Drogen schmuggelten. Der israelische Soldat soll darüber hinaus per Telefon Hisbollah Informationen über Truppenstationierung entlang der Grenze zum Libanon gegeben haben.

Beide Vorfälle sind nur die Spitze des Eisbergs. Seit 2000 wurden insgesamt 24 Soldaten, Polizisten und Zivilisten verhaftet, die Drogen aus dem Libanon einschmuggelten. Die Dunkelziffer dürfte, wie üblich bei Drogendelikten, beträchtlich höher liegen. Die finanzielle Versuchung ist einfach zu groß.

Der Grundstein für die illegalen israelisch-libanesischen Handelsbeziehungen legte Israels Invasion des Libanons von 1982 sowie die anschließende 18-jährige Besetzung des Südens des Landes. Während des libanesischen Bürgerkriegs (1975-1990) baute man im Zedernstaat, neben Marihuana, im großen Stil auch Opium an und verarbeitete es zu Heroin weiter. In den Jahren nach dem Ende des Bürgerkriegs wurde der Anbau zwar sehr eingeschränkt, dafür importierte die libanesische Drogenmafia Rohstoffe aus anderen Ländern. Morphinbase kam aus Afghanistan oder dem asiatischen Goldenen Dreieck, Kokabase aus Südamerika, die man danach zu Heroin, Kokain oder Crack in Labors raffinierte.

Israelische Soldaten und Offiziere der Besatzungstruppen erkannten das finanzielle Potential der Drogen, die im Libanon leicht und jeder Zeit zu haben waren. Außerdem arbeitete das israelische Militär mit der Miliz der Südlibanon Armee (SAL) zusammen, über deren Kontakte es ganz einfach war, Drogen aller Art zu beschaffen.

Drogenimport und -export als Resultat von Militärinvasionen ist nichts Neues. Im Vietnam-Krieg (1968-1975) waren viele US-Soldaten nicht nur Junkies, einige machten ein Vermögen damit, Heroin über unkontrollierte Militärtransportwege in die USA einzuschmuggeln. Die Sowjetunion hatte kurze Zeit nach ihrem Einmarsch in Afghanistan (1979-1989) ebenfalls mit vielen Junkies in der Truppe zu kämpfen sowie mit massivem Heroinimporten in die Heimat.

Die geschäftlichen Beziehungen zwischen Israel und Libanon aus der Besatzungszeit sind bis heute existent. Verschiedene libanesische Familien, deren Mitglieder einst für israelische Behörden arbeiteten, leiten heute noch den Drogenhandel nach Israel. Dazu gehören die Klans der Biro und Nahara. Ramzi Nahara war ein Polizeiinformant in den 80er Jahren, wechselte später die Seite zu Hisbollah und wurde 2002 durch eine mysteriöse Autobombe im Libanon getötet Mohammed Biro empfing in den 80er Jahren bei sich zuhause den damaligen israelischen Verteidigungsminister Moshe Arens. Biro starb 2003 im Gefängnis in Israel, nachdem er in Ungnade gefallen war. Bei dieser Art von Unternehmen zählt das zum Berufsrisiko.

Elhanan Tannenbaum, der israelische Geschäftsmann, der von Hisbollah entführt worden und 2004 Teil eines Gefangenenaustausch war (Ungleicher Tausch, wollte ebenfalls mit Heroin sein großes Glück machen. In Brüssel traf er sich mit Kais Obeid, einem Araber mit israelischem Pass, der ihn nach Abu Dhabi lotste, wo Tannenbaum dann von Hisbollah gekidnappt und in den Libanon gebracht wurde. Kais Obeid, der 2000 aus Israel völlig spurlos verschwand, soll heute ein großes Netzwerk von Libanon aus dirigieren, das auf Drogenschmuggel nach Israel spezialisiert ist. In Zusammenarbeit mit Hisbollah, versteht sich. Die libanesische Miliz und Partei hatte in den 90er Jahren erkannt, dass ganz normale kriminelle Schmuggler Insiderinformationen über Grenzpatrouillen haben mussten. Warum also nicht mit ihnen kollaborieren, ihnen freie Hand im Libanon lassen und sich dafür mit Militärkarten, Details über Truppenbewegungen und –stellungen bezahlen lassen? Der Drogenhandel würde so oder so weitergehen.

Das Bekaa-Tal ist exterritoriales Drogenanbaugebiet

Anbaugebiet im Libanon ist das Bekaa-Tal, in dem schon seit vielen Jahrhunderten traditionell Opium und Marihuana gepflanzt werden. Hisbollah kontrolliert den überwiegenden Teil des Gebiets und ist offiziell gegen jede Art von Drogen. Allerdings will man es sich nicht mit den mächtigen, lokalen Klans verderben, denen auch nur mit Waffengewalt beizukommen wäre. Obendrein hat die Organisation nun mit dem Schmuggel nach Israel sogar einen guten Zweck der Drogen gefunden: Beschaffung von militärischen Geheimnissen, die beispielsweise im 34-Tage-Krieg im Sommer 2006 für Hisbollah sicherlich auch eine positive Rolle spielten. Skrupel gibt es keine, Hisbollah versteht den Drogenhandel als „indirekten Krieg“.

Das Bekaa-Tal ist ein exterritoriales Gebiet. Waffen gehören zu fast jedem Hausstand wie ein Kühlschrank oder ein Fernseher. Beliebt und verbreitet ist die Kalaschnikow. Bei Besuchen oder Familientreffen stehen sie wie Schirme aneinandergereiht in einer Ecke im Wohnzimmer. In jedem Dorf kann man Heroin oder Kokain kaufen. Drogengenuss ist nicht auf junge Männer beschränkt, auch Hausfrauen oder selbst die Großmutter können Koks schnupfen, Crack oder Heroin rauchen.

Weit im nördlichen Bekaa-Tal, abseits der großen Hauptstraße, existieren nur noch Pisten, ohne jegliche Hinweisschilder. Soldaten sitzen reglos in ihren Posten, ohne auch nur den Kopf nach den wenigen vorbeifahrenden Autos zu drehen. Eine trostlose Gegend, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Wer sich nicht auskennt, kann stundenlang fahren, ohne ein Haus oder einen Menschen zu sehen. Es gibt nur kleine Weiler, mit zwei, drei Häusern, wo einen der Herr des Hauses mit der Frage empfängt, wie viel man denn mit nach Beirut nehmen wolle. Im Wohnzimmer stehen große Säcke voll Heroin, Kokain oder Crack.

Einer der Barone wohnt in einem fünfstöckigen Haus, in dem nur die oberste Etage ausgebaut ist. Der Rest ist im Rohbau. Auf der Dachterrasse ist eine Maschinengewehrstellung angebracht, an jeder Ecke stehen große Suchscheinwerfer für die Nacht. Die Wachposten sind 24 Stunden im Dienst. Sie tragen Sturmgewehre mit Granatwerfern und sind über Funk miteinander ständig in Verbindung.

Polizei oder Militär lassen sich hier selten blicken. Nur in großen Verbänden, aus Angst vor Auseinandersetzungen. Für die Presse werden immer wieder mal Marihuana- oder Opiumfelder geräumt, um zu beweisen, dass die libanesische Regierung etwas gegen das Drogenproblem tut. Seit der andauernden politischen Krise im Libanon, den nicht anhaltenden Attentaten und nach dem Sommerkrieg mit Israel 2006 gab es keine dieser Aktionen mehr. Anbau und Drogenproduktion sind erneut gestiegen. Die Bauern nutzten die Gunst der Stunde, um ihre Erträge zu erhöhen.