Ecuador und Kolumbien erneut auf Konfrontationskurs

Während Kolumbien weiter Ecuador der Unterstützung der FARC bezichtigt, schlägt Ecuador nun mit einer Klage in Den Haag zurück

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ein glückliches Ende gibt es im Streit zwischen Kolumbien und Ecuador doch noch nicht (Glückliches Ende des Duells in Santo Domingo). In den letzten Wochen hat er sich sogar wieder zugespitzt, da Kolumbien zugeben musste, dass bei dem völkerrechtswidrigen Angriff auf ecuadorianischem Staatsgebiet auch ein Ecuadorianer getötet wurde. Doch die Regierung unter Álvaro Uribe fährt damit fort, die Regierung unter Rafael Correa zu beschuldigen, mit der FARC zu kollaborieren. Sie nutzt dafür weiter Dateien, die angeblich bei dem getöteten Guerilla-Führer Raul Reyes gefunden wurden. Correa platzt langsam der Kragen. Er hatte eine diplomatische Offensive angekündigt und nun wurde Kolumbien vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag angeklagt. Interessant wird auch, ob sich Uribe einen Winkelzug ausführt, um die Bemühungen zur Freilassung von Ingrid Betancourt erneut zu verhindern.

Deftige Begründungen hatte Kolumbien nachgeschoben, um den Angriff auf ein Lager der FARC in Ecuador zu rechtfertigen. Die FARC versuche, an radioaktives Material zum Bau einer schmutzigen Bombe zu kommen, und sie werde von Venezuela und Ecuador direkt im Kampf gegen die Regierung unterstützt, behauptet Uribe bis heute (Kolumbien/USA gegen Ecuador/Venezuela). Dafür benutzt er Dateien, die angeblich auf dem Laptop des bei dem Angriff getöteten FARC-Kommandanten Raul Reyes gefunden worden seien.

Doch bisher haben sich dessen "Beweise" eher zum Rohrkrepierer entwickelt. So lieferte Kolumbien zum Beispiel ein Foto, das Raul Reyes mit Ecuadors Minister Sicherheitsminister Gustavo Larrea beim Gespräch in einem Lager der FARC im Dschungel zeigen sollte. Doch die Aufnahme zeigte nicht den Ecuadorianer, sondern den Sekretär der kommunistischen Partei Argentiniens, Patricio Etchagaray. Die Zeitung El Tiempo, welche das Foto veröffentlichte, entschuldigte sich ausdrücklich bei Larrea und räumte ein, das Foto von der Polizei erhalten zu haben, was auf eine gezielte Desinformation hinweist. Entgegen allen Tatsachen benutzen noch immer konservative Kreise in Ecuador das angebliche Treffen von Larrea mit Reyes, um die Regierung Correa anzugreifen.

Inzwischen musste Kolumbien zudem einräumen, dass bei dem Angriff auch ein Ecuadorianer ermordet wurde. Verteidigungsminister Juan Manuel Santos erklärte, dass es sich bei dem Ermoderten um den 38jährigen Mechaniker Franklin Aizalia Molina handelte. Für die Untersuchung der Leiche, von der kolumbianischen Armee nach Bogota entführt, brauchte man drei Wochen. Zuvor war behauptet worden, es handele sich bei dem Toten um Julián Conrado, der als einer der Ideologen der FARC gilt.

Noch vor der Bestätigung durch Santos erklärte Correa, "die Ermordung eines Ecuadorianers in seinem eigenen Land" würde die Lage extrem zuspitzen. Er kündigte dabei an, man werde bei einer Bestätigung einen "extrem harten diplomatischen Kampf beginnen, weil dieser Mord nicht ungestraft bleiben darf".

Fragwürdige Beweise

Correa forderte Uribe immer wieder dazu auf, die Anschuldigungen gegen Ecuador einzustellen oder sie zu beweisen. Doch bisher hat Kolumbien spärliche 24 ausgedruckte Seiten, möglicherweise Ausdrucke von Emails, aus einem Wust von mehreren hundert Gigabyte Daten zur Verfügung gestellt. Ecuador hat sie online gestellt.

Derlei Dokumente hätten vor keinem Gericht der Welt irgendeine Beweiskraft, sagt die Regierung. Sie seien "inkonsistent und unverständlich", und sie lägen zudem in keinem digitalen Format vor. Allein die Tatsache, dass Wasserzeichen und Seitennummerierung nachträglich eingefügt wurden, weise darauf hin, dass an ihnen digitale Veränderungen vorgenommen wurden. “Wir haben keine Informationen erhalten, welche Server für die Übertragung der Daten benutzt wurden", sagte die Außenministerin Maria Isabel Salvador. Es lägen auch keine Angaben darüber vor, wer Absender und Empfänger der Emails ist, noch hätte man Informationen darüber, nach welcher Methode die Daten ausgewertet wurden.

Da Kolumbien die Anschuldigungen aufrechterhält, ohne dafür Beweise vorzulegen, beginnt nun Correa die Schrauben anzuziehen. Ein erstes Ergebnis seiner Offensive ist, dass das Land Kolumbien vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag angeklagt hat. Es geht dabei nicht um den Angriff, sondern um die dauerhafte Schädigung von Ecuadorianern und der Natur. Seit sieben Jahren versprüht Kolumbien aus der Luft das Totalherbizids Glyphosat in der Grenzregion. Die Ausbringung von "hoch giftigen chemischen Herbiziden an der Grenze zwischen Ecuador und Kolumbien soll beendet werden, die schwere Schäden in Ecuador, an der Gesundheit und dem Wohlstand der lokalen Bevölkerung bewirkt", erklärte die Außenministerin. Ganze indigene Gemeinden hätten umgesiedelt werden müssen.

Das Ziel der Klage ist, eine Stellungnahme zu erreichen, dass Kolumbien schon mit der Giftspritze die Souveränität Ecuadors verletzt. Man will erreichen, dass die Sprühaktionen mindestens zehn Kilometer vor der Grenze beendet werden, zudem soll Kolumbien für die angerichteten Schäden finanziell aufkommen. Angeblich habe diese Klage nichts mit dem aktuellen Streit zu tun, betonte Salvador.

Der Einsatz des Unkrautvernichtungsmittels ist Teil des von den USA unterstützten Plan Colombia und hatte immer wieder zu Spannungen zwischen beiden Ländern geführt (Diplomatische Zerreißprobe zwischen Ecuador und Kolumbien). Für Kolumbien handelt es sich um eine Maßnahme, um gegen den illegalen Anbau von Coca vorzugehen, und mehr oder weniger deutlich wird auch eingeräumt, dass man damit auch die FARC bekämpfen will.

War das US-Militär am Angriff beteiligt?

Tatsächlich dürfte es sich bei der Klage um den ersten Schritt handeln, um Kolumbien auch an einer anderen Stelle unter Druck zu setzen. Gleichzeitig untersucht Ecuador nämlich, ob die USA von der Basis, welche diese in Ecuador unterhält, an dem Angriff auf die FARC beteiligt waren. Die US-Basis in Manta wurde 1999 eingerichtet und dient angeblich zum aufspüren von Drogenflugzeugen. Nun soll der Frage nachgegangen werden, ob ein Flugzeug aus Manta, das sich in der fraglichen Zeit in der Luft befand, an dem Angriff beteiligt war.

Indizien weisen darauf hin, dass die Bomben möglicherweise direkt von US-Flugzeugen abgeworfen wurden. Bei dem Angriff seien zehn Bomben vom Typ GBU 12 Paveway II eingesetzt worden. Diese fast 500 Kilogramm schweren Bomben werden per Laser oder GPS gesteuert und stünden nur den US-Streitkräften zu Verfügung. Was besonders hellhörig macht, ist die Tatsache, dass die Flugzeuge, die nach kolumbianischen Angaben den Angriff geflogen haben, nicht für den Transport dieser Bomben geeignet sind. So ist verständlich, dass Ecuador wegen des Angriffs Kolumbien noch nicht in Den Haag angeklagt hat, da sich die Klage möglicherweise auch oder vor allen gegen die USA richten könnte.

Es war auffällig, dass der Angriff am 1. März genau dann durchgeführt wurde, als die Befreiung von 13 Geiseln der FARC anstand, darunter die der kranken ehemaligen Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt (Angst gehört hier zur Politik). Diese Aktion leitete der getötete Reyes. Da die FARC schon zuvor Geiseln unter Vermittlung von Hugo Chávez ohne Gegenleistung freigelassen hatte, war Uribe stark unter Druck geraten. Wären Betancourt und andere Geiseln erneut als Geste des guten Willens der FARC frei gekommen, hätte sich der Druck auf Uribe vermutlich deutlich verschärft.

Frankreich hat erneut die Initiative ergriffen, um die Freilassung der grünen Politikerin zu erreichen, die unter Hepatitis B erkrankt ist und angeblich seit Wochen im Hungerstreik ist. Nicolas Sarkozy setzt sich persönlich für Betancourt, auch französische Staatsbürgerin, ein. Drei Gesandte befänden sich derzeit auf dem Weg nach Kolumbien geflogen. Das Flugzeug ist nach Angaben von France Info am Mittwochabend auf einem Militärflugplatz bei Paris gestartet. Uribe der sonst auf die militärische Karte setzt, hat dem starken Druck Frankreichs scheinbar nachgegeben. "Sobald wir die Koordinaten des Ortes wissen, wo die Hilfsmission für die Entführten in schlechtem Gesundheitszustand eintrifft, werden wir dort die militärischen Operationen einstellen", versicherte Uribe nach einem Telefonat mit Sarkozy (http://www.univision.com/content/content.jhtml?chid=3&cid=1487184&schid=181&secid=220).

Uribe stellte nun auch einen Austausch von Geiseln gegen Gefangene der FARC in Aussicht, wenn diese sich nicht wieder der Guerilla anschließen. Verschiedene Länder, darunter Frankreich, haben sich zu deren Aufnahme bereit erklärt. Ob sich aber Uribe an seine Worte hält, bleibt abzuwarten. Zu oft hat er mit Winkelzügen eine Entspannung der Lage torpediert. Eine gefangene oder tote Ingrid Betancourt nützt ihm für seine politischen Ziele mehr, als eine politische Gegnerin in Freiheit.