Nur 30 Prozent der Briten lehnen die Erzeugung von Mensch-Tier-Embryonen zur Stammzellenforschung ab

Morgen stimmt der Bundestag über eine Änderung des Stammzellengesetzes ab

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Morgen entscheidet der Deutsche Bundestag über das „Gesetz zur Änderung des Stammzellengesetzes“. Dabei geht es darum, ob der Stichtag für die Einfuhr und Verwendung von embryonalen Stammzellen gestrichen oder zumindest nach vorne auf den 1. Mai 2007 geschoben wird. Wissenschaftler beklagen, dass sie mit den Stammzellenlinien, mit denen sie arbeiten dürfen (sie müssen vor 2002 gewonnen worden sein), nicht wirklich forschen können, weil sie zu knapp, oft verunreinigt und unbrauchbar seien. Zudem würde, wenn der Gesetzesentwurf vom Parlament angenommen würde, die Strafbarkeit oder Kriminalisierung der Stammzellenforscher beendigt.

Kritiker warnen davor, dass es bei einer Verchiebung oder Aufhebung des Stichtags um einen „Dammbruch beim Embryonenschutz“ gehe. Den wollen Abgeordnete verhindern, indem sie die Einfuhr und Verwendung von menschlichen embryonalen Stammzellen gleich ganz verbieten wollen. Andere plädieren dafür, das Gesetz und damit den Stichtag so zu belassen, wie es ist. Ein anderer Gesetzesentwurf sieht vor, dass das Stammzellengesetz nur Anwendung finden soll, wenn Stammzellen im Inland verwendet werden, so dass deutsche Wissenschaftler, die im Ausland forschen, vor Strafverfolgung geschützt sind.

Auch in Großbritannien soll ein neues Gesetz eingeführt werden, das vom Oberhaus bereits angenommen wurde und das viel weiter geht, da die Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen und das therapeutische Klonen längst erlaubt sind. Letztes Jahr hatte die Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) noch vor einer gesetzlichen Regelung zwei Forschergruppen die Genehmigung erteilt, Mensch-Tier-Embryonen zu erzeugen (Mensch-Tier-Embryonen zur Forschung). Anfang des Monats berichtete dann eine der Forschergruppen von der Newcastle University, dass sie die ersten hybriden Embryos erzeugt habe, die allerdings nur bis zu drei Tage überlebten (Hybride Mensch-Tier-Embryonen erzeugt). Die Genehmigung der HFEA galt nur für die Schaffung von Embryos aus entkernten tierischen Eizellen und Zellkernen von menschlichen Zellen zu Forschungszwecken. Länger als 14 Tage dürfen die Embryonen sich nicht entwickeln. Die Wissenschaftler von der Newcastle University hatten entkernte Eizellen von Kühen und den Kern mit den Genen von menschlichen Hautzellen verwendet. Würde man die Embryos sich weiterentwickeln lassen, wäre der gesamte Embryo nach 14 Tagen, so die HFEA, menschlich, nur 13 Proteine würden von den tierischen Mitochondrien kodiert.

Kommentatoren äußerten etwa in der SZ („Eine britische Chimäre“ vom 9.4.) die Ansicht, dass die Meldung der britischen Wissenschaftler „weltweit auf Ablehnung und Entsetzen“ stieß und möglicherweise einen Einfluss auf die Abstimmung über das Stammzellengesetz im Bundestag ausüben könnte, der den Befürwortern einer Streichung oder Verlegung des Stichtags den Wind aus den Segeln nimmt. Die Human Fertilisation and Embryology Bill will nicht nur die Erzeugung von hybriden Embryos zur Forschung die rechtlichen Grundlagen schaffen, sondern auch die künstliche Befruchtung für alleinstehende Frauen oder Lesben erleichtern und die Möglichkeit zulassen, dass die Präimplantationsdiagnostik auf Embryonen erweitert wird, die geeignet sind, Nabelschnurblut für kranke Geschwister zu spenden.

Das umstrittenste Thema ist natürlich die Erzeugung von hybriden Embryos. Allerdings können sich die Gegner nach einer Umfrage der Times nicht auf auf eine vermeintliche Ablehnung der Mehrheit der Bevölkerung stützen. Die Hälfte der Befragten will die Erzeugung von hybriden Embryos zur Erforschung von Therapiemöglichkeiten für Krankjeiten wie Alzheimer oder Parkinson erlauben, nur 30 Prozent sprechen sich dagegen aus. Für die Erzeugung hybrider Embryos sprechen sich mehr Männer als Frauen aus, die Zustimmung ist in jeder Altersgruppe etwa dieselbe, auch die Wähler der konservativen Partei sind wie die der Labour-Partei mehrheitlich dafür, bei den Wähler der Liberalen sind es nur 46 Prozent.

Auf größeren Widerstand stößt hingegen die Regelung, dass ein Vater für die künstliche Befruchtung nicht notwendig sein muss. Dafür sind nur 32 Prozent, 40 Prozent lehnen dies ab, wobei hier das Alter für die Einstellung entscheidend ist. Bei den 18-35-Jährigen sprechen sich 44 Prozent dafür aus, bei den über 55-Jährigen lediglich 19 Prozent.