Warum auch eine Baskenmütze ein Kopftuch sein kann

In Nordrhein-Westfalen nimmt der juristische Streit um das Kopftuchverbot in Schulen allmählich groteske Züge an

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Kopftuchstreit geht weiter. Nachdem im März der Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) ein fragwürdiges Urteil gefällt hat, das Neutralität in Sachen "äußerer religiöser Bekundungen" doch ziemlich einseitig auslegte (Gericht: Kopftuch von Lehrerin verstößt gegen Neutralität), hat nun das Landesarbeitsgericht Düsseldorf nicht weniger fragwürdig entschieden, dass sich das Kopftuchverbot in NRW auch auf nicht-religiöse Kopfbedeckungen erstreckt, wenn sie mit religiösen Absichten getragen werden – oder so ähnlich.

Ähnlich wie in den anderen der nach den Bundesverfassungsurteil eingeführten Schulgesetze verankerte auch das 2006 in NRW in Kraft getretene Gesetz die Neutralität gegenüber äußeren religiösen, weltanschaulichen oder politischen Bekundungen, während es gleichzeitig dem Christentum eine Ausnahme gewährt. So heißt es, dass die " Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen" nicht dem Verhaltensgebot der Neutralität widerspricht. Ob dem Erziehungs- und Bildungsauftrag, "Ehrfurcht vor Gott" zu wecken – übrigens als zuerst genannter Auftrag noch vor der "Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln" stehend – sich nur auf den christlichen Gott bezieht, geht nicht klar hervor.

Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hatte letztes Jahr die Klage einer Hauptschullehrerin zurückgewiesen und das Kopftuchverbot im Schulgesetz aufrechterhalten. Das Kopftuch sei "eine religiöse Bekundung" und verstoße daher gegen das Schulgesetz, weil dies die geforderte Neutralität gefährdet. Immerhin hatte Kammervorsitzende Kurt Büchel betont, dass dies auch für Kleidung anderer Religion wie die Nonnentracht oder die jüdische Kippa gelte. In einem anderen Fall musste geklärt werden, was ein islamisches Kopftuch überhaupt ist. Die Klägerin meinte, sie eine Variante „ohne Assoziationen zum Islam“ tragen werde, auch wenn dabei Ohren und Haare vollständig bedeckt sind. Das Gericht sah hier wohl zu Recht keine bedeutsamen Unterschiede zum "islamischen" Kopftuch.

Im Juni 2007 verhandelte das Düsseldorfer Arbeitsgericht dann den Fall der Sozialpädagogin, die das Kopftuchverbot umgehen wollte, indem sie eine Baskenmütze aufsetzte.

Baskenmützen sind im Gegensatz zu anderes getragenen Kopftüchern nicht als Bekundung einer Religion oder gar des Islam bekannt. Man würde wohl kaum von der Trägerin eier Baskenmütze darauf schließen, dass es sich um eine bekennende Muslimin handelt. Die Klägerin hatte bis zum Kopftuchverbot ein Kopftuch in der Schule getragen und dann erst gegen die Mütze ausgewechselt, die sie so trug, dass ihre Haare von ihr vollständig bedeckt waren. Das Angebot, statt der Mütze eine "Echthaarperücke" zu tragen, hatte sie abgelehnt und argumentiert, sie trage die Mütze aus kulturellen Gründen. Das Gericht führte an, dass der Gesetzgeber das Recht besitze, das äußere Auftreten von Lehrern zu regeln, zudem wirke die über die Haare gezogene Baskenmütze für die Schüler, die sie mit Kopftuch kennen, "wie ein religiöses Symbol". Die Mütze werde auch weiterhin als Bekundung der Religion getragen. Letztlich kommt es also nicht auf das konkrete Kleidungsstück, sondern eben auf die im Schulgesetz genannte "religiöse Bekundung " an, die dahinter stecke. Das ist natürlich eine Frage der Interpretation, die großen Raum für Willkür eröffnet.

Die Klägerin legte gegen das Urteil Berufung ein, die Klage wurde nun vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf verhandelt, das die Berufung zurückwies. Es wurde noch einmal darauf verwiesen, dass die Klägerin es abgelehnt hat, anstatt der Mütze eine "Echthaarperücke" zu tragen. Offenbar unterscheidet das Gericht eine Mütze, die die echten Haare verdeckt, grundsätzlich von einer Perücke, die nämliches macht, aber nicht nur so aussieht wie Haare, sondern auch aus echten Haaren besteht. Würde die Perücke aus künstlichen Haaren bestehen und dann wohl erkennbar nur eine Vortäuschung von "echten" Haaren sein, wäre möglich auch eine Gleichsetzung von Perücke mit Baskenmütze und Kopftuch möglich. Damit hätte man dann schon fast die theologischen und philosophischen Auseinandersetzungen über die Transsubstantiation erreicht.

Natürlich hat das Gericht im Prinzip Recht, da die Sozialpädagogin wohl deshalb die Echthaarperücke nicht tragen will, weil dies dann für die Nichtinformierten so aussehen würde, als würde sie ihre Haare dennoch offen tragen. Gleichwohl bleibt die Willkür, dass nach den zugrunde gelegten Maßstäben praktisch jede Bekleidung – und möglicherweise auch eine Echthaarperücke – als Ersatz für ein Kopftuch bzw. für eine religiöse Bekundung angesehen werden könnte. Immerhin steht das Urteil einer Revision offen. Der Rechtsanwalt der Klägerin hat sie denn auch schon angekündigt.