Mit Antiterrorgesetz auf der Jagd nach Hundekacke

Hunderte von britischen Behörden und Organisationen dürfen nach dem RIPA-Gesetz Bürger auch beim Verdacht geringfügiger Vergehen überwachen

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Großbritannien, so sagen Kritiker, ist auf dem besten Wege, eine Überwachungsgesellschaft zu werden. In dem Land werden besonders schnell und massiv neue Überwachungs- und Kontrolltechniken eingeführt. Wie jetzt der Telegraph herausfand, wurden unter dem Deckmantel der Antiterrorbekämpfung neue Überwachungsmöglichkeiten eingeführt, die die Befugnisse der Behörden praktisch willkürlich erweitern.

Im Telegraph werden die britischen Zustände bereits mit dem Verhalten der Stasi in der ehemaligen DDR verglichen. Jeden Monat werden von Behörden mehr als tausend Überwachungsaktionen gestartet. Da geht es beispielsweise um die heimliche Beobachtung von Hundebesitzern auf deren Spaziergängen, um festzuhalten, ob sie die Hinterlassenschaften ihrer Hunde auch wieder entfernen. Ausspioniert werden auch Jugendliche, ob sie verbotenerweise rauchen, oder es werden kleine Überwachungskameras versteckt angebracht, um nachzuweisen, wer Abfall in Mülltonnen von anderen füllt oder auf der Straße hinterlässt. Hunderte von britischen Behörden haben zudem die Befugnis erhalten, die Kommunikation von Menschen zu überwachen, mit wem sie telefonieren, von wem sie Emails erhalten, welche Websites sie besuchen. Auf der RIPA-Webseite des Innenministeriums heißt es:

The Regulation of Investigatory Powers Act (RIPA) legislates for using methods of surveillance and information gathering to help the prevention of crime, including terrorism.

In der Grafschaft Dorset wurden vom Borrough of Poole beispielsweise eine Familie mitsamt 3 Kindern zwei Wochen überwacht, weil man den Verdacht hegte, dass falsche Angaben in einem Formular zur Bewerbung der dreijährigen Tochter für eine Schule gemacht wurden. In den Protokollen stehen dann Einzelheiten wie: "Frau steigt mit drei Kindern in den Wagen und fährt davon" oder "Vorhänge offen und Lichter an in den Zimmern".

Nachdem dies aufkam und die Aufmerksamkeit auf die freizügig gewährten Überwachungsaktionen fiel, verteidigte die Behörde die Maßnahme (Stellungnahme). Die Gemeinde sei verpflichtet, "die kleine Minderheit zu überprüfen, die versucht, das Gesetz zu brechen und die Lebensqualität der Mehrheit der das Gesetz befolgenden Bewohner von Poole zu beinträchtigen". Man habe in einer "kleinen Zahl von Fällen" auf die RIPA-Befugnisse zurückgegriffen, um möglicherweise betrügerische Anmeldungen für einen Schulplatz zu überprüfen. Man habe es für angemessen gefunden, dies als "potenziell kriminelle Angelegenheit" zu betrachten.

Grundlage der Überwachungsaktionen ist der Regulation of Investigatory Powers Act (RIPA), der zwar bereits im Jahr 2000 verabschiedet, nach dem 11.9. aber kräftig erweitert wurde. Seit 2004 ist ein Zusatz zum RIPA in Kraft getreten, der die Zahl der Behörden, die Kommunikationsdaten von den Telefon- und Internetanbietern verlangen können, drastisch erweitert worden. Namen und Adressen, Verbindungsdaten, besuchte Websites und Lokalisierungsdaten bei Mobiltelefonen können zur Prävention, Aufdeckung und Verfolgung von Verbrechen oder zum Schutz der öffentlichen oder nationalen Sicherheit können von 792 Ministerien, Behörden und Institutionen bis hinunter zu kommunalen Behörden oder der Feuerwehr ohne richterliche Genehmigung kontrolliert werden. Wie der Telegraph bereits zu Beginn des Jahres berichtete, haben britische Behörden im letzten Jahr täglich durchschnittlich 960 Lauschaktionen gestartet.