Die Drei-Sterne-Verstärker des Pentagon

USA: Orwellsche Beziehungen zwischen Militärexperten, dem Verteidigungsministerium und TV-Sendern

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Ja, es sind gefährliche Verbindungen,"Liaisons dangereuses", die der gestern erschienene und heute viel diskutierte Enthüllungsbericht der New York Times offenlegt. Und nein: Viele dürften das dort geschilderte anrüchige Beziehungsgeflecht zwischen dem amerikanischen Verteidigungsministerium, einem Stab von zwischenzeitlich bis zu 75 Offizieren a.D., die außerdem beste Verbindungen zu 150 militärischen Firmen unterhielten, und einer Handvoll Fernsehsender mit höchsten Reichweiten nicht wirklich schockieren – man ist vom Pentagon schon einiges gewohnt. Besonders unter der Führung des ehemaligen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld, der den Informations-Krieg neu aufgeschärft hat (vgl. "Das Netz muss wie ein feindliches Waffensystem bekämpft werden").

Und doch birgt der elf Seiten lange Einblick in die Strukturen einer militärisch-medialen-unternehmerischen Zusammenarbeit Dimensionen, die man orwellianisch nennen kann. 8000 Seiten Material – E-Mail-Korrespondenz, Gesprächstranskripte von Treffen, Reiseberichte, Briefings, Aufzeichnungen einer „Pentagon talking points operation“ usw. - haben die Journalisten ausgewertet, um eine „symbiotische Beziehung“ aufzudecken, „in der die gewöhnlichen Trennlinien zwischen Regierung und Journalismus bis zur Unkenntlichkeit verwischt werden“. Den Zugang zum Material hat sich die Zeitung gerichtlich erstritten.

Im Zentrum des Berichts steht die Fabrikation und das Wirken einer Meinungsmaschine, die sich das Pentagon durch eine enge Zusammenarbeit mit hochrangigen ehemaligen Militärs aufgebaut hat. Die Generäle und Colonels a.D. arbeiten bei großen Fernsehsendern, wie Fox News, NBC, CNN, CBS, ABC u.a., und großen Zeitungen, wie z.B. auch der New York Times, als Experten für militärische Fragen. Die Öffentlichkeit unterstellt ihnen Autorität, Glaubwürdigkeit, gute Informationen und auch ein gewisses Maß an Unabhängigkeit bei ihren Analysen etwa der Situation im Irak oder bei Beurteilungen des Gefangenenlagers in Guantanamo. Das Verteidigungsministerium verwendete die Militärexperten für beide Fälle als sogenannte „message machines“. Als „trojanische Pferde“ sollten die ehemaligen Generäle auf ihren prominenten Plätzen in den unabhängigen Medien die richtige Botschaft hinausrufen: Gute Nachrichten aus dem Irak und über die gute Behandlung der Gefangenen in Camp Delta.

Das Projekt “Information Dominance” wurde schon vor 9/11 aktiviert, seinen Höhepunkt fand es laut Informationen der Zeitung während der Amtszeit von Donald Rumsfeld, der die ausgesuchten Experten zu „Briefings“ in exklusiver Atmosspäre lud:

In interviews, participants described a powerfully seductive environment — the uniformed escorts to Mr. Rumsfeld’s private conference room, the best government china laid out, the embossed name cards, the blizzard of PowerPoints, the solicitations of advice and counsel, the appeals to duty and country, the warm thank you notes from the secretary himself.

“Oh, you have no idea,” Mr. Allard said, describing the effect. “You’re back. They listen to you. They listen to what you say on TV.” It was, he said, “psyops on steroids” — a nuanced exercise in influence through flattery and proximity. “It’s not like it’s, ‘We’ll pay you $500 to get our story out,’ ” he said. “It’s more subtle.”

The access came with a condition. Participants were instructed not to quote their briefers directly or otherwise describe their contacts with the Pentagon.

Die Zusammenarbeit ging demnach „subtil“ vonstatten, es gab kein „quid pro quo“. Die Experten wurden für ihre linientreuen Analysen vom Pentagon nicht in Dollars bezahlt, sondern mit dem exklusiven Zugang zu wichtigen Politikern und militärischen Führen im Irak. Die daraus gewonnenen Informationen aus erster Hand wussten die Experten nicht nur gut an die Medien zu verkaufen, sondern auch an private Ausrüstungs-und Sicherheitsunternehmen, die sich lukrative Verträge vom Pentagon ergattern konnten. Viele der pensionierten Generäle waren auch als Berater, Vorstandsmitglieder oder andersweitig bei militärsichen Unternehmen, sogenannten Private Contractors tätig. Die Irak-Reisen, die ihnen vom Pentagon bezahlt wurden, konnten sie ohne großen Aufwand als Geschäftsreisen nutzen, die ihnen exklusive Vor-Ort-Informationen bescherten.

Man habe den Militär-Experten nur „faktische Informationen“ über den Krieg zukommen lassen, das Ganze sei von einem ernsthaften Versuch bestimmt worden, die amerikanische Öffentlichkeit zu informieren, gab Bryan Whitman, ein Sprecher des Pentagons, zu verstehen. Es sei doch unglaubwürdig, dass sich pensionierte Offiziere als Marionetten des Verteidigungsministeriums umfunktionieren ließen. Dem widersprechen aber Aussagen von Generälen gegenüber der New York Times, die deutlich zeigen, dass die Militärexperten sehr genau begriffen, wofür sie gebraucht wurden. Manche machten aus Linientreue bereitwillig und eifrig mit; manche mit schlechtem Gewissen, wie sie der Zeitung gegenüber offenbarten.

Ken Allard, a retired colonel and former NBC military analyst, told the Times there was a "night and day" difference between what Pentagon briefers told him and the deteriorating conditions in Iraq. "I felt we'd been hosed," Allard said.

Das Expertenpropaganda-Team soll vom Pentagon sogar überwacht worden sein. Klar war zudem, dass suboptimale Aussagen im TV sanktioniert wurden. Zugangsrechte wurden gestrichen und Informationsquellen versiegten.

As it happened, the analysts’ news media appearances were being closely monitored. The Pentagon paid a private contractor, Omnitec Solutions, hundreds of thousands of dollars to scour databases for any trace of the analysts, be it a segment on “The O’Reilly Factor” or an interview with The Daily Inter Lake in Montana, circulation 20,000.

Es ist natürlich nicht einfach, die genaue Wirkung der Drei-Sterne-Propagandalautsprecher einzuschätzen. Was die Akzeptanz des Irakkrieges betrifft, die sie ja fördern sollten, so ist es damit augenblicklich unter der amerikanischen Bevölkerung nicht gut bestellt, wie Umfragen zeigen. Anderseits zeigt sich aber, dass sich zentrale falsche Botschaften, die von den Generälen verstärkt werden sollten, tief ins kollektive Mondscheinwissen der Amerikaner gesenkt haben.

So berichteten Medien noch vor nicht allzulanger Zeit davon, dass nach wie vor eine beträchtliche Zahl von Amerikanern überzeugt davon ist, dass Saddam Hussein mit al-Qaida in Verbindung stand (vgl. Krieg und Lügen) – eine Argumentationslinie, die für die Vorbereitung des Irakkriegs von wesentlicher Bedeutung war und augenblicklich im Hintergrund der Kampagne des republikanischen Präsidentschaftskandidaten McCain wieder durchscheint, wenn er davor warnt, dass ein Abzug der US-Truppen aus dem Irak das Land der Herrschaft der al-Qaida aussetzen würde.

Zum anderen wirkt auch der stragegische Wechsel, den Rumsfeld den Experten als frohe Botschaft weitergab, noch immer: Nachdem die gefeierte Befreiung des Irak zum Schlamassel wurde, sollte die Blickrichtung geändert werden, so die Weisung des ehemaligen Verteidigungsministers: Vom Irak auf den Iran als das Zentrum, von dem die große, die ganze westliche Welt betreffende Bedrohung ausgehe.