Die libanesische Hisbollah rüstet sich für einen neuen Krieg mit Israel

Es werden verstärkt neue Kämpfer im Iran ausgebildet, die sich aus verschiedenen Konfessionen des Libanon rekrutieren

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Nach einer Umfrage der US-Universität Maryland vom April dieses Jahres ist Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah der populärste arabische Führer. Weniger wegen seiner schiitischen Revolutionstheorie vom Widerstand der Unterdrückten, sein guter Ruf basiert auf den seinen militärischen Erfolgen gegenüber Israel, der mächtigsten Armee der Region.

Im Jahr 2000 mussten die Israelischen Verteidigungstruppen (IDF) die Besetzung des Südlibanons aufgeben. Ihre Verluste durch Hisbollah-Anschläge konnten in der israelischen Öffentlichkeit auf Dauer nicht mehr gerechtfertigt werden. Im Sommer-Krieg 2006, nach der Entführung zweier IDF-Soldaten, bot Hisbollah den Bodentruppen Israels Paroli und verhinderte eine erneute Invasion. Nach langen Jahren hatte ein arabischer Führer erneut den Erzfeind Israel in die Schranken gewiesen.

Damit das auch in Zukunft so bleibt, begann Hisbollah unmittelbar nach Kriegsende im August 2006 mit der Neuaufrüstung (Die Waffenlager der Hisbollah sind wieder gefüllt=. Nördlich des Litani-Flusses, hinter der UN-Pufferzone mit einer 13.000 starken Friedenstruppe entlang der libanesisch-israelischen Grenze, wurden große Landflächen zu erhöhten Preisen gekauft. Man baute komplett neue Dörfer für Schiiten aus dem Süden, legte neue Straßen, Wasser- und Elektrizitätsleitungen an, wo es früher nur Wildnis gab. Das gesamte Gebiet ist heute eine militärische Sperrzone, mit unterirdischen Bunkersystemen und Abschussrampen für Langstreckenraketen, die jedes Ziel in Israel erreichen können. Welche der Einrichtungen real oder nur Attrappe und Ablenkungsmanöver sind, kann das israelische Militär alleine aus der Luft nicht feststellen. Während des Sommerkriegs 2006 wurden unzählige Hisbollah-Stellungen bombardiert und zerstört, doch, wie es sich nachher herausstellte, waren die meisten nur fingiert oder verlassen.

Israelische Soldaten fanden in Bunkern Aufklärungsfotos der eigenen Luftwaffe, mit Markierungen in hebräischer Sprache. Hisbollah, die sich bis heute Militärgeheimnisse direkt bei Soldaten der IDF erkauft (Heroin, Hisbollah und Israel), kannte die Ziele der israelischen Bombardierung im Voraus (Hisbollah konnte die Funkkommunikation des israelischen Militärs mithören). Die Guerillas saßen in ihren unterirdischen Bunkern mit Klimaanlagen, Küchen, Betten und warteten auf eine Möglichkeit zum Hinterhalt eines israelischen Kommandos, das sie mit versteckten Kameras beobachteten. Nach dem Einsatz verschwand man wieder spurlos im Untergrund.

Hisbollah hat sich nördlich des Litani-Flusses zurückgezogen, denn einer zweiten und im Vergleich zum Sommer 2006 groß angelegten Bodenoffensive der Israelis könnte Hisbollah an der Grenze nicht standhalten. Im hügeligen und unzugänglichen Gebiet nördlich des Litani bestehen weit bessere Chance für die Hisbollah, eine israelische Offensive zu stoppen. Trotzdem werden allerdings auch in den Grenzdörfern Widerstandskommandos ausgebildet, die eine israelische Offensive verlangsamen sollen.

Im 34-Tagekrieg 2006 war es eine reine Verteidigungstaktik, mit der Hisbollah der israelischen Invasion begegnete. In einem nächsten Krieg will man auf eine Offensivstrategie setzten, die die Kampfhandlungen möglichst weit nach Israel hineinträgt. Statt Angriff und Rückzug werden nun die Einnahme und das Halten von Stellungen gelehrt, so ein Hisbollah-Kommandeur aus dem Südlibanon. Das Training dazu findet allerdings nicht im Libanon statt, sondern im Iran unter der Leitung der Revolutionären Graden. Das war bisher nur einem beschränkten Elite-Kader von Hisbollah-Soldaten vorbehalten. Seit November 2006 fliegen nun jeden Monat etwa 300 Männer von Beirut nach Teheran, um dort eine dreimonatige Militärausbildung zu absolvieren. Dazu gehören Nahkampftechniken, Nachteinsätze, normales Schusstraining oder Einsatz von Panzerabwehrakten und alles am Besten unter realen Kriegsbedingungen. Im März 2008 sollen 20 Rekruten bei einer Übung mit echter Munition getötet worden sein. In ihren Heimatdörfern wurden sie als Märtyrer begraben, aber sonst gab keine weiteren Informationen über die Umstände ihres Todes.

Kofessionsübergreifende Truppen und eine neue Überaschungswaffe

Insgesamt erhielten bis heute rund 4500 Mann im Iran ihr Kampftraining Darunter nicht nur Schiiten, sondern auch Sunniten, Christen und Drusen. Bereits während der israelischen Invasion und Besetzung des Südlibanons kämpften Angehörige unterschiedlicher Religionen und Ideologien auf Seite der Hisbollah. Die sektenübergreifende Truppe wurde Libanesische Widerstandsbrigaden (Saraya al Moqawama el Lebnaneya) genannt.

Offensichtlich hat man diese Brigaden nach den positiven Erfahrungen aus dem Sommerkrieg 2006 nun reaktiviert. Damals beteiligten sich auch sunnitische sowie kommunistische Gruppierungen am Krieg gegen Israel. Dazu gehören die Fajr Truppen, eine sunnitisch-islamistische Organisation, die in den 80er Jahren bereits gegen Israel kämpfte. Die Beteiligung von Kommunisten hat ebenfalls eine lange Tradition. Beim Gefangenenaustausch zwischen Israel und Hisbollah im Januar 2004 kamen auch einige Kommunisten frei, die wegen Anschlägen in den 70er und 80er Jahren in israelischen Gefängnissen saßen. „Die Israelis werden in Zukunft auf einen Widerstand stoßen, der sich aus allen Sekten und Konfessionen zusammensetzt“, sagte Sheik Afif Naboulsi, ein schiitischer Geistlicher, der Hisbollah nahe steht.

Wenige Tage nach Kriegsbeginn 2006 brachte die Hisbollah überraschend beinahe eine israelische Korvette vor Beirut zum Sinken. In Israel hatte es niemand für möglich gehalten, dass die Organisation im Besitz einer chinesischen Boden-See-Rakete ist. Nun soll erneut eine Überraschungswaffe bereitstehen, von der vermutet wird, dass es sich dabei um eine iranische Boden-Luft-Abwehrrakete handelt. Damit könnte die uneingeschränkte Lufthoheit Israels bedroht sein. Innerhalb der letzten 30 Jahre wurden nur zwei israelische Flugzeuge abgeschossen und das eher aus Zufall. Eines, von einer primitiven palästinensischen SAM-7, das zweite von syrischem Luftabwehrfeuer.