Harter Mann klassischen Zuschnitts

Wie ein feuchter Traum von John McCain: "Iron Man"

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Eine Wunschprojektion für alle 16-Jährigen: Ein Superreicher, der an jedem Finger ein Dutzend Frauen hat, und zum Superhelden wird. Zudem charmant bis zum Bersten, mit coolen Sprüchen auf den Lippen, ein Supertyp eben. Überraschenderweise wird aus solcher Pennälerphantasie unter den Händen von Regisseur Jon Favreau und verkörpert von Robert Downey Jr. ein ziemlich guter und sehr unterhaltsamer Film. Ein bisschen wirkt das alles wie ein feuchter Traum von John McCain. Jedes Zeitalter hat die Superhelden, die es verdient. Aber manche haben die Superhelden, die sie bitter nötig haben.

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Er heißt Tony Stark und platzt schier vor Selbstbewusstsein. Ein unangenehmer Typ, reicher Erbe, ein Erfinder, der so begabt ist, dass ihn eine Journalistin als den "Da Vinci unserer Zeit" anspricht, aber auch ein Waffentycoon und "Händler des Todes". Er war Chef einer Geheimorganisation und Verteidigungsminister. Als Republikaner natürlich. Ein Repräsentant des militärisch-industriellen Komplex'.

Bei einem Testlauf in Afghanistan geschieht ihm, was wir einem solchen Typen gar zu gerne gönnen: Er wird überfallen und von Terroristen gekidnapped und in Geiselhaft genommen. Er soll den Schurken in der Gefangenschaft eine geniale Superwaffe erfinden. Das tut er auch, doch handelt es sich um eine waffenstarrende stählerne Rüstung, eine Art moderne Ritterrüstung, mit der er sich selbst befreit: "Heroes aren't born, they are made." Und von nun an ist Stark der starke "Iron Man".

Materialschlacht an der Grenze zur Infantilität

"Iron Man", das ist die neueste Superheldenfigur aus den USA, einem Land, das Superhelden und die Weltflucht, die sie immer auch verkörpern, ganz offensichtlich bitter nötig hat - sonst würden sie wohl kaum von "Superman" über "Batman 6" bis "Spider-Man 3" Jahr für Jahr neue Filme mit ihnen produzieren. Was man von einem Superheldenfilm erwarten darf, das bietet auch "Iron Man": Action, ein klares Gut-Böse Schema, eine irgendwie weltbedrohliche Verschwörung und eine Materialschlacht an der Grenze zur Infantilität, die mit ihrem Klink Klank Klonk an die Kampfmaschinen aus Transformers erinnert, und an deren Ende der Superheld das Böse besiegt und die Welt gerettet hat.

Wäre das wirklich alles, wäre es langweilig und man müsste über "Iron Man" nicht viele Worte verlieren. Doch der Film hat gleich drei starke Trümpfe, die ihn über die meisten anderen Superheldenfilme hinausheben: Er hat Intelligenz, Humor und einen der besten lebenden Schauspieler.

Fordismus & "Nostalgia Culture"

Die Intelligenz liegt schon in der Konzeption des Ganzen. Regisseur Jon Favreau hat die Geschichte, deren Vorlage ein Comic aus dem Jahr 1963 bildet, geschickt für die Gegenwart verändert und ihr angepasst. Interessant an diesem Helden ist, dass seine ungewöhnlichen Fähigkeiten und seine Überlegenheit im Unterschied zu anderen Superheldenfiguren selbstgewählt ist. Darin ist "Iron Man" ein fordistischer Held. Ein Superheld ohne Superkräfte, aber dadurch seiner selbst gewissermaßen sicherer, weil mit sich mehr im Reinen. Vor allem aber: Ein Ingenieur. Die flugtaugliche Rüstung ist eine riesengroße Prothese. Und sie ist ästhetisch. Aus dem Mensch wird ein Roboter auf Zeit. Damit ist dies auch im logischen Sinn ein Antifilm zu Michael Bays irrem seelenlosen "Transformers"-Unternehmen im letzten Sommer.

"Iron Man" basiert auf jener "Nostalgia Culture", die der US-Kulturwissenschaftler Frederic Jameson beschrieben hat: er ist nostalgisch, ohne sich stilistisch auf eine bestimmte Periode zu beziehen. Er träumt sich in eine Zeit zurück, in der man noch Republikaner sein durfte. Technik ist wichtig, sie ist gut und stählern, und der Held ein harter Mann klassischen Zuschnitts. Zugleich ist Stark absolut modern, nicht postmodern: Er hat ein persönliches Gedächtnis und Geschichte, aber (darum?) kein Trauma. Sondern nur ein Problem: Einen Splitter im Herzen. Das technisch gelöst wird: Ein Magnet am Herzen. Er ist sarkastisch und arrogant. Er ist ein genialer Erfinder und eitler Playboy. Er ist nicht grundgut. Er ist erwachsen und erfahren, kein unreifer Teenager.

Auch ein Ironie-Man

Das Gegenmodell ist Spider-Man: Der ist ein langweiliger Nerd, ein Held der nicht genießen kann, der zum Jagen getragen werden muss, und der jede Gelegenheit nutzt, auszubüchsen und mit seiner Freundin einen Milkshake zu trinken. Das Leben als Schnulze. Spider-Man ist zwar besser als seinesgleichen, aber er ist ein Saubermann, der zwar die Welt aus den Angeln heben und Revolutionen auslösen könnte, aber das als braver Boy nie tun würde.

Bei Iron-Man kann man da nie ganz sicher sein, denn dieser Held ist auch ein Ironie-Man. Er ist Batman eher verwandt als anderen: Er ist ein normaler Mensch, der nur das Glück hat, über überlegene Technik zu verfügen. Weil wir Stark vorher auch als Großmaul und Waffenhändler erlebten, erkennen wir, dass seine Superheldenrolle für ihn auch eine Läuterung ist. Was übrig bleibt, ist aber immer noch eine Feier des Hedonismus, der Lust am Leben und am Spaß haben. Man kann sich mit Stark freuen und genießen, aber nie grenzenlos zu ihm Vertrauen haben. Dafür ist er zu frei, dafür liebäugelt er zu sehr mit dem Bösen.

Vielleicht ist dies der richtige Zeitpunkt, um daran zu erinnern, dass der Marvel-Comic "Iron Man" in den frühen 60er-Jahren nach dem Vorbild von Howard Hughes konzipiert wurde: Champagner, One-Night-Stands, Waffenfabriken. Genie, Wahn und Wollust. Da hätte sich Heinrich von Pierer ein paar fette Scheiben abschneiden können - aber jetzt ist das auch schon egal. Zugleich ist "Iron Man" immer wieder mit spielerischem Slapstick angereichert und mit ebenso schnellen, wie lakonischen wie ironischen Dialogen. So wird das Hingucken zu einem großen Vergnügen, zumal auch noch Schauspieler dabei sind, die nach den Stahlgewittern der Hochkultur nur noch wenig erschüttern kann. Denn da ist noch Gwyneth Paltrow. Um sich klarzumachen, wie die wirkt, sollten jetzt alle Leser ihren Namen einmal laut (wirklich laut!) aussprechen: Gwyneth Paltrow! Also bitte: Wie eine Prinzessin aus dem Artusroman, also sehr bürgerlich eben, so Mittelengland, Internat um 1922, katholische Familie.

Gewalt ist die Lösung

Das alles ist aber nur möglich durch den großartigen Hauptdarsteller Robert Downey Jr. Der 1965 geborene Darsteller ist seit Jahren das Comeback-Kid unter Hollywoods Schauspielern und gewissermaßen selbst ein unkaputtbarer Held, der persönlich wie in seinen Rollen Charme und Chuzpe verbindet. Man kennt ihn schon seit langem. 1992 war er in Richard Attenboroughs leider geflopptem Chaplin-Film in der Titelrolle immerhin für einen Oscar nominiert. Als Liebhaber von Alley McBeal wurde er einem breiterem Publikum bekannt. Doch Eskapaden und Drogenprobleme des immer unabhängigen, offenen Stars und seine Vorliebe für Auftritte in Independent-Filmen sorgten für ein schlechtes Image bei den Studiobossen. Erst jüngste Erfolge - Hauptrollen im Erfolgsfilm "Kiss Kiss Bang Bang", dann an der Seite von George Clooney als Anti-McCarthy-Kämpfer in "Good Night, and Good Luck" und zuletzt als aufrechter Journalist in David Finchers "Zodiac" - sorgten dafür, dass der mittlerweile 43-jährige wieder neue Chancen in Großproduktionen bekam.

In "Iron Man" nutzt er diese jetzt grandios. Wie alle Superhelden-Filme ist der Film eine testosterontriefende Macho-Feier, und verbreitet an der Oberfläche eine stockreaktionäre Botschaft: Gewalt ist die Lösung. Aber Downey ist so cool, so ironisch, dass man in seinen Blicken lesen, am Klang seiner Stimme hören kann: Wer den Quatsch ganz ernst nimmt, ist selber schuld. Damit ist er - wenn es so etwas gibt: Ein liberaler Superheld. Das zu erleben, ist ein einziger Genuss.