Neues aus dem ehemaligen neoliberalen Musterländle

Der neuseeländische Staat kauft seine Eisenbahn wieder zurück

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Am 5. Mai kam das neuseeländische Parlament überein, die Bahn von dem australischen Unternehmen Toll Holding für 665 Millionen neuseeländische Dollar (umgerechnet 336 Millionen Euro) zurückzukaufen. 1993 war die damals staatliche neuseeländische Bahn, die sich über ein Schienennetz von 4000 Kilometern erstreckt und bei der rund 2300 Menschen beschäftigt sind, für 400 Millionen neuseeländische Dollar (umgerechnet 202 Millionen Euro) an private Firmen veräußert worden.

Nachdem der neuseeländische Staat bereits 2004 das Streckennetz zurückgekauft hatte, machte nun ein Scheitern der Verhandlungen zwischen dem Unternehmen und der Regierung über Nutzungsgebühren für das staatliche Schienennetz den Wiedererwerb notwendig. Der hiesige Finanzminister Michael Cullenerklärte dazu: „Der Verkauf der staatlichen Bahn zu Beginn der 90er Jahre und der danach folgende Niedergang des Vermögens war eine schmerzliche Lektion für Neuseeland“.

Dabei galt Neuseeland lange Zeit als Vorreiter und Musterland für die Veräußerung von Staatseigentum an private Investoren. Das Bank-, Energie- und Transportwesen wurde überwiegend oder ganz privatisiert, Rente wie Sozialleistungen wurden von der konservativen Regierung zusammengestutzt und Praxis- ebenso wie Studiengebühren erhoben.

Mit erheblichen Konsequenzen: 1998 brach im Norden für 66 Tage das Stromnetz komplett zusammen, die Fluggesellschaft stand vor dem Konkurs und die Infrastruktur war weitgehend abgenutzt. Daraufhin wurden Schritt für Schritt Privatisierungsvorgänge wieder zurückgenommen. Nachdem bereits 2001 die Fluglinie “Air New Zealand“ (die heute wieder schwarze Zahlen schreibt) durch eine Wiederverstaatlichung vor den Konkurs gerettet wurde, wird nun die Renationalisierung der Bahn zum 1. Juli anvisiert. Cullen resümierte, es sei „äußerst schwierig gewesen, ohne staatliche Unterstützung ein Bahngeschäft zu führen, das zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes beiträgt."

Ein Gedanke, von welchem sich die Spitze der deutschen Sozialdemokraten auf ihrem Weg in die neuseeländische Vergangenheit weitgehend unbeleckt zeigt, schließlich hat diese am 14. April entgegen dem Versprechen ihres Parteivorsitzenden, dem Willen der Parteibasis und der Bevölkerungsmehrheit die Privatisierung der Bahn beschlossen. Privatisierungskritiker merken an, dass auch eine Veräußerung von “nur“ 24,9 Prozent des Personen- und Güterverkehrs fatale Konsequenzen für die Bahn haben wird: Schließlich könnten die Investoren vom Staat einen Ausgleich für verloren gegangene Profite einfordern, wenn der Bund für die Bahn Entscheidungen fällen würde, den Verwertungsinteressen der privaten Anteilseigner entgegenstehen. Aufgrund dieses "Sachzwangs" wären die Vertretet des Staates von vornherein gezwungen, die Position der Investoren zu vertreten.