"Wir schlagen zurück"

Die britische Innenministerin rüstet nun einmal nicht gegen den Terror auf, sondern wieder einmal gegen Jugendliche, die "antisozialem Verhalten" nachgehen

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Einer der Gründe, warum die Bürger von London Livingstone abgewählt und mit dem konservativen Boris Johnson einen neuen Bürgermeister vorgezogen hatten, war die Jugendkriminalität und das so genannte antisoziale Verhalten der Jugendlichen. Daher will nun Labour-Innenministerin Jacqui Smith wieder einmal Stärke zeigen und kündigt neue Maßnahmen gegen die Jugendlichen an, die offenbar die Gesellschaft in Angst und Schrecken versetzen. Smith hatte schon geschworen, als sie letztes Jahr ihr Amt antrat, "Null Toleranz" walten zu lassen, und selbst eingeräumt, dass sie Nachts auch die Straßen guter Wohnviertel meiden würde.

Zwar kämpfte die Labour-Regierung mit vielen Aktionen, Slogans und Maßnahmen wie dem Ausbau von Gefängnissen, härteren Strafen und zahlreichen ASBOs (Anti-Social Behaviour Order) gegen die durch Gewalt, Alkohol und Vandalismus aufgepeitschten Jugendlichen (Blair will "antisoziales Verhalten" ausrotten). Die Angst vor der nachwachsenden Generation, die keinen Respekt zeigt, kann auch der stets beschworene Kampf gegen den islamistischen Terrorismus beiseite drängen. Vielmehr scheint in Großbritannien, wie auch in anderen Ländern, der Terror von innen zu kommen, möglicherweise sind die "home grown terrorists", von denen deutsche Sicherheitspolitiker sprechen, gar nicht wirklich ein Auswuchs des Islamismus, sondern nur eine andere Äußerung derselben Neigung zur Gewalt. Nach einer Umfrage habe die Briten von allen Europäern am meisten Angst vor ihren Jugendlichen (Respekt durch Überwachen und Strafen). Die Definition des antisozialen Verhaltens ist recht breit: "any activity that impacts on other people in a negative way." Da ist möglicherweise schon jung sein ein Problem.

Man gewinnt auch den Eindruck, dass die Versuche der britischen Politik, die Gewalt einzugrenzen und im jugendlichen Verhalten vornehmlich die Sicherheitsfrage zu sehen, das Problem eher verschärft haben. Das Strafen und Disziplinieren, das bei den ASBOs zum Ausdruck kommt, die unerwünschtes Verhalten ahnden sollen, scheint die Spirale nur voranzutreiben, zumal nach der Strafe kaum mehr etwas macht. Jugendliche, so sagte eine Studie, würden ASBOs sammeln, sie würden geradezu als Orden gelten. Gleichzeitig halten sich die Jugendlichen offenbar kaum an die Auflagen. Hatte die die Hälfte der Jugendlichen zwischen 10 und 17 Jahren die Auflagen bis 2006 gebrochen, so sind es jetzt schon über 60 Prozent, die sich nicht darum scheren.

Im Sinne der Aufrüstung, die offenbar Sicherheitspolitikern immer zuerst einfällt, will nun Innenministerin die Maßnahmen verschärfen, um antisoziales Verhalten auszumerzen. "Wir schlagen zurück" (We're fighting back) drohte die Innenministerin den Jugendlichen. Frage ist, wer das "Wir" ist: die ältere Generation? Die "Anständigen"? Die aufgefallenen Kinder und Jugendlichen sollen, so will es die Innenministerin, möglichst oft fotografiert und gefilmt werden, um die von ihnen ausgehende Belästigung umzukehren und den überwachenden und strafenden Staat zu demonstrieren. Überdies sollen sie oft Tag und Nacht von Polizisten und Sozialarbeitern Zuhause aufgesucht, auf der Straße gestoppt und gewarnt werden, um ihnen ihr Leben ungemütlicher zu machen und sie auf den rechten Weg zu zwingen. In den Worten von Smith:

I want police and local agencies to focus on them by giving them a taste of their own medicine — daily visits, repeated warnings and relentless filming of offenders to create an environment where there is nowhere to hide.

Polizisten hatten dies in Essex bereits durchgeführt und angeblich Erfolg gehabt. Dabei haben die Polizisten die Anwohner gefragt, welche Jugendliche auffallen. Wer bereits den Ordnungshütern bekannt war, wurde dann von diesen verfolgt. Allerdings handelte es sich nur um wenige Jugendliche, die für kurze Zeit durch die Präsenz der Ordnungskräfte eingeschüchtert wurden. Kaum vorzustellen, wie viele Polizisten eingestellt werden müssten, um solche Ordnungs- und Einschüchterungsstrategien längere Zeit durchhalten zu können.

Nach dem Innenministerium seien es aber nur 7 Prozent der Unruhestifter, die die meisten Probleme machen. Das sind also die Vielfachtäter. Statistiken würden zeigen, dass frühes Eingreifen abschrecke. 65% würden nach dem ersten Eingreifen ihr antisoziales Verhalten stoppen, 85 Prozent beim zweiten Mal und beim dritten Mal 93 Prozent. Bleiben also die 7 Prozent, die sich nicht darum scheren.

Smith kündigte aber nicht mehr Geld und Stellen für die ausgedehnten Überwachungs- und Belästigungsaktionen an, sondern forderte vor allem, dass die verschiedenen Behörden besser zusammen arbeiten sollen, was wiederum zeigt, dass es vor allem politische Schaumschlägerei geht. Sie forderte dazu auf, früher präventiv einzugreifen und die Eltern von Kindern und Jugendlichen, die ASBOs erhalten, ebenfalls durch Auflagen zu zwingen, ihren Nachwuchs zu disziplinieren.