Spätes Zurückrudern beim Sexualstrafrecht

Der so genannte "Petting-Paragraph", wie ihn die Medien nannten, ist entschärft. Die große Koalition hat ihn umformuliert und damit "Teenie-Sex aus der Grauzone" geholt. Trotz allem Aufatmens: warum eigentlich erst jetzt?

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„Teenager dürfen weiter fummeln“ und ähnliche Schlagzeilen konnte man in den letzten Tagen lesen, wenn es darum ging, die Tatsache zu kommentieren, dass die Große Koalition das Sexualstrafrecht nun doch nicht wie geplant auf den Weg bringen will. Die Opposition sieht dieses Zurückrudern zwar als positiv an, stellt jedoch die Frage, wieso die offensichtlichen Mängel des Gesetzes nicht vor Einbringung des Gesetzentwurfes berücksichtigt wurden, sondern erst jetzt.

Das neue Gesetz sollte einerseits die Kinderpornographie mehr in den Fokus rücken, andererseits aber auch gegen die Jugendprostitution helfen. Heraus kam jedoch ein Entwurf, der so viele Grauzonen beinhaltete, dass sich nicht nur die Opposition sondern auch die Medien fragten inwiefern gewährleistet sei, dass Teenager nun nicht Gefahr laufen, wegen eines Kinobesuches mit dem Schwarm angezeigt zu werden, so schwammig waren die Formulierungen.

Derartige Sorgen wurden insbesondere vom Bundesjustizministerium als überzogen angesehen - und während man vergeblich darauf wartete, dass von dieser Seite aus eine sachliche Gegenargumentation erfolgte, stieß man stattdessen auf die üblichen persönlichen Angriffe auf Kritiker, wie sie in letzter Zeit von der Politik so oft erfolgen:

"Es ist verantwortungslos, unsere redlichen Bemühungen, Kinder vor Prostitution zu schützen, durch gezielte Falschinformationen zu diskreditieren."

Man solle einfach mehr Vertrauen in die Rechtssprechung haben und nicht jedes Gesetz könne jeden Einzelfall berücksichtigen, hieß es lapidar. Dies ist natürlich beides richtig. Nichtsdestotrotz sollten Kollateralschäden durch allzu ungenaue Formulierungen und vage Ideen von Anfang an berücksichtigt werden- und nicht erst dann, wenn die Opposition oder die Medien aufwachen und einen Entwurf kritisieren.

Gesetzgebung beim Sexualstrafrecht: Aktionismus first

Gerade im Hinblick auf das Sexualstrafrecht waren die Entwürfe in den letzten Jahren wieder und wieder Anlass für heftige Kritik. Ob die Überlegungen, eine Anzeigepflicht bei Kindesmissbrauch einzuführen, das Gesetz gegen Zwangsprostitution, welches insbesondere auch Freier haftbar machen will, die Prostituierte aufsuchen, die „offensichtlich“ unter Zwang dem Gewerbe nachgehen - oder eben das Gesetz, welches gegen Kinderpornographie und Jugendprostitution helfen soll. All diese Vorhaben sind vor allen Dingen eines: unüberlegt und aktionistisch.

Erst nach massiver Kritik wird dann teilweise und schließlich ganz zurückgerudert. Zunächst sollte, so Frau Zypries, ja lediglich noch einmal überlegt werden, ob Minderjährige tatsächlich bestraft werden sollten, wenn sie pornographische Bilder von sich selbst ins Internet stellen. Mittlerweile berücksichtigt man, dass zwischen Kinder- und Jugendpornographie unterschieden und das Mindestalter eines Täters 18 Jahre und mehr betragen muss. Vorher war beabsichtigt, dieses komplett aufzuheben, während gleichzeitig das Schutzalter gesenkt werden sollte. Straflos bleiben sollen ferner auch Minderjährige, die mit Einwilligung der Betroffenen pornografische Fotos, Filme oder Texte angefertigt haben und besitzen. Somit laufen Jugendliche zunächst nicht mehr Gefahr, alleine wegen einer Einladung oder eines Geschenkes mit dem gegebenenfalls vorhandenen Hintergedanken, dadurch den Schwarm eher zu sexuellen Gegenleistungen ermuntern zu können, in die rechtliche Bredouille zu geraten.

Die umstrittene Regelung der "Posingphotos" ist jedoch weiterhin im Entwurf enthalten. Somit würde für Kinder- und Jugendpornographie weder Nacktheit noch eine Betonung der Geschlechtsorgane notwendig sein, es würde ausreichen, dass gegebenenfalls. die Beleuchtung, die Bildkomposition usw. lasziv wirken könnten. Unter dieser Prämisse könnten nunmehr selbst Katalogphotos als Kinder- beziehungsweise Jugendpornographie eingeordnet werden. Diesbezüglich wurde die Kritik schlichtweg ignoriert.

So angenehm es auch ist, zu hören, dass hier die Kritik teilweise Früchte trägt, so wenig lässt das Vorgehen des Bundesjustizministeriums in den letzten Jahren wirklich Grund zur Hoffnung aufkommen, die nächsten Gesetzesvorhaben könnten besser durchdacht sein. Das derzeit anstehende Gesetz, welches die Zwangsprostitution bekämpfen soll, ist ein Beispiel dafür. Obgleich es bereits heftig kritisiert wurde, bleibt man seitens des Ministeriums auf stetem Kurs. Auch hier ist weder davon auszugehen, dass das Gesetz tatsächlich gegen das helfen wird, wogegen es angeblich helfen soll - noch davon, dass es keine Flurschäden durch allzu schwammige, wenig bedachte Formulierungen mit sich bringen wird.