NPD geht weiter in Richtung Militanz

Auf dem Parteitag wurde deutlich, dass die Neonazis mit dem Geld und mit der Linken nicht klar kommen

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Drei Lehren muss man aus dem Parteitag der NPD in Bamberg ziehen: Neonazis können nicht mit Geld umgehen. Ohne den braunen "schwarzen Block" kann die Partei im Westen keine Blumentöpfe gewinnen. Im Vergleich zu anderen neofaschistischen Gruppen in Europa scheinen die deutschen Ultrarechten entschlossen, eine Politsekte zu bleiben.

Ein Parteitag ist in der Regel eine ritualisierte Veranstaltung ohne wirkliche Debatten über Inhalte. Am interessantesten sind oft die Anträge, die gestellt, aber wieder zurückgezogen werden, das, was nicht gesagt wird, und Personalfragen, die etwas über die allgemeine Richtung aussagen.

Trotz des mittlerweile achtjährigen regierungsamtlichen "Kampfes gegen Rechts" und einiger Millionen für Förderprogramme "gegen Rechts" könnte die NPD zufrieden sein: Ihr hat das alles nicht geschadet. Die Neonazis haben im ultrarechten Lager keine ernst zu nehmende Konkurrenz mehr, die NPD sitzt in mehreren Landtagen, ist in den neuen Bundesländern eine etablierte Regionalpartei und die jüngste aller Parteien, die Mitgliederzahl hat sich unter dem Vorsitzenden Udo Voigt verdreifacht.

Die Nöte der Braunen mit dem Geld

Dennoch stecken die Neofachisten in einer Krise. Frank Golkowski, zwischen 1992 und 1998 Chef der NPD in Thüringen, wurde vor zwei Jahren vom Amtsgericht Erfurt wegen Steuerhinterziehung in mehr als hundert Fällen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er hatte zudem gefälschte Spendenquittungen ausgestellt, um sich persönlich zu bereichern. Die Partei bekam dafür staatliche Finanzzuschüsse. Vor zwei Jahren forderte die Bundestagsverwaltung deshalb 870.000 Euro zurück. Die Partei konnte die Summe nur auftreiben, weil ihre Spender auf die Rückzahlung verzichteten oder Kredite stundeten.

Im Februar 2008 wurde Erwin Kemna verhaftet, der Bundesschatzmeister und Geschäftsführer des parteigenen Verlags Deutsche Stimme. Kemna hatte sich juristisch mehrfach erfolgreich gegen die unter anderem im Tagesspiegel aufgestellte Behauptung gewehrt, er sei ein Spitzel des Verfassungsschutzes. Beim Thema Geld musste er jedoch die Segel streichen - der NPD-Funktionär soll laut Staatsanwaltschaft mehr als 600.000 Euro für sein eigenes klammes Küchenstudio in Lengerich abgezweigt haben. Nach einem Jahr Ermittlungen sah das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt die Vorwürfe als erhärtet an, die Staatsanwaltschaft vermutete Flucht- und Verdunklungsgefahr. Auch die Parteizentrale der NPD wurde durchsucht.

Kemna war während des gesamten Parteitags indirekt präsent. Fest steht, dass die NPD ihre ohnehin nicht üppigen Finanzen offenbar nicht im Griff hat, dass eine effektive Kontrolle nicht existiert und das undurchsichtige Finanzgebaren dazu einlädt, sich privat zu bereichern. Um so erstaunlicher, dass sich der Parteivorsitzende Voigt in seinem Rechenschaftsbericht hinter Kemna stellte, ja sogar die Verantwortung für das Desaster übernehmen wollte.

Der Aufschwung der NPD wäre ohne Erwin Kemna so nicht möglich gewesen. Wir hätten weder das Verlagsgebäude für unsere Deutsche Stimme in Riesa, noch das Gebäude der Parteizentrale in Berlin kaufen können oder den Wahlkampf 1998 in Mecklenburg-Vorpommern so führen können, daß wir nach Jahrzehnten wieder über die Ein-Prozent-Marke und damit in die Parteienfinanzierung gekommen sind.

Udo Voigt

Das lässt vermuten, dass Voigt von den Machenschaften zumindest etwas geahnt haben muss oder sie billigend in Kauf genommen hat. Voigts parteiinterne Widersacher bekamen daher schon im Vorfeld Oberwasser; vor allem Jürgen Rieger, Rechtsanwalt im doppelten Sinn der Wortes, Grundstücksspekulant, Holocaust-Leugner und Neonazi wie aus dem Lehrbuch, sowie Udo Pastörs, Landtagsabgeordfneter der NPD in Mecklenburg-Vorpommern, verlangten vor den Delegierten Details über die finanziellen Transaktionen. Man kann aber davon ausgehen, dass es sich bei dem öffentlichen Streit zwischen Rieger und Pastörs weitgehend um ein Scheingefecht um Wählerstimmen handelte, denn ein offizieller Antrag des NPD-Kreisverbands Unna, der die fehlende Information seitens des Vorstands beklagte und Aufklärung verlangte, war zurückgezogen worden.

Integration der "Autonomen Nationalisten"

Kein Wunder, dass Voigt seinen schärfsten Kritiker Rieger bei dessen erfolgreicher Kandidatur zum stellvertretenden Parteivorsitzenden unterstützte: Der Neonazi-Anwalt hat die Partei in den Verfahren um die zu Unrecht gezahlten staatlichen Gelder vertreten und dafür gesorgt, dass wieder Geld floss. Der Vorstand der NPD wäre laut Voigt ohne Riegers juristischen Beistand hilflos gewesen:

Dadurch konnte der reguläre Dienstbetrieb wieder aufgenommen, ein Minimum an Propagandamaterial zur Verfügung gestellt und unsere Parteizeitung Deutsche Stimme weiter herausgegeben werden konnte. (...) Rieger hat übrigens seine Anwaltskosten der Partei gespendet.

Udo Voigt

Mit einem stellvertretenden Vorsitzenden Rieger werden auch die sogenannten "Autonomen Nationalisten" weiter in die NPD integriert. Rieger hatte noch nie Probleme, in enger Tuchfühlung mit den Stiefelfaschisten zu agieren. Voigt hingegen distanzierte sich von dem "neuen Phänomen": "Spruchbänder mit englischen Texten", ein "nicht gewolltes Erscheinungsbild", "ausländische Symbole und Sprüche" und die "geballten Kommunistenfaust". Die NPD dürfe nicht "Aktionsformen der Antifa" übernehmen. Aber genau diese Mimikri (Die Lehre aus den Krawallen in Hamburg) ist das einzige Konzept der Neonazis, in den alten Bundesländern zumindest kurzfristig Erfolge bei "der aktionistischen Jugend" und beim "Kampf um die Straße" zu erzielen.

Dass die NPD weiter in Richtung Militanz gehen wird und langfristig eine Art neue SA aufbauen will, zeigt auch ein Antrag des Regionalverbandes Böblingen-Stuttgart-Ludwigsburg, der vom Parteitag beschlossen wurde:

Jeder Landessverband muß einen Ordnungsdienstbeauftragten benennen, der an bundesweiten OD-Schulungen teilnimmt und dem Bundes-OD bei Veranstaltungen zur Verfügung steht und längerfristig einen einsatzfähigen Ordnerdienst im Landesverband aufbaut.

Beschlossener Antrag

Die Führung der NPD war unter Udo Voigt offiziell meistens bemüht, sich von Gewalt zu distanzieren. Jeder weiß, dass das nur Taktik ist. Die Gratwanderung zwischen realer Militanz und bekundeter Friedfertigkeit birgt ein hohes Risiko: Ein Verbot könnte den Neonazis nicht drohen, wenn sie offen verfassungswidrige Parolen verbreiteten, sondern nur, wenn sie das "aggressiv-kämpferisch", also nicht nur mit Worten tun. Dazu fehlt ihr aber zur Zeit das Potenzial. Das kann sich aber ändern.

Wahlforscher sind sich einig: Die größte inhaltlich Schnittmenge hat die NPD mit der "Linken". Das gilt natürlich nur für populistische Parolen. Voigt beklagte in seinem Rechenschaftsbericht: "Wir werden alles daran setzen, wieder das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen, welche sich bei den letzten Wahlen durch die Propaganda der Linkspartei haben täuschen lassen." Mit anderen Worten: Oskar Lafontaine hat den Neonazis die soziale Frage weggenommen, die diese meinten, in den neuen Bundesländern in ihrem Sinn stellen zu müssen.

Eine militante neonazistische Politsekte mit nennenswerter regionaler Verankerung nur in einigen neuen Bundesländern das ist das größte Problem der organisierten Neonazis. Der deutsche Ultrarechten ist es nicht gelungen, sich für anderen Wählerschichten zu öffnen als ihre eigentliche Klientel, den braunen Bodensatz mit rassistischen und antisemitischen Vorurteilen, der schon seit drei Jahrzehnten bei rund 10 Prozent der Wähler liegt. Mit dem neu gewählten Parteivorstand wird sich das nicht ändern - ganz im Gegenteil. Dass es auch anders geht, zeigt Italien, wo das Movimento Sociale Italiano sich in einen rechtsbürgerlichen Teil und in eine orthodoxe faschistische Sekte spaltete. Letztere ist bedeutungslos, der ersterer Teil regiert mit. Davon kann die NPD - zum Glück - nur träumen.