Kernreaktion im Vortragssaal

Schwerer Wasserstoff rein, Helium und Wärme raus, ein japanischer Forscher führt Medienvertretern anscheinend erfolgreich eine in der etablierten Physik noch immer verpönte Kernreaktion vor

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Das Problem von Professor Yoshiaki Arata: Eine schlüssige Theorie zu seinem Experiment kann er nicht vorweisen. Wer Wissenschafts-PR betreiben wollte mit dem, womit sich unter anderem der japanische Physiker Arata befasst, der hätte ein echtes Problem: Es gibt zwar einen einleuchtenden Begriff dafür, von dem die meisten Menschen schon einmal gehört haben, aber mit dem ist leider, leider ganz und gar nichts anzufangen. Dabei trifft er die Sache, um die es geht, gar nicht mal so schlecht - es gibt jedenfalls deutlich unpassendere und trotzdem populäre Begriffe, die einen wissenschaftlichen Sachverhalt noch viel stärker verhunzen und die Forscher trotzdem nicht mit der Kneifzange anfassen.

Vortrag von Professor Arata am 22. Mai an der Universität von Osaka

Das Problem wird dadurch etwas entschärft, dass die weltweite Gemeinde der Wissenschaftler, die sich mit diesem Gebiet befassen, nach wie vor überschaubar ist. Das liegt sicher zum Teil daran, dass mit dem Thema „kalte Kernfusion“ (siehe Die Kernfusion, die keine ist) kaum akademische Meriten zu verdienen sind. Trotzdem, das zeigen regelmäßige Veröffentlichungen, muss da wohl irgend etwas sein. Die Forscher haben das Gebiet nun „Low Energy Nuclear Reactions“ (LENR) getauft - auch nicht zu 100 Prozent passend, denn nicht alles spielt sich bei niedrigen Energien ab. Noch besser passt da der Begriff „Condensed Matter Nuclear Science“ (Festkörper-Kernforschung), unter dem mittlerweile entsprechende Fachkonferenzen abgehalten werden.

Womit man es wirklich zu tun hat, kann niemand mit Bestimmtheit sagen: Chemische Reaktionen jedenfalls, das mussten die Alchimisten erfahren, wandeln nicht ein Element in ein anderes um. Spielt die Quantenelektrodynamik mit herein? Erzeugt man im Experiment auf kleinstem Raum Bedingungen, die denen auf der Sonne ähnlich sind? Die Gemeinsamkeit aller bisherigen Versuche, die sich in ihrer Gesamtheit auch von der etablierten Physik nicht einfach abtun lassen, besteht jedenfalls darin, dass Deuterium zugeführt wird und am Ende Wärme und Helium entstehen. Was sich aber meist nicht nachweisen lässt, sind Neutronen und Gammastrahlung - sonst untrügliches Zeichen einer Fusionsreaktion.

Wie sich Arata die Absorption des Deuteriums im Palladium-Gitter vorstellt

Das aktuellste Experiment in dieser Richtung verfolgten in der vergangenen Woche nun 60 Vertreter von Universitäten und Firmen sowie Reporter der wichtigsten japanischen Medien in einem Hörsaal der Universität Osaka. Yoshiaki Arata, 85 Jahre alt und emeritierter Professor der Universität, führte den versammelten Zeugen ein Experiment vor, über das er schon in zwei Artikel berichtet hatte.

Dabei wird Deuterium-Gas durch Druck in eine Reaktionszelle gepresst, die ein Gemisch aus Zirkoniumdioxid und Palladium enthält. Im Ergebnis heizte sich die Zelle deutlich auf und blieb auch für längere Zeit warm. Der Effekt entstand in Kontrollexperimenten so nicht: weder, wenn statt Deuterium leichter Wasserstoff angewendet wurde, noch wenn die Zelle kein Palladium enthielt.

Dass dies noch nichts darüber sagt, was in der Zelle passiert, ist klar. Andere Forscher kritisieren, dass selbst der Wärmeüberschuss nicht zu 100 Prozent nachweisbar sei.

Frühere Experimente hatten zunächst vor allem auf eine Kathoden-Anoden-Kombination gesetzt oder auf die gemeinsame Deposition von Palladium und Deuterium auf einer Kupferelektrode. Stets scheint dabei das Palladium die Rolle zu spielen, die Deuterium-Kerne derart nah aneinander zu bringen, dass eine Kernreaktion möglich ist.

Die Besucher durften auch den Versuchsaufbau besichtigen. (Bilder: S. Krivit / New Energy Times)