NASA-Marsroboter "Phoenix" in Nöten

Etwas Weißes schimmert durch. Ob es sich hierbei tatsächlich um Eis handelt, werden die Forscher alsbald erfahren. Bild: NASA/JPL/University of Arizona/Texas A&M

Die "Phoenix"-Mission kämpft mit Problemen, die die Suche nach Lebensspuren auf dem Mars zwar verzögern, aber nicht verhindern werden

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Nachdem der Roboterarm der Forschungssonde Phoenix seine Einsatzbereitschaft im Rahmen zweier Testläufe erfolgreich unter Beweis gestellt und mit seiner Schaufel die ersten Bodenproben genommen hat (die nur fotografiert wurden), setzte die NASA für Ende dieser Woche die erste wissenschaftliche Grabung an. Dass diese sich jetzt um einige Tage verzögert, hängt einerseits mit einem fehlerhaft operierenden wissenschaftlichen „Phoenix“-Instrument, andererseits mit den Relais-Orbitern Mars Reconnaissance und 2001 Mars Odyssey zusammen, die beide beim Datentransfer Schwächen offenbarten. Während ein NASA-Team fieberhaft daran arbeitet, die Kommunikation zu optimieren, rätseln die Projektwissenschaftler derweil über die „weißen Stellen“ auf dem Marsboden und über die hellgetönten Splitter, die in den Schaufelproben zu sehen sind. Handelt es sich bei diesen um Eis oder nur um Salz? Den deutlichsten Hinweis, das „Phoenix“ tatsächlich auf einer Eisschicht niedergegangen ist, fanden die Forscher interessanterweise unter der Sonde selbst.

„Phoenix“-Aufnahme: Die Mars-Wüste lebt nicht, aber vielleicht Mikroben in ihr. Bild: NASA/JPL/University of Arizona

Die ältesten Lebewesen bevölkern unseren Planeten schon seit 3,8 Milliarden Jahren und haben sich im Verlaufe der Evolution als die widerstandsfähigsten und mutationsfreudigsten etabliert. Dass sie sich ausgerechnet auf jener Ebene tummeln, die den vermeintlich intelligentesten irdischen Bewohnern gänzlich verborgen bleibt, mag der geneigte Mikrobiologe als evolutionären Zufall erachten oder auch nicht. Auf jeden Fall haben sich die Einheimischen dieser unzugänglichen Welt, sprich die Mikroben bzw. Mikroorganismen, die sich aus Bakterien, Viren (!), Einzellern und Pilzen sowie Pilzbakterien zusammensetzen, überall dort eingenistet, wo sie Dekaden zuvor kein Biologe je vermutet hätte. Wie keine andere terrestrische Lebensform trotzen sie extremsten Umweltbedingungen und erweisen sich sogar im polaren Meereis, in heißen Quellen, bei hohen Salzkonzentrationen, bei basischen oder sauren Bedingungen, in großer Tiefe ohne Licht, unter starken Drücken, ja sogar im Vakuum, sprich Weltraum (ohne Sauerstoff) als Überlebenskünstler par excellence.

Phoenix von „oben“. Falschfarbenaufnahme des NASA-Orbiters „Mars Reconnaissance Orbiter“ (MRO)“. Auf diesem Bild sind die ausgebreiteten Sonnenpanele der gelandeten Sonde gut zu sehen. Bild: NASA

Lebensfeindliche Witterungsbedingungen auf Mars

Angesichts dieser enormen Resistenz stellt sich fast zwangsläufig die Frage, ob sich auf dem Nachbarplaneten Mars einst in ferner oder naher Vergangenheit kosmische Brüder von Bazillus & Co. irgendwann einmal getummelt haben bzw. sich gar heute noch tummeln. Obwohl viele Astrobiologen diese Frage inzwischen ruhigen Gewissens bejahen und selbst seriöse Planetenforscher davon ausgehen, dass zumindest vor Jahrmillionen Bakterien den vermeintlich sterilen Marsboden belebten, verweisen andere Forscher immer wieder auf die marsiane lebensfeindliche Umgebung, die selbst für die resistentesten Kleinstlebewesen des Guten zu viel gewesen sein dürfte.

„Phoenix“ im Künstlerporträt. Bild: NASA

Zu den Pessimisten zählt sich auch Gregory T. Delory von der University of California in Berkeley. Zusammen mit seinem Team führte er im Südwesten der USA vor mehr als zwei Jahren Feldforschungen und ergänzende Laborexperimente durch, die in theoretischen Modellen und Computersimulationen mündeten. Und seine Daten sprechen für einen höchst lebensunfreundlichen Roten Planeten.

Delory glaubt, dass die Bedingungen auf dem Mars in den letzten drei Milliarden Jahren ähnlich trocken und staubig gewesen waren wie heute. Auch damals wurde der Nachbarplanet der Erde regelmäßig von starken Wirbel- und Staubstürmen heimgesucht, mit der Folge, dass es im Marsboden zu statischen elektrischen Aufladungen kam. "Von unserer Feldarbeit wissen wir, dass starke elektrische Felder auf der Erde Wüstenstürme erzeugen können. Aber auch unsere Laborexperimente und theoretischen Studien deuten darauf hin, dass infolge der Bedingungen in der Atmosphäre des Mars bei Staubstürmen starke elektrische Felder generiert werden", sagt der Co-Autor der Studie William M. Farrell vom NASA Goddard Space Flight Center in Greenbelt (Maryland). Da Wasserdampf und Kohlendioxid in der Marsatmosphäre die häufigsten Moleküle sind, ist davon auszugehen, dass sich dort sehr wahrscheinlich auch Wasserstoff, Hydroxyl sowie Kohlenmonoxid gebildet haben. Und da das für die irdische Fauna und Flora lebensgefährliche Wasserstoffperoxid bei hoher Konzentration einen festen Aggregatzustand einnimmt, fällt es als Schnee sogar nieder und kann ergo in die Marsoberfläche eindringen.

Auf dieser Rasterelektronen-Mikroskop-Aufnahme des Mars-Meteoriten ALH 84001 sind mikrobenartige Spuren zu sehen. Noch immer diskutieren Astrobiologen darüber, ob es sich bei diesen Formen um versteinerte Marsbakterien oder nur geologische Strukturen handelt. Bild: NASA

Zu salzig für Leben

Eine aktuelle Studie, die sich auf Datenmaterial stützt, das der NASA-Marsrover Opportunity im Rahmen einer detaillierten Gesteinsanalyse sammelte, sieht in der Zusammensetzung des Marsbodens den Quell allen Übels. In einem Beitrag, der unlängst in dem US-Fachjournal Science publiziert wurde, kommen Wissenschaftler der Harvard-Universität in Cambridge zu dem Schluss, dass der Rote Planet für die Ausbildung mikrobiellen Lebens auf DNA-Basis schlichtweg zu salzig war bzw. ist. Fraglos sei Mars einst reichlich mit Wasser gesegnet gewesen, allerdings habe sich dieses vermutlich eher als dicke Salzlake über den Planeten verteilt, so die Harvard-Forscher. Selbst die widerstandsfähigsten irdischen Mikroben hätten in einer derart hochkonzentrierten Salz-Brühe keine Chance auf Entfaltung gehabt. "Dies schließt nicht Lebensformen eines Typs aus, dem wir noch nie begegnet sind", gesteht der Mitautor Andrew Knoll. "Aber Leben, das in solch einer salzigen Umgebung entstehen und ausharren könnte, bräuchte eine völlig andere Biochemie als die salztolerantesten irdischen Organismen."

Zu viel Salz und Stürme auf Mars? Für irdische Mikroben könnten diese „Lebensbedingungen“ womöglich eine Spur zu hart, für marsiane Einzeller indes vielleicht genau richtig sein. Bild: NASA

Auch Knolls Kollege Nicholas Tosca befürchtet, dass Bakterien oder andere Kleinstlebewesen infolge des hohen Salzgehalts mitnichten eine Nische gefunden haben. „Seit Jahrhunderten wissen die Menschen, dass Salz das Mikrobenwachstum verhindert. Das ist der Grund, warum Fleisch vor der Erfindung des Kühlschranks gepökelt wurde.“

Mars-Express-Aufnahme von dem bekanntesten Krater am Nordpol des Mars. Das in ihm eingebettete Wassereis ist kaum zu übersehen. Bild: ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)

Eis oder Salz – das ist hier die Frage

Theorie hin, Theorie her: Nunmehr kann dank der am 26. Mai auf dem Mars gelandeten NASA-Forschungssonde Phoenix die Probe aufs Exempel gemacht werden. Denn auf der Suche nach Spuren von vergangenem oder gegenwärtigem Leben auf dem Roten Planeten ist „Phoenix“ in die erste Phase gegangen und hat nach einigen Startschwierigkeiten mit dem 2,3 Meter langen Roboterarm, der wegen eines Kommunikationsproblems (s.u.) vorübergehend nicht aktiviert werden konnte, einige Bodenproben zu Testzwecken genommen und fotografiert. „Das war alles sehr, sehr erfolgreich, so dass wir keine weiteren Tests mehr benötigen“, freut sich Raymond E. Arvidson von der Washington University in St. Louis, der für den Arbeitseinsatz des Roboterarms mitverantwortlich ist.

Zum Zeichen seiner Präsenz hinterließ der metallene Arm einen Abdruck, der einem menschlichen Fußabdruck ähnelt und daher von den NASA-Forschern liebevoll „Yeti“ genannt wurde. "Bei der ersten Berührung konnten wir den Arm präzise einsetzen. Wir sind nun gut vorbereitet, um Bodenproben zu sammeln und zu analysieren", bestätigt David Spencer vom NASA Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena im US-Bundesstaat Kalifornien den vielversprechenden Testlauf. Spencer sieht wie seine Kollegen der nunmehr folgenden 90-tägigen intensiven Spurensuche nach Wasser und Hinweisen auf Leben mit großem Optimismus entgegen, zumal so einiges darauf hindeutet, dass „Phoenix“ auf einer Eisschicht gelandet ist.

Als die Projektwissenschaftler mit der an dem Roboterarm installierten Kamera einen direkten Blick unter die Sonde riskierten, entdeckten sie zu ihrer Freude zwei große verräterische weiße Flecke, die höchstwahrscheinlich beim Landemanöver von den Bremsraketen freigelegt wurden. „Die Triebwerke haben fünf bis 15 Zentimeter tief den Boden freigelegt“, so Peter Smith von der University of Arizona in Tucson, bei dem alle Fäden der „Phoenix“-Mission zusammenlaufen. „Wir sehen jetzt etwas, das wie Eis aussieht. Es ist nicht auszuschließen, dass es etwas anderes ist, aber wir gehen davon aus, dass es Eis ist.“

Es sieht wirklich sehr nach Eis aus …Bild: NASA/JPL/University of Arizona

Horst Uwe Keller vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau, der für die Kamera am Roboterarm von „Phoenix“ verantwortlich ist, sieht dies ähnlich: "Was wir auf den Bildern sehen, stimmt mit unserer Vermutung überein, dass es sich hier um Eis handelt. Wir glauben, dass der Lander auf einer Schicht dieses weißlichen Materials steht, die möglicherweise bis in eine Tiefe ragt, in die wir graben können."

Gleiches gilt für die Kratzspuren, die die Schaufel des Roboterarms auf dem Marsboden hinterlassen hat. Hier fallen an einigen Stellen ebenfalls helle Strukturen ins Auge, die auf eine Eisschicht hinweisen könnten.

Aufnahme der Spuren der ersten Grabung. Nicht die fußspurenähnliche Struktur interessiert die Forscher, sondern vielmehr die durchschimmernde weiße Schicht. Bild: NASA/JPL/University of Arizona/Texas A&M

Aber auch in den ersten beiden aus dem Marsboden geschaufelten Testproben, die kurz vor ihrer Entsorgung noch fotografiert wurden, fanden sich Spuren, die auf die Anwesenheit von Eis hindeuten. „Der Boden ist bröckelig, und in ihm sind einige hellgetönte Splitter“, erklärt Arvidson. Bei diesem „weißen Material“ könnte es sich, so vermuten Arvidson und seine Kollegen vom „Phoenix“-Team, um Salz handeln, das einst in einem flüssigen Meer vorhanden war. Wahrscheinlicher sei aber, dass man hier kleine Bruchstücke der erhofften Eisschicht gefunden habe. "Wir führen leidenschaftliche Diskussionen darüber, ob es sich hierbei um Salz oder Eis oder um noch exotischeres Material handeln könnte", verdeutlicht Peter Smith.

Blick auf die Schaufelprobe. Was glitzert denn da? Hierüber kann bislang nur spekuliert werden. Bild: NASA/JPL/University of Arizona/Texas A&M

Da alle Spekulationen zu keinem Ergebnis führen, richten die Forscher ihre Hoffnungen auf die bevorstehenden Analysen der Bodenproben aus den tieferen Schichten des Mars. Was diese Grabungen angelangt, zeigt sich Ashitey Trebi-Ollennu vom JPL der NASA, der als Chefingenieur maßgeblich an der Herstellung des Roboterarms mitwirkte, jedenfalls recht optimistisch: "Wir haben bislang nur wenige Zentimeter tief gegraben und wissen daher, dass noch große Herausforderungen auf uns warten. Dennoch glauben wir, dass wir für die Analyse eine ausreichende Menge an Material zur Verfügung stellen können.“

Unzuverlässige Orbiter-Sonden

Wann genau der Roboterarm erstmals in wissenschaftlicher Mission in den Marsboden eintauchen wird, hängt derzeit allein von der in der Mars-Umlaufbahn operierenden Sonde 2001 Mars Odyssey ab, die sich derweil eine Auszeit gönnt und völlig unerwartet in den Schlafmodus gefallen ist. Damit verzögert sich die auf den Donnerstag terminierte erste „Grabungsexpedition“ um einige Tage. Möglicherweise haben, so die Vermutung der NASA, hochenergetische Partikel aus dem Weltraum den Speicher des Bordcomputers beeinträchtigt.

„2001 Mars Odyssey“. Hatte wohl von dem ganzen Stress die Sensoren voll und nahm sich eine Auszeit. Bild: NASA

Ärgerlich ist diese Panne deshalb, weil es insgesamt schon die zweite ist, die den Datentransfer zwischen Erde und „Phoenix“ beeinträchtigt. Denn ursprünglich war der Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) für die Kommandos von Pasadena zur Phoenix vorgesehen. Da aber MRO bereits zwei Tage nach der Landung von „Phoenix“ sein Funkgerät abschaltete, zog die NASA die Sonde „2001 Mars Odyssey“ als Relaisstation heran, die sich nunmehr ihrerseits in Passivität übt.

Während „Phoenix“ zurzeit immerhin eine Reihe von einprogrammierten Befehlen abarbeitet und weiterhin hochauflösende Fotos von der näheren Umgebung schießt, suchen die NASA-Techniker in Pasadena indes fieberhaft nach dem Grund, warum „Mars Odyssey“ den Schlafmodus aktiviert hat. Zeitgleich arbeiten sie daran, mit „Phoenix“ wieder über den „Mars Reconnaissance Orbiter“ zu kommunizieren. Die Chancen hierfür stehen sehr gut.

Wenn in 20 bis 25 Jahren die ersten Marsmenschen vor Ort sind, lässt sich die Suche nach Mikroben flexibler und effektiver gestalten. Bild: ESA

Mars hat jetzt acht Öfen

Wenn „Phoenix“ den roten Staub des Roten Planeten aufwirbelt und seine ersten Eisproben nimmt, schlägt die Stunde von TEGA, sofern seine letzte Stunde bis dahin noch nicht geschlagen hat. Schließlich kämpfen die Missionsingenieure des „Thermal and Evolved-Gas Analyser“ mit unerwarteten Kurzschlüssen im TEGA-System. Vorgesehen für die Analyse von Bodenproben, soll das aus acht kleinen Schmelzöfen und einem Massenspektrometer bestehende TEGA-Instrument die Proben mit konstanter Rate auf bis zu 1000 Grad Celsius erhitzen und dabei die flüchtigen Bestandteile wie Wasserdampf und Kohlendioxid aus dem Probenmaterial freisetzen.

Die acht TEGA-Öfen erhitzen die Proben bis auf 1000 Grad Celsius. Bild: NASA/JPL/University of Arizona/Texas A&M

Die Zusammensetzung der dabei entweichenden Gase soll eben jenes Massenspektrometer analysieren, bei dem in den letzten Tagen vermehrt Kurzschlüsse aufgetreten sind. William V. Boynton von der University of Arizona, der als Chefwissenschaftler von TEGA derweil alle Hände voll zu tun hat, will das Problem schnell aus der Welt schaffen und die Reserveschaltkreise umschalten und das Betriebsprogramm modifizieren. Gelänge ihm dies, könnten später die von dem Roboterarm und seinem Löffelbagger aus dem Permafrost befreiten Bodenproben in den TEGA-Öfen erhitzt und mit dem Massenspektrometer analysiert werden, vorausgesetzt, die NASA behebt das Kommunikationsproblem bald auf elegante Weise. Dann könnte die Stunde der Mars-Mikroben schlagen, die schon seit Ewigkeiten darauf warten, mit einer fremden Lebensform Kontakt aufzunehmen.