Big Pharma sucht nach Orientierung

Die Entdeckung neuer Arzneimitteln ist so schwer wie nie zuvor, die Branche sucht nach neuen Ansätzen. Zugleich wollen die Behörden die Therapie-Effektivität vermehrt kontrolliere

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2007 genehmigte die us-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA genau 19 neue Wirkstoffe, das war die niedrigste Anzahl seit 1983. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben der Pharmaunternehmen für Forschung und Entwicklung über die Jahre immer weiter an. Die Firmen selbst nennen gerne die Zahl von knapp einer Milliarde Dollar pro marktreifen Arzneimittel, unabhängige Analysen zeigen dagegen erhebliche Differenzen je nach therapeutischem Bereich. Die Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers geht daher eher von durchschnittlich rund 450 Millionen Dollar pro Produkt aus. Der Patentschutz vieler Wirkstoffe läuft in den nächsten Jahren aus. Die Marktforscher von Sanford C. Bernstein prophezeien eine durch die generischen Medikamente ausgelösten Umsatzeinbruch, der je nach Firma bis 2015 zwischen 13% (Novartis) und 40% (AstraZeneca) ausmachen kann. Big-Pharma steht vor großen Aufgaben.

Jan Lundberg war als Pharmakologe lange in der universitären Wissenschaft tätig, heute ist er Leiter der globalen Forschungsprogramme bei AstraZeneca. Auf dem Podium der alljährlichen "Bio-Europe" sitzend weiß er: "Natürlich hat ein großes Unternehmen Probleme damit, einen Wirkstoff zu ersetzen, der jährlich 13 Milliarden Dollar einbrachte. Es muss 13 Wirkstoffe finden, die eine Milliarde einbringen, um den Traum eines steten Flusses von neuen Produkten zu erreichen." Und J.P. Garnier, CEO von GlaxoSmithKline, klagte im Februar 2007:

"Das ist ein Geschäft, in dem du alle 10 bis 12 Jahre deinen gesamten Warenbestand verlierst."

Das Grundproblem scheint zu sein: Nach wie vor konzentrieren sich die meisten Unternehmen auf die Entwicklung und Prüfung neuer Wirkstoffmoleküle, bevor sie ein klares Bild der pathologischen Zusammenhänge auf molekularer Ebene haben. Die heute gängige Suche nach neuen Medikamenten ist ein hochtechnisierter Vorgang, der bei näherer Betrachtung der Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleicht.

Zunächst einmal wird entweder ein Enzym, ein Rezeptor oder ein anderes Protein in einem Organismus identifiziert, das auf einen externen Stimulus reagiert. Dieses biologische Zielmolekül wird daraufhin mit verschiedenen Wirkstoff-Kandidaten "in vitro", also außerhalb des Körpers, beispielsweise in einem Reagenzglas angegangen, bevor die vielversprechendsten Substanzen in präklinischen Versuchen an lebenden Versuchstieren getestet werden. Scheinen die Ergebnisse dieser Versuche lohnend, wird ein Antrag für klinische Tests eingereicht. Um einen Eindruck von den Verhältnissen zu erhalten: Von 5000 im Screening-Verfahren entdeckten Kandidaten erhalten nur fünf die Genehmigung für klinische Tests am Menschen. Kostengünstige und schnelle Screening-Verfahren sind daher für die Pharmabranche wichtig. Eine Domäne der sogenannten Biotechnologie.

Evotec

Wer bei dem Wort "Biotech" an stahlgestützte, hochglänzende und von Rasen umsäumte Glasbauten denkt, der wird bei Evotec enttäuscht. Ein grauer Betonkasten im Hamburger Stadtteil Stellingen, Schwerlastverkehr vor der Tür, ein Schrottplatz in der Nähe, das Stadion des HSV nur einen Steinwurf entfernt. 1993 in Hamburg gegründet, begann die Firma Verfahren zur maschinellen Analyse chemischer und biologischer Substanzen zu entwickeln. Mitbegründer von Evotec war der Nobelpreisträger Manfred Eigen vom Göttinger Max-Planck-Institut. Man konzentrierte sich zunächst auf die Interaktion von einzelnen Molekülen, die mit Hilfe lasergestützter Detektionstechnologien analysiert wurden. Die ermüdende Arbeit eines Laboranten mit der Pipette sollte ersetzt und enorm beschleunigt werden. Früher entwickelten Chemiker einen Wirkstoff mit handhabbaren Flüssigkeiten in Reagenzgläsern, man setzte Testsubstanzen ein, um chemische Reaktionen zu prüfen. Aber je kleiner man im Volumen wurde, desto schwächer wurde auch das Signal, weil auch immer weniger Markierungssubstanz im Glas war. Mit den klassischen Systemen ließen sich im Mikroliterbereich keine brauchbaren Ergebnisse mehr erzielen, das Rauschen war zu groß geworden.

Diese kombinatorische Chemie führt innerhalb von wenigen Produktionszyklen zu Hunderttausenden von verschiedenen Molekülen. So entstanden riesige Substanzbibliotheken, noch immer aber begutachteten Pharmazeuten jedes Reagenzglas einzeln, um das Zusammenspiel der Ingredienzen zu beurteilen. Schnelle Testmaschinen mussten her. Das Know-how dazu war in Teilen in der Automobilindustrie vorhanden, viele Betriebe aus der heutigen pharmazeutischen Automatisierung haben ihren Ursprung in diesem Sektor.

Bei Evotec hatte man die Vision, eine eigene Wirkstoffforschung aufzubauen. Dafür war nun zunächst die technische Plattform gebaut worden. Die Hamburger Roboter mit ihren Laseraugen analysieren täglich bis zu 100.000 Proben in Miniaturgefäßen. Hochdurchsatz-Screening nennt man das im Fachjargon. Der Vorteil der entwickelten schnellen Systeme: Mit ihnen können nicht nur viele Substanzen, sondern auch viele Targets getestet werden. Der Markt ist klein, nur mit dem Verkauf der Maschinen lässt sich kein dauerhaftes Geschäfts etablieren, wie andere Firmen auch erweiterte man bei Evotec das Geschäftsmodell auf den gesamten Prozess der Wirkstoffforschung: Eine Chemikalie finden, optimieren und in kleinen Mengen produzieren.

Schlüsselloch

Dirk Ullmann, bei Evotec für die "Discovery Biology" zuständig, erklärt die Suche nach Wirkstoffen auf molekularer Ebene: Bei einigen Erkrankungen sei klar, was den Ausbruch verursacht. So ist beispielsweise bei Down-Syndrom bekannt, welches Gen und welches von diesem Gen expressierte Protein für den Ausbruch der Krankheit zuständig ist. Was aber fehlt, sei die räumliche Struktur dieses Proteins. "Man hat keine Angriffsfläche, weiß nicht, wo man mit einem Arzneimolekül andocken kann", sagt Ullmann.

Vorstellen kann man sich das wie beim Schlüssel-Schloss-Prinzip. Oft hat man eine ungefähr Idee, wie eine neue Substanz (Schlüssel) in das krankheitserregende Proteinmolekül (Schloss) passt. Das Screening hilft nun dabei, enorm viele Substanzen darauf zu kontrollieren, ob sie in das Schloss passen. Substanzen und Targets treffen im Hochdurchsatz-Screening also aufeinander. Für einen solchen außerhalb des Körpers überprüften Wirkstoff muss anschließend geklärt werden, wie die Substanz wahrscheinlich im Körper wirkt.

Die Mini-Roboter von Evotec fahren zunächst ihre Substanzbibliothek über das Target und verraten, ob eine Substanz gut oder schlecht an das Protein-Target bindet. Das Problem: Bringt man solche Moleküle zusammen, passiert für das menschliche Auge erst einmal nichts. Deshalb bedient man sich wiederum anderer Substanzen als Hilfsmittel, die bei Bindung der eigentlichen Testsubstanz an das Protein ein Signal aussenden. Das kann beispielsweise schwache Radioaktivität sein oder aber auch Fluoreszenz. Das Hochdurchsatzsystem testet die diversen Substanzen daraufhin, ob die Bindung zum Zielmolekül überhaupt vorhanden und im Idealfall sogar besonders stark ist. Dies ist ein so genannter Hit. Dabei lauern allerdings physikalische Fallstricke, denn was gemessen wird, ist nicht immer richtig. So genannte "falsch-positive" Treffer haben beispielsweise an der Markierungssubstanz und nicht am Target gebunden und senden gleichwohl ein Signal aus. Als "falsch-negative" Treffer bezeichnet man dagegen Hits, die nicht angezeigt werden, obwohl die Moleküle gebunden haben.

Im Idealfall hat man bei hunderttausend getesteten Substanzen eine Hit-Rate von einem Prozent. Nach dem ersten Screen sind Bestätigungsprozesse mit unterschiedlichen Substanzkonzentrationen nötig. Abschließend wird auf einem anderen Assay geprüft, ob das Markierungsmolekül nicht zu falschen Ergebnissen geführt hat.

Vom Reagenzglas in die Blutbahn

Wenn die Leitsubstanzen gefunden sind und auf ihre Eigenschaften untersucht werden beginnt ein langwieriges Verfahren der Optimierung. So vergehen Jahre, bis die Moleküle zum ersten Mal am Menschen getestet werden. Und selbst, wenn es soweit ist, testen diese ersten klinischen Studien nicht die die These der Wirksamkeit bei Krankheit, sondern erst einmal, wie die Moleküle sich im Körper verhalten. Durch immer schnellere Screening-Methoden ist der Bestimmungsvorgang zwar enorm schnell geworden, gleichzeitig hat sich aber herausgestellt, dass Wirkstoffe immer an mehrere Zielmoleküle andocken. Diese Polypharmakologie ist eine der molekularen Erklärungen für die viel zitierten Nebenwirkungen von Medikamenten.

Fünf bis sieben Jahre nach dem ersten Hochdurchsatzscreening vergehen, bevor in Phase II der klinischen Studien das erhoffte Grundprinzip der Substanz bestätigt wird. Und genau an diesem Zeitpunkt scheitern die meisten Kandidaten, die anderen sogar noch später, nämlich in Phase III. Einer McKinsey-Analyse von 73 in Phase III gescheiterten Wirkstoffkandidaten stellte fest, dass 31% durchfielen, weil sie unsicher und 50%, weil sie gegenüber Placebo ineffektiv waren.

Die Zeichen stehen also auf Sturm, Marktforscher und Analystenhäuser sind sich einig, dass Big-Pharma sein Geschäft gründlich umstrukturieren muss. Doch noch kennt niemand den genauen Innovationskatalog. Man hofft auf mehrere Entwicklungen, um die zukünftige Arzneimittelentwicklung effektiver zu gestalten, wieder mehr Umsatz zu generieren und - nebenbei - bessere Medikamente herzustellen.

  1. Um den Zulassungsprozess zu beschleunigen, sollen Pharmaindustrie und Arzneimittel-Regulierungsbehörden zukünftig enger zusammen arbeiten. Dabei soll in kleinen Studien zunächst mittels Computersimulation die voraussichtlichen Effekte des Wirkstoffs vorhergesagt werden. Ist die Behörde von der Eindeutigkeit der Studie überzeugt stellt sie einen zeitlich begrenzte Genehmigung für das Medikament aus, das in limitierter Auflage auf den Markt kommt und zunächst nur an wenigen Patienten angewandt wird. Mit steigender Evidenz weitet die Behörde dann die Genehmigung auf mehr Patienten aus. Ein solcher Prozessverlauf hätte neben der Reduzierung der Entwicklungskosten und früheren Markteinführung den Effekt, dass der Teilnahme an klinischen Versuchen zu Bestandteil der normalen Pharmako-Therapie würde. Noch ist unklar, ob sich die Regulierungsbehörden auf diese neue Art der Arzneimittelentwicklung einlassen. Bisher erstreckt sich der gute Wille von europäischer EMEA und us-amerikanischer FDA auf die schnelle Zulassung auf Arzneimittel für seltene Krankheiten, die sogenannten orphan-drugs.
  2. Beide Behörden haben bereits angedeutet sich zukünftig früher und deutlicher in den Entwicklungsprozess einzuschalten. Dabei geht es aber nicht nur um schnellere Zulassung von Medikamenten. Die Regulierer wollen noch mehr als heute darauf achten, dass Arzneimittel nicht nur sicher und effektiv sind, sondern auch gegenüber herkömmlichen Therapien nachweisbare Vorteile aufweisen können. Die EMEA sprach schon 2004 Vergleichsstudien eine wichtige Rolle zu. Ende 2006 rief die EU das Pharmaceutical Forum ins Leben. Dort will man unter anderem den Informationsaustausch über die Effektivität vergleichbarer Medikamente und deren Preisgestaltung fördern. Die FDA deutete im April 2007 an, dass sie es gerne sähe, wenn die Zulassung neuer Medikamente nicht durch die Existenz bestehender und sicherer Therapiealternativen ad absurdum geführt wird.
  3. Experten wie John Murphy von Goldman Sachs gehen davon aus, dass die Pharmabranche bis 2020 die Ergebnisse aller (!) ihrer klinischen Studien transparent darstellen müssen, seien diese nun positiv verlaufen oder eben nicht. Hierbei soll eine unabhängige Institution alle Informationen sammeln. Schon heute betreibt die EMEA mit EudraCT eine Datenbank, die als Grundlage für eine solche zukünftige Sammelstelle dienen könnte.
  4. Das Projekt BioDASH des World Wide Web Consortiums W3C soll als semantisches Web Wissenschaftler den nahtlosen Übergang zwischen fachübergreifenden Datenbanken ermöglichen. Dafür sind Standardformate nötig, Organisationen wie das CDISC (Clinical Data Interchange Standards Consortium) wollen dafür sorgen, dass Ergebnisse aus vergangenen und neuen Pharma-Studie weltweit zugänglich sind.
  5. Die personalisierte Medizin bietet ein weites Feld, manche Experten gehen davon aus, dass zunächst die Biomarker für ähnliche, aber individuell eben unterschiedlich ausgeprägte Krankheiten gefunden werden müssen, bevor nennenswerte Umsätze mit personalisierten Medikamenten erwirtschaftet werden können.
  6. Die Europäische Kommission und die EFPIA, ein Dachverband von 32 europäischen Pharmaverbänden und 43 Pharmaunternehmen, haben eine gemeinsame Initiative gegründet. Die Kooperation mit Namen IMI (Innovative Medicines Initiative) soll unter anderem neue Biomarker finden und testen.
  7. Durch die Verschärfung der finanziellen Rahmenbedingungen des Gesundheitssystem werden einige Patienten in der Lage und Willens sein, beträchtliche Summen für ihre Gesundheitspflege und die Therapie ihrer Krankheiten auszugeben, die Mehrzahl der Patienten wird sich eine solche Ausweitung der Fürsorge nicht leisten können. Die Pharmabranche wird noch mehr Geld ausgeben, um die wohlhabende Patientengruppe zu erreichen. Dazu kommt: Die Direktwerbung steht in keinem guten Ruf, umso mehr werden die Unternehmen die Chance nutzen, die sich durch die Verlagerung in der Gesundheitspolitik ergeben. Zukünftig wird es weniger um das Verwalten von Krankheit als das Fördern von Wellness gehen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Krankenkassen vermehrt diejenigen Mitglieder belohnen, die gesund leben und diejenigen benachteiligen, die einen ungesunden Lebensstil frönen; worin dieser auch immer begründet ist.
  8. Die Prävalenz für chronischen Krankheiten wie Diabetes und Demenz wächst. Gleichzeitig wächst der ökonomische Druck immer länger zu arbeiten, das Rentenalter wird, so viel lässt sich voraussagen, in vielen Ländern nach hinten verschoben werden. Eine für die Arzneimittelbranche gute Nachricht, denn der Wert der Therapie chronischer Krankheiten wird steigen.

Fazit

Zwei Phänomene bleiben ungeklärt. So ist die Analogie eines spezifischen Schlüssels (der Wirkstoff), der in ein Schloss (das Zielmolekül) passt, überholt. Um im Bild zu bleiben: Zum einen passen in ein Schloss immer mehrere Schlüssel, oft sind es sogar Hunderte. Zum anderen passt ein Schlüssel in diverse Schlösser. Die meisten Pharmaka verursachen ein breites Spektrum von Aktivitäten an verschiedenen Rezeptoren. Die traditionelle Sicht "Ein Wirkstoff – ein Target – eine Krankheit" hat die Strategien zur Wirkstoffentdeckung über die letzten Jahrzehnte geleitet. Nur scheint diese Sichtweise dem menschliche Körper nur bedingt gerecht zu werden. Ein Problem, dem die pharmazeutische Biotechnologie bisher nur durch immer schnellere Screening-Verfahren beizukommen versucht. Aber dies bringt den Erkenntnisgewinn für Entstehung und Heilung verschiedener Krankheiten kaum voran. Eine Gruppe von 17 internationalen Wissenschaftlern beklagte denn auch in der Zeitschrift Nature im März 2007, dass trotz der Fortschritte in der Neurowissenschaft keine progressiven medikamentösen Therapieformen für Krankheiten wie Depression und Schizophrenie entwickelt werden konnten. Die Medikamente würden bestenfalls die Symptome lindern. Eine Besserung dieses Umstands sei nicht in Sicht.

Zum anderen bewegt sich selbst die progressive Arzneimittelforschung auf streng biologischen Bahnen. Es ist bemerkenswert, dass die Pharmakologie als "Life Science" wenig Mühen darauf verwendet, das überkommene Bild des Menschen als Maschine zu überwinden. In einer ersten Isolierung behält die pharmazeutische Biotechnologie die Trennung von Geist und Körper aufrecht. Das Wechselspiel zwischen Geist und Körper, zwischen der physio-chemischen Ebene und der Ebene der Bedeutungserteilung durch den Patienten bleibt in der pharmazeutisch-medizinischen Wissenschaft unberücksichtigt. Der Placebo-Effekt ist ein allzu deutliches Zeichen der Relevanz dieser Bedeutungserteilung. Umgekehrt werden auch zukünftig noch so ausgefeilte Medikamente ihre Wirkung nicht probat entfalten, wenn psychische Verfasstheit und Geschichte des Menschen nicht ernst genommen werden, der dieses Medikament einnimmt. Dies führt zur einer weiteren Isolierung, nämlich der Abkopplung des Patienten von seiner Umwelt. Es existieren nur zaghafte Versuche seitens der modernen Biotechnologie, das ohnehin schon komplexe System Mensch in seinen Abhängigkeiten von der sozialen und natürlichen Umwelt zu sehen. Sicher ist auch medikamentöse und gentherapeutische Linderung psychischer und psychoneuronaler Probleme ohne das Berücksichtigen dieser Zusammenhänge möglich. Nur werden dann weiterhin eher die Symptome als die Ursachen im Vordergrund stehen.

Phasen der Entwicklung eines Medikaments

  1. Targetsuche Es wird ein Angriffspunkt (Target) im Krankheitsgeschehen ermittelt. Dies kann ein Molekül in den Körperzellen oder im Blut sein, an dem ein Arzneimittel ansetzen und so den Krankheitsverlauf beeinflussen kann.
  2. Suche nach Ausgangssubstanzen Beim Screening werden bis zu 2 Millionen Substanzen mit den Targetmolekülen zusammengebracht. Diejenigen Substanzen, die auf das Target eine Wirkung zeigen, werden Hits genannt und genauer untersucht.
  3. Prüfung von Wirkung und Verträglichkeit

Ist eine aussichtsreiche Substanz synthetisiert worden, wird diese auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hinsichtlich Toxizität getestet. Dazu werden neben Zellkulturen auch Tiere eingesetzt. Substanzen, die sich hier bewähren, kommen als Wirkstoffkandidat in Betracht.

  1. Phase I: Studien mit wenigen Gesunden Nun wird der Wirkstoff am Menschen erprobt. Dazu wird bei (10 bis 30) gesunden Freiwilligen geprüft, wie sich geringe Mengen des Wirkstoffkandidaten im Körper verhalten und ab welcher Konzentration sie beginnen, Nebenwirkungen zu verursachen.
  2. Phase II: Studien mit wenigen Kranken Erstmals wird der Wirkstoffkandidat an kranken Menschen erprobt. Typischerweise 100 bis 500 Patienten erhalten das neue Medikament. Wirksamkeit, Verträglichkeit und Dosierung werden geprüft.
  3. Phase III: Studien mit vielen Patienten Das Arzneimittel wird bei 100 bis mehreren 1000 Patienten eingesetzt. Untersucht werden Wirksamkeit, Verträglichkeit und mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.
  4. Phase IV: Präklinik Ist das Medikament durch die Zulassungsstelle genehmigt worden, kann es verordnet werden. Patienten, Ärzte, Hersteller und Behörden achten auf auftretende Nebenwirkungen und Langzeitfolgen. Die Gebrauchsinformationen werden aktualisiert.