300 Spartaner im Jesus Camp

Heilsbringer im "300"-Sequel: "Die Chroniken von Narnia: Prinz Kaspian von Narnia"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es ist ein Sohn geboren, im Hause des Usurpators Fürst Miraz. Höchste Zeit, den rechtmäßigen Thronfolger und Namenspatron des Films zu beseitigen, ganz wie es einst König Herodes mit dem prophezeiten König der Juden vorhatte. Was Miraz Herodes voraushat: Er kennt seinen Konkurrenten namentlich und muss nicht auf Genozid zurückgreifen. Noch nicht.

Es sieht momentan nicht rosig aus für eine Fortsetzung von "Der goldene Kompass", bzw. für eine Verfilmung des zweiten und dritten Buches aus Philip Pullmans „His Dark Materials“-Trilogie. Obwohl der erste Film die harsche Kirchenkritik der Buchvorlage ja bereits stark abgemildert hatte, stieß er dennoch auf heftigen katholischen Gegenwind. Die Folge: In Amerika geriet der „goldene Kompass“ zum relativen Flop, die Realisierung der Fortsetzungen oder auch nur des von Regisseur Chris Weitz dringend gewünschten Director’s Cut stehen in den Sternen. „Prinz Kaspian“ wird zumindest ersteres Schicksal gewiss nicht ereilen.

Entsprach „The Lion, the Witch and the Wardrobe“ noch einem alten Testament des “Narnia“-Universums, so ist “Prinz Kaspian” sein neues Testament. Zuerst ging es primär um den Gottlöwen Aslan, der starb, wieder auferstand, und dann die Welt rettete. Die neue Heilsgestalt ist jetzt ein Mensch, und auch wenn er nicht sterben und auferstehen muss, so muss er doch allen Versuchungen widerstehen und erst zum frommen Mann werden, bevor er auch die Welt retten kann.

Kaspian durchläuft dabei so etwas wie die letzten Versuchungen Christi. Zuerst steht die Emanzipation von seiner weltlichen Herkunft: Kaspian flieht aus dem Schloss seines (inzwischen verstorbenen aber diffus als gütig charakterisierten) Vaters, und findet sich fortan von „seinem Volk“ verfolgt. Als nächstes steht die Neueingliederung in die Schöpfung, die Erkenntnis, dass auch Tiere Aslans Geschöpfe sind, mit Charakter und Seele. Aber: „Treat them like dumb animals long enough, then that’s what they become.” Sogar der Bund mit dem Teufel – die weiße Hexe aus dem ersten Film – muss Kaspian erst ausgeredet werden, von den „Königen von einst“, den vier Kindern, die sich vor dem zweiten Weltkrieg mal wieder nach Narnia geflüchtet haben. Die größte Prüfung aber: Kaspian muss sich zum Glauben bekennen, zum Glauben an Aslan, den übermächtigen deus ex machina des Narnia-Universums. Aslan, die große Gott-Allegorie in Gestalt eines prächtigen CGI-Löwen, der ausgerechnet mit Jedi-Meister Liam Neesons sonorer Stimme verkünden darf, dass man nur seinem Glauben vertrauen müsse, um jedes Hindernis zu überwinden.

Das alles ist gar nicht so schlimm. Ist man ehrlich, rührt die ganze Kritik an dieser plumpen Abfeierung konservativster Bibel-Exegese eher aus persönlicher Abneigung gegen die vermittelten kirchlichen Dogmen, als aus tatsächlich dem Film anzulastenden Schwächen. „Prinz Kaspian“ ist ein Agenda-Film, daran besteht kein Zweifel, und offensichtlicher kann er sich als solcher auch nicht mehr zeigen. Seine diesbezügliche Ehrlichkeit – im Gegensatz zum Vorgänger, der noch durchaus subtiler vorging – müsste man Regisseur Andrew Adamson sogar hoch anrechnen. Doch ist „Prinz Kaspian“ wirklich die ehrliche Bibelstunde, als die er sich präsentiert?

Der Film zeichnet einen Krieg, und einen Glaubenskrieg obendrein: Die Telmarines mit ihrem Anführer, (inzwischen) König Miraz, sind vielleicht Atheisten, wenigstens aber klare Gegner der Aslan-Gläubigen. Die alte Bevölkerung Narnias – die sprechenden Tiere und Pflanzen ebenso wie die vorherrschende Menschenrasse der blondblauäugigen „Northerners“ - ist fast vollständig Opfer ihres Genozids geworden, die Telmarines sind Okkupanten, und zwar Okkupanten von Aslans heiligem Land (aus dem sie eben dieser erst wieder herauswirft, nachdem die Überreste „seines Volkes“ zum Glauben an ihn zurückgefunden haben). Der Pathos, der die geschätzt 300 verbliebenen Heimatverteidiger antreibt, ist derselbe, der schon die gleiche Anzahl wackerer Spartaner hilflos ideologiekritischen Interpretationen auslieferte. Und die Gegenseite besteht nur aus dunkelhaarigen und -häutigen Südländern, die in ihren orientalisch aussehenden Rüstungen mit einem Akzent Befehle brüllen, der an den von Arabern erinnert. Kaspian stammt aus ihrer Mitte, und erst als er erkennt, dass sein früheres Volk fehlgeleitet, dekadent und seiner alten Glaubensgrundsätze entfremdet ist, kann er sein neues Volk erfolgreich gegen die Feinde einen. Die Schlacht ist freilich trotzdem aussichtslos, nur anders als in „300“ eilt den tapferen aber unterlegenen Kriegern in diesem Beinahe-Sequel schließlich Aslan selbst zu Hilfe - Telmariner als Juden, Araber, oder überhaupt als Gegner einer christlich-konservativen Wertegesellschaft, und Gott selbst wird sie dereinst richten.

Es ist keineswegs so, dass der hyperkitschige Pathos von „Prinz Kaspian“ nicht zu ertragen wäre. Ist man sich seiner Überzogenheit erst einmal bewusst – das gleiche galt ja bereits für den erwähnten Spartaner-Film -, so steht er der Immersion in das Geschehen auch nicht im Weg. Als Spektakel funktioniert auch dieser zweite Narnia-Film ganz hervorragend. Aber: dass „Prinz Kaspian“ mehr ist, dass der Film auch erziehen will, ist offensichtlich, schon bedingt durch seine junge Zielgruppe. Hinter dem offensichtlichen Bibelpädagogik-Subtext verbergen sich Politpropaganda und Kriegsdurchhalteparolen. Ein Kinderfilm als Rekrutierungsvideo. Die christliche Rechte braucht Nachwuchs.