Billige Buschtrommel

Wie mit Mobiltelefonen kostenlos kommuniziert werden kann

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Während es in Westeuropa der Normalfall ist, dass Mobiltelefongesellschaften ihre Kunden mit Tricks in höhere Kostengefilde locken, als die Angebote suggerieren, gibt es in Entwicklungs- und Schwellenländern auch einen Gegentrend. Dort nutzen findige Verbraucher Funktionen von Mobiltelefonen anders als in der von Herstellern und Providern geplanten Weise und kommunizieren so mit weitaus geringeren Kosten.

Dabei ist das Ziel eines Anrufs nicht, dass der Angerufene abhebt und man gebührenpflichtig mit ihm spricht, sondern, dass er bereits am Klingeln erkennt, wer der Anrufer ist und was er will. Bei der einfachsten Form dieser kostensparenden Kommunikation bedeutet einmal Klingeln, dass der Anrufer zurückgerufen, zweimal dagegen, dass er abgeholt werden will. Einigen sich zwei oder mehr Personen auf ein Klingelton-Kommunikationssystem, dann sind der Komplexität kaum Grenzen gesetzt: Selbst eine Art Morsen wird dann möglich.

Besonders verbreitet ist dieses Phänomen in Afrika: Der Mobiltelefonmarkt wächst dort doppelt so schnell wie der Weltmarkt. Die Internationale Union für Telekommunikation (ITU) schätzte, dass Ende 2007 über 270 Millionen Mobiltelefone auf dem Kontinent in Umlauf waren. Bei einer Gesamteinwohnerzahl zwischen 900 Millionen und einer Milliarde müsste also im Durchschnitt mindestens jeder Vierte über ein solches Gerät verfügen.

Selbst wenn man diese Zahlen anzweifelt, ergibt sich in den letzten Jahren doch ein relativ einheitliches Bild einer Verbreitung der Mobiltelefonie auch bei Personen, die von weniger als einem Dollar am Tag leben. Die in Afrika tätigen Mobilfunkanbieter schätzen, dass ein großer Teil der mit den Geräten getätigten Kommunikation geschieht, ohne dass dabei Geld in ihre Kassen fließt: Der kuwaitische Provider Zain etwa bezifferte den Anteil solcher Gespräche am gesamten Mobiltelekommunikationsaufkommen im Sudan auf ungefähr ein Viertel.

In den Ländern Afrikas, in denen Englisch die Verkehrssprache ist, nennt man die Methode "Beeping", in frankophonen Gegenden spricht man von "Bipage". In Äthiopien, das nie Kolonie war, hat sich "Miskin" dafür eingebürgert, vom amharischen Wort für "arm". Aber auch in anderen Weltgegenden fand das Verfahren Verbreitung: In Süd- und Mittelamerika spricht man von "Llamadas pérdidas", in Indien von "Missed Calls" und in Indonesien von "Mamancing". Damit die Methode auf fruchtbaren Boden fällt, scheint allerdings ein gewisser finanzieller Druck Voraussetzung. Unter europäischen und amerikanischen Teenagern wird sie kaum angewendet - dort hat sich stattdessen die teuerste Form der Kommunikation durchgesetzt: Die SMS.

Versuche von Mobilfunkbetreibern, ihre Drittweltkunden von der kostensparenden Kommunikation abzubringen, verliefen bisher relativ erfolglos: Vodafone etwa versuchte mit dem für ein Fünftel des SMS-Preises angebotenen Dienst "Rappelez-moi SVP" die Kongolesen zum kostenpflichtigen Beepen zu bewegen – mit erwartbar geringem Erfolg.

Für die Guthaben auf den Prepaidkarten, die man durch das Kommunizieren mit Klingentönen sparte, fand man in Afrika und Südasien schnell eine andere Verwendung. Geburtshelfer dieses Phänomens war der Telekommunikationsanbieter MTN, der ein Versenden solcher Guthaben erlaubte. Was als bloße Möglichkeit gedacht war, Leuten das Telefonieren auf Kosten ihrer Freunde und Verwandten zu ermöglichen, entwickelte sich zu einem Ersatz für Bankkonten und Überweisungen, der über Dienste wie Wizzit mittlerweile auch als solcher vermarktet wird.