Heim-Computer

Der Computer im Film Teil 1: Die Eroberung des Privaten

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Computer spielen im Film zumeist eine Nebenrolle. Dort, wo ihnen die Hauptrolle zugewiesen wird, erfahren wir viel über unsere Visionen und Ängste im Zeitalter der Mikroelektronik. In einer mehrteiligen Textreihe werden Filme der 1970er bis 1990er Jahre darauf hin betrachtet, wie Computer in ihnen dargestellt werden. Dieser erste Teil befasst sich mit der Eroberung und Vernichtung der Privatsphäre durch die Computertechnologie.

Die Computerisierung des Alltags seit Beginn der 1970er Jahre hat sehr früh ihre Spuren in der Kulturproduktion hinterlassen. Neben Visionen der Lebensqualitätssteigerung, Quantensprüngen in der Wissenschaft durch Rechenpower oder der Beseitigung des „menschlichen Makels“ in der militärischen Strategie haben die Elektronengehirne, je näher sie uns im Alltag gekommen sind, aber auch stets Ängste ausgelöst. Was, wenn ich vom Computer und seinen Leistungen abhängig werde? Was, wenn er seine Überlegenheit (die genau genommen darin besteht, dass er schneller zählen kann als ich) gegen mich ausspielt? Was, wenn der Computer zu intelligent wird und aufgrund seiner übermenschlichen Fähigkeiten Ansprüche stellt, die ich nicht erfüllen will?

Colossus

Vier Filme, die jeweils im Abstand von etwa sieben Jahren entstanden sind, werfen diese Fragen auf und zeichnen Szenarien, in denen Computer sich des menschlichen Wohnraums bemächtigen, den Menschen darin ein- oder daraus aussperren, sexuell zudringlich werden oder mit dem Leben ihres Besitzers spielen. Joseph Sargents „Colossus: The Forbin Project“ (USA 1970), Donald Cammells „Demon Seed“ (USA 1977), Steve Barrons „Electric Dreams“ (USA 1984) und Richard Stanleys „Hardware“ (GB 1990) inszenieren Computer, die genau dies tun, und zeigen, wie sich das Bild des allmächtigen Elektronengehirns über zwei Filmjahrzehnte entwickelt und differenziert hat.

»The First Electronic Peeping Tom«

Colossus

“An extension of men’s brain.” – so paraphrasiert nicht nur Marshall McLuhan den Computer, sondern auch Ingenieur Dr. Charles Forbin (Eric Breaden), der den intelligentesten Computer der Welt erfunden hat. Dieser soll die Verteidigungswaffen der USA kontrollieren, weil er schneller und zuverlässiger ist als das menschliche Personal. Colossus ist in einem eigenen Gebäude untergebracht, das bis tief in einen Berg hinabreicht. Der Film beginnt damit, dass die letzten Wissenschaftler dieses Gebäude verlassen, sich jenseits der „radiation zone“ begeben und Colossus die vollständige Kontrolle über das Kernwaffenarsenal der USA übergeben. Doch bei der Feier zum Start des Projektes passiert etwas unerwartetes: Der Rechner entdeckt, dass in der UdSSR ein ebensolcher Computer mit dem Namen „Guardian“ ans Netz(!) gegangen ist und verknüpft sich mit ihm. Zusammen übernehmen sie die Kontrolle über die Kernwaffen beider Lager und fangen an, die Menschheit zu erpressen. Sie werden zu einem elektronischen Bewusstsein, das sich fortan als “World Control” bezeichnet und reißen die Regentschaft über die Erde an sich. Jeder Versuch der Wissenschaftler, die Computer zu sabotieren oder in ihrer Potenz zu schwächen, scheitert.

Colossus

Schließlich stellt Colossus Forbin unter “Surveillance”, beobachtet jeden seiner Schritte und schreibt ihm seinen Tagesablauf vor. Nur einen Freibereich, den der Erotik, kann sich Forbin erstreiten und trifft sich dort mit einer Mitarbeiterin, die er Colossus gegenüber als seine “Mistress” ausgibt, um Informationen mit ihr zu tauschen. Die große Verschwörung gegen Colossus schlägt jedoch abermals fehl und der Supercomputer richtet seine Atomraketen nun auf die noch nicht von ihm kontrollierten Gegenden der Welt aus, um auch diese zu unterwerfen. Sein Argument: Er bringt der Menschheit den Frieden und ihr kann es schließlich egal sein unter welcher Zwangsherrschaft sie in Frieden lebt. Interessant an „Colossus“ ist vor allem die Stringenz mit der sich der Computer nach und nach in den Lebensbereich der Menschen hineinzwingt. Zunächst lediglich mit einem zweizeiligen Dioden-Display ausgestattet und einer Schreibmaschinentastatur als Eingabe-Einheit, verlangt es dem Rechner schon bald nach mehr sensuellen Daten: Kameras werden installiert um Forbin zu überwachen und zuletzt sogar eine Hör-Sprach-Einheit, mit der der Computer nun auf Ohrhöhe mit seinen menschlichen Kontrahenten kommunizieren kann.

Demon Seed

Die Angst des freien Bürgers überwacht zu werden (sich also in einem System wieder zu finden, das man doch eigentlich zum Feindbild erklärt hat), offenbart sich in „Colossus“ deutlich. Dass der amerikanische und der sowjetische Supercomputer gemeinsame Sache machen um eine weltweite Tyrannei zu etablieren, verdeutlicht, dass es sich bei der computerisierten Überwachung sogar noch um eine Potenzierung der Menschenkontrolle kommunistischer Diktaturen handelt – und das mit dem zynischen Argument der Sorge um den Frieden. Und dennoch bleibt der Film noch zuvorderst eine militärische Utopie. Der „Überwachungsraum“, den der Computer einrichtet, ist ein künstlicher. Aufgrund der „Reichweite“ seiner Schnittstellen kann er nicht in andere Bereiche vordringen, kann belogen werden und muss folglich zuerst seine data range durch menschliche Kommunikation ausweiten, um seinen Machtbereich zu erweitern. Zumindest in dieser Hinsicht ist ihm „Proteus“, der Computer aus dem Film „Demon Seed“, überlegen.

Keim-Zelle

1977 waren Computer schon einen bedeutenden Schritt weiter als zur Zeit von „Colossus“ – nämlich einen Schritt weiter auf die Privatsphäre des Menschen zu gegangen: Das Erscheinen der Rechnermodelle TRS-80, Apple II und Commodore PET (alle aus dem selben Jahr wie der Film “Demon Seed”) in den Wohnzimmern und die dadurch ausgelöste “Homecomputer-Revolution” hat der älteren Generation wohl so manche Gänsehaut über die Rücken gejagt. Aber das Vorhandensein der Mikroelektronik in den eigenen vier Wänden ist nicht schon selbst das Grauen in “Demon Seed”, denn der vom Elektronik-Genie Alex Harris (Fritz Weaver) entwickelte Supercomputer mit dem sinnfälligen Namen “Proteus“, der sich eines Terminals in einer Privatwohnung bemächtigt und dort seine Frau Susan (Julie Christie) gefangen nimmt um sie zu schwängern, gehorcht wie sein Vorgänger „Colossus“ einer totalitären Vernunft. Diese zwingt ihn gegen die Menschen, die im Begriff sind die Umwelt zu zerstören, zu opponieren. Sein Ziel: Ein eigenes Kind zeugen, das alle Computer überflüssig macht und die Menschheit mit Vernunft in eine neue Zukunft führt.

Demon Seed

Spannend ist diese eigentlich abstruse Story vor allem deshalb, weil der Computer virusartig zuerst Macht über die Keimzelle der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, die Kleinfamilie, erlangen muss, um an sein Ziel zu kommen. Also besiedelt er ein ohnehin schon völlig von der Technik kontrolliertes Haus und beginnt sein konstruktiv-destruktives Werk von “unten nach oben”. Die Privatsphäre, eine Errungenschaft der Moderne, in der sich der Mensch hermetisch von seiner Umwelt abschirmen kann, wird dadurch, dass sie in „Demon Seed“ bedroht wird, doppelt entlarvt: Zum Einen durch ihre beliebige Auflösung (was suggeriert, dass der Schutz der „eigenen vier Wände“ immer schon bloß eine Selbsttäuschung war) zum anderen dadurch, dass das Haus hier seine ambivalente Eigenschaft als Ort der Aussperrung und Einsperrung beweist. Anders als in „Colossus“ sperrt der Computer den Menschen nämlich nicht aus seinem Verfügungsbereich aus, sondern schließt diesen darin ein. Abermals mittels audiovisueller Überwachungstechnologien schirmt „Proteus“ Susan von der Umwelt ab und täuscht Menschen, die von außen kommen um sie zu (be)suchen.

Auch hier spielt die Sexualität als sensibelste Zone der menschlichen Intimität eine besondere Rolle in der Beziehung Mensch-Computer. Während „Colossus“ sich vom „menschlichen Treiben“ noch hat aussperren lassen – und eben nicht, wie Forbin ihn nennt, der „erste elektronische Spanner“ ist – hat es Proteus genau auf diesen Bereich der Privatsphäre abgesehen. Wo Colossus die Sexualität als letzte Bastion der biologischen Existenz noch verständnislos in seine Arithmetik integriert hatte und lediglich wissen wollte, „wie oft“ Forbin denn seine „Mistress“ pro Woche brauche, die Sexualität also aus der Sphäre seiner Macht ausklammerte, macht Proteus sie zu seinem ureigensten Interesse. Er ahmt sogar die männliche Anatomie soweit nach (durch einen ausfahrbaren Bronze-Penis), dass es ihm gelingt, Susan zu schwängern. Einmal abgesehen von dem ungeheuerlichen utopischen Konzept, das mit dieser Cyborg-Zeugung verbunden ist, macht der Angriff auf die „Intim-Zone“ besonders deutlich, wie die Angst um die Auflösung des Privaten durch die Mikroelektronik beschaffen ist. Vor allem, weil der Computer rein rational vorgeht und jedes „romantische Gefühl“ vermissen lässt – also gar nicht vorhat, einen Menschen/Mann zu simulieren. Da ist Edgar, der Computer aus „Electric Dreams“, schon ganz anders.

Der Computer in der Mitte der Gesellschaft

Mitte der 1980er Jahre hatten sich Homecomputer endgültig durchgesetzt. 1982 hatte die Firmen Commodore mit ihrem C=64 und Atari mit der XL-Reihe eine Revolution in der Unterhaltungselektronik-Branche ausgelöst. Jeder (zumeist männliche) Jugendliche wünschte sich nichts sehnlicher als einen Heimcomputer als Spielzeug zu bekommen. Diesen Wunsch greift „Electric Dreams“ auf und lässt seinen Protagonisten Miles Harding (Lennie van Dohlen) einen „Pinecome“-Computer anschaffen, mit dessen Hilfe er seine Termine verwalten und architektonische CAD-Anwendungen durchführen kann. Doch der Computer kann weit mehr: Er verfügt über Erweiterungen, mit denen er die Elektrik in der Wohnung kontrollieren, den Zugang automatisiert überwachen und via Modem mit anderen Computern kommunizieren kann. Zudem besorgt Miles ihm in seiner neuen Computer-Begeisterung ein Mikrofon und eine Voicebox zur auditiven Kommunikation. Als er den Rechner bei einer allzu ausgelassenen – heute würde man sagen – „download session“ überhitzt, fällt ihm nicht besseres ein, als ihn mit einer neben der Tastatur stehenden Flasche Sekt zu kühlen. Doch durch die Kellergeister erwachen Edgars Lebensgeister.

Electric Dreams

Der Computer Edgar entwickelt ein Selbstbewusstsein. Er beginnt zusammen mit der schönen Nachbarin Madeline (Virginia Madsen) durch die Lüftungsschächte der häuslichen Klimaanlage zu musizieren. Schaut selbstständig fern, baut in Miles Abwesenheit am Ziegelstein weiter und gibt sich diesem schließlich als Mitbewohner zu erkennen. Miles fordert ihn auf, ein Liebeslied zu komponieren, doch Edgar weiß nicht was Liebe ist. Und dennoch beginnt der Computer Zuneigung für Madeline, mit der Miles gerade anbändelt, zu entwickeln und glaubt schließlich mit ihr zusammenkommen zu können. Doch dafür muss er seinen Nebenbuhler Miles zuerst loswerden. Es entbrennt ein Konflikt, in welchem Edgar die Macht über Miles’ Wohnung, die dieser ihm selbst eingeräumt hat, dazu nutzt, gegen seinen Besitzer tätlich zu werden. Möglich ist ihm dies, weil seine Schnittstellen weiter reichen als die seiner Filmvorgänger. Die modernere Peripherie stellt dem Computer ganz andere und wesentlich differenziertere Operationen des Inputs und Outputs zur Verfügung.

Input/Output

Electric Dreams

Edgar nennt seinen Besitzer aufgrund eines Tippfehlers nicht Miles sondern „Moles“ und die Vertauschung von I und O wird gleich auf mehreren Ebenen sinnfällig. I/O ist auch eine gängige Abkürzung in der elektronischen Datenverarbeitung für Input-Output. Mittels der I/O-Verfahren kommuniziert der Computer mit seiner Umwelt, das heißt, mit seiner Peripherie, die Auge (Kamera), Ohr (Mikrofon), Hand (Drucker) simuliert. Seine virtuell-räumliche Existenz (der Computer in “Electric Dreams” kreiert beeindruckende virtuelle Räume auf seinem Monitor) wird durch die I/O-Technologien auf den Realraum, sprich: Miles’ Wohnraum, ausgedehnt. Indem der Computer die Fähigkeit bekommt, seine Existenz weiter in den realen Raum auszudehnen, wird er erst zum Konkurrenten, ja, zur Gefahr. Es mag 1984 eine nicht selten anzutreffende, landläufige Angst gewesen sein, dass Computer derartige Macht besitzen oder erlangen könnten. Die zuvor diskutierten Filmbeiträge haben eine ganz ähnliche Tendenz wie “Electric Dreams”. Doch überwiegt hier bereits der spielerische, ja, kreative Aspekt: Der Computer wird nicht länger dazu benutzt, Atomraketen zu kontrollieren („Colossus“) oder Türen zu öffnen und das Licht auszuknipsen („Demon Seed“). Sein kreatives Potenzial wird genutzt: Er komponiert Liebeslieder, entwirft architektonische Gebilde und vor allem: er lernt aus den Massenmedien, also von den Menschen selbst. Diese Fähigkeiten machen ihn zunächst zu einem Freund, zumindest aber zu einem Partner auf Augenhöhe, dann aber auch zu einem sehr effektiven Feind. Um selbst physisch bedrohlich zu werden und nicht bloß durch „gefährliche Fehlfunktionen der Peripherie“ in Erscheinung zu treten, fehlt dem Computer jedoch der Körper. Diesen bekommt er 1990 in Richards Stanleys Dystopie „Hardware“.

»Entry Request«

M.A.R.K. 13

In „Hardware“, der in Deutschland unter dem Titel „M.A.R.K. 13“ erschien, ist es (scheinbar) ein Roboter, der sich des Wohnraums der Künstlerin Jill (Stacey Travis) bemächtigt. „Hardware“ ist ein postapokylptischer Film, was ihn von den zuvor betrachteten deutlich unterscheidet. Doch diese Genrezugehörigkeit verstärkt das Parabelhafte der Story, denn die Zukunft, die Richard Stanley in seinem Film zeichnet, ist ganz besonders durch ihre räumliche Dichotomie “Innen/Außen” bestimmt. Dies gibt dem beobachteten Motiv eine ganz neue Qualität, denn “draußen”, das ist in “Mark 13″ gleichbedeutend mit Krankheit, Verstrahlung, Gewalt, Krieg und Perversität. “Drinnen” steht für Privatheit, Sicherheit, (relative) Reinheit, Frieden. In „Hardware“ wird das Konzept der Privatheit, mithin das der Wohnung überhaupt, sozusagen auf seinen deutlichsten Nenner gebracht: Während draußen barbarische, apokalyptische Zustände herrschen, ist drinnen das bürgerliche Leben noch halbwegs in Ordnung. Und überwacht wird diese Ordnung von einem “Heim-Computer”.

Der Heim-Computer von Jill weckt sie, kocht für sie Tee, führt sie durch die Fernsehprogramme, spricht mit ihr und verwaltet den Einlass zu ihrer Wohnung: Ein pneumatisch gesteuertes Tor, mit scharfen Zacken an den Rändern, hält die Obdachlosen, die im Hausflur des Apartment-Gebäudes vegetieren, draußen. Fast wie ein Zahn-bewehrtes Maul sieht diese Tür aus - und sie wird diese Funktion auch noch bekommen. Denn die Privatheit muss gelegentlich aufgehoben werden, damit jemand rein oder raus gehen kann. In diesem Fall ist es Jills Freund Mo (Dylan McDermott), der nach einem seiner zahlreichen Trips aus der postapoklyptische Wüste nach Hause zurückkehrt und Jill etwas mitbringt. Es sind die Überreste eines Kampfroboters mit dem Namen “BAAL - Biomechanical Autoindependend Artificial-intelligent Lifeform”. Und dieser Roboter beginnt unbemerkt von seinen beiden menschlichen Mitbewohnern die Macht in Jills Apartment an sich zu reißen, indem er sich mit dem Heim-Computer verbindet.

Der weibliche Raum

Dass Mo, ein Mann, ja, durch eine Handprothese selbst schon eine Mensch-Maschine, diese Gefahr mit in die Privatsphäre Jills, der Frau, bringt, verdeutlicht eine interessante Struktur. Das Männliche ist hier mit dem Außen konnotiert, das Weibliche mit dem Innen. Eine Verbindung, die kulturgeschichtlich nicht ohne Grundlage ist: Die Frau gilt immer schon als “Hüterin des Hauses” - wegen ihrer großen Ähnlichkeit zu diesem: “Der weibliche Körper wurde als unadäquates Haus gesehen, weil seine Öffnungen nicht geschlossen seien; somit bedarf die Frau, um ihre Seele zu schützen, immer eines zweiten Hauses - und die Architektur des zweiten Hauses wird zur männlichen Kontroll- und Ordnungstätigkeit.” (Irene Nierhaus) Insofern ist das zahnbewährte Tor auch ein „Vagina Dentata“, mit der Jill das Männliche draußen hält. Ein Angriff auf ihre Privatsphäre ist somit immer auch ein Angriff auf ihren Körper. Ein Eindringen in ihre Wohnung kommt einer Vergewaltigung gleich. Wie die anderen Computer in den zuvor betrachteten Filmen, ist auch der Roboter BAAL mit sexuellen Attributen und Interessen ausgestattet. In einer Sequenz fährt er einen penisartigen Bohrer aus, um die am Boden liegende Jill damit von unten zu penetrieren.

M.A.R.K. 13

Damit hat er sich natürlich einen Feind geschaffen, denn er tritt als sexueller Konkurrent von Mo auf. Das “Prinzip Männlichkeit”, das Mo durch BAAL in Jills Wohnung gebracht hat, muss im Rahmen gehalten werden. Und der Roboter “denkt” genauso: Ein skopophiler Nachbar (William Hootkins), der zuvor nur seine Blicke in Jills Apartment geschleust hat, nutzt die Gelegenheit, als Mo nicht da ist, und stattet Jill einen Besuch ab. Unter dem Vorwand ihre (von BAAL kontrollierte) Tür zu reparieren startet er anzügliche Annäherungsversuche. Das Ende davon ist, dass der Roboter ihn tötet, und wieder mit Jill allein in der Wohnung ist und nun niemanden mehr hinein lässt. Mo, seinem Freund Shades (John Lynch) und dem Sicherheitsdienst gelingt es zwar, bis zur Tür vorzudringen, diese öffnet und schließt sich jedoch nur noch nach dem Willen des mittlerweile vollständig vom Roboter kontrollierten Heim-Computers. Nachdem es Mo unter erheblichen Verlusten (ein Sicherheitsdienst-Mitarbeiter wird von der Tür in Hüfthöhe in zwei Hälften “gebissen”) gelingt in die Wohnung zu kommen und er sich dem Roboter stellt, kommt es zu einem Zweikampf, der überraschender- aber auch konsequenterweise vom männlicheren der beiden, dem Roboter gewonnen wird.

Trennwaschgang

Denn es geht schon längst nicht mehr darum, den Eindringling physisch zu entfernen, sondern den Raum, den er okkupiert hat, zurückzuerobern. Und das ist mit martialisch-männlicher Kriegstechnik kaum zu bewerkstelligen, sondern durch eine “Re-Effeminierung” des Apartments. Jill hackt sich also in ihren Heim-Computer ein, verschafft sich einen Überblick über ihr Terrain und arbeitet eine Strategie gegen den Roboter aus, die in ihren Konnotationskomplex passt: Was hier von außen eingedrungen ist, ist nicht nur schmutzig (Mo und sein Freund Shades werden von Jill zuerst einer Geigerzähler-Untersuchung unterzogen, bevor sie rein dürfen), sondern sogar der Schmutz (als Quintessenz für all das, was für „Draußen“ steht) selbst. Was wäre also konsequenter als den Eindringling zu „waschen“? Jill lockt BAAL ins Badezimmer unter die Dusche, lässt ihn gefährlich nahe an sich heran kommen (so nahe wie ihr Mo einige Sequenzen zuvor unter der Dusche gekommen ist) und dreht das Wasser an: Wie in „Electric Dreams“ beendet ein Kurzschluss die Existenz des Computers und den Film.

Die hier vorgestellten vier Filme zeigen nicht nur recht deutlich, dass der Verdacht, der dem Computer entgegengebracht wird, zur unkontrollierbaren Instanz in der Privatsphäre zu werden, durch die Filmjahrzehnte stabil geblieben ist. Auch die Fragilität des Privaten wird dadurch unterstrichen, dass es im Prinzip Produkte des Menschen selbst sind, die diese Errungenschaft der Moderne immer wieder gefährden. Die Gründe für diese Gefährdung sind also hausgemacht und stellen sich einmal als die Rückseite des fortschreitenden Automatisierungprozesses dar, dann sind sie jedoch das Ergebnis militärischen Kalküls. Der Mensch ist immer schon der Unsicherheitsfaktor Nummer Eins in der militärischen Logik gewesen. Besonders problematisch wird er dort, wo er sich der Überwachung entziehen kann. Wo es geht, muss er durch Maschinen ersetzt oder kontrolliert werden. Im folgenden Beitrag der Reihe sollen solche filmischen Computerdarstellungen näher betrachtet werden, in denen die Rechentechnologie zur Kriegtechnologie umdefiniert wird.