1,2,3 … Pein!

Wie man alles falsch macht und sich dabei offensichtlich königlich amüsiert - die Bahn und eBay

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Nach den letzten größer publizierten Bahn-Unfällen bei Fulda und in Köln hatte die Bahn ja schon Kommunikationsdesaster erster Güte hingelegt. Aller guten Dinge sind drei, dachte man sich wohl und suchte sich dafür einen Partner, der sich mit sowas wirklich auskennt: eBay.

Manchmal fragt man sich ja, wie das eigentlich immer passieren kann. Wie sie nur auf die Idee kommen. Aber irgend jemand bei der Bahn muss sich neulich gesagt haben: "Hey, wie wär’s eigentlich mit eBay? Sollten wir mit unseren pfiffigen Angeboten nicht auch einmal dort einsteigen? Sollten wir nicht mal versuchen, auch dort die Leute mit unserer Preisgestaltung komplett zu verwirren?" Bei eBay hingegen muss jemand, der was zu sagen hat, von der Idee total begeistert gewesen sein, und so startete man einen Versuchsballon: Eine Million Tickets wollte man in einer begrenzten Aktion bis zum 10. August losschlagen. Als Charity-Bonbon sollten zusätzlich ganze vier Bahnreisen zugunsten der Behindertensporthilfe versteigert werden.

Und jetzt ist bei der eBay der Teufel los. Die Bewertungsrate für die Bahn als Anbieter liegt bei katastrophalen 71,9% (Stand 5.8., 15.00 Uhr), es hagelt nur so negative und neutrale Bewertungen. Hauptgrund: Bestimmte Tickets wurden am ersten Tag ihrer eBay-Karriere ganz nach eBay-Brauch für gutes Geld versteigert, nur um wenig später für weit niedrigere Festpreise über den Tresen zu gehen. Verständlicherweise ärgern sich nun einige der Leute gewaltig, die am Anfang mitgeboten haben, und nicht wussten, dass sie bald darauf für einen Bruchteil dabei gewesen wären. Sicher, sie hätten es wissen können - wenn sie nur bei den jeweiligen Angeboten im Kleingedruckten zufällig auf den Link www.bahn.de/ebay gestoßen wären, der sie wiederum zu folgendem Link geführt hätte.

"Widerrufsrecht!" denkt sich mancher jetzt, aber halt: Gerade das übliche Widerrufsrecht hat die Bahn praktischerweise bei dieser Aktion ausgeschlossen, eine Rückgabe der - im Vergleich zu den Festpreisen - überteuert ersteigerten Tickets soll nicht stattfinden. Deswegen wird die Bahn wohl demnächst eine Abmahnung der Verbraucherzentrale Berlin erhalten. Gegen die Preisgestaltung auf eBay hat man dort nichts, aber man sieht die Tickets eigentlich als Gutscheine, die nicht an eine bestimmte Fahrt gebunden sind, und daher dem Widerrufsrecht voll unterliegen.

Eine zweite Abmahnung ist wegen der Ankündigung in Vorbereitung, dass die Tickets mit dem Ablauf des 31.10.08 ersatzlos verfallen. Geht nicht, sagt die Verbraucherzentrale Berlin, in Erinnerung an die seinerzeitigen Prepaid-Handy-Karten mit Verfallsdatum. Interessant ist auch die Tatsache, dass die DB AG nicht nur als gewerblicher Händler bei eBay das Widerrufsrecht aushebeln, die verkaufte Ware überteuert versenden (2,50 pro Ticket), und tausende von gleichlautenden Auktionen respektive Angeboten pro Tag einstellen darf, sondern auch mit einer unglaublich schlechten Bewertungsrate weiter voll aktiv bleiben kann. Jeder andere gewerbliche Händler, der sich so auf eBay benimmt, würde schnell Probleme bekommen. Aber eBay macht der Bahn keine Probleme, im Gegenteil. Weiterhin wird auf der Startseite für die Aktion geworben, während negative Bewertungskommentare verdächtig oft mit der Bemerkung "Dieser Bewertungskommentar wurde von eBay entfernt" überschrieben werden.

Als Reaktion auf die Empörung der Bahn- und eBay-Kunden haben die beiden Firmen außer ein wenig Pressesprecher-Blabla nichts zu bieten - wenn man einmal von der unglaublich cleveren Idee absieht, dass die Summe, die durch die vier Charity-Auktionen erlöst wird, von der Bahn selbst um einen "substantiellen Betrag" erhöht werden soll. Das hat zwar nichts mit dem Grund für den ganzen Ärger zu tun, und es wirkt nicht einmal kosmetisch, aber irgend etwas muss man ja machen, wenn die Kacke am Dampfen ist, nicht wahr?

Wie viel kann man eigentlich bei einer einzigen Marketing-Aktion falsch machen? Der Blödsinn fängt ja nicht erst bei der Art an, in der hier Leute über den Tisch gezogen werden. Es geht ja schon darum, dass ein Grundbedürfnis (öffentliche Mobilität) einer völlig chaotischen, unregulierbaren Preisgestaltung unterworfen wird, die mit der vernünftig kalkulierten Befriedigung von Grundbedürfnissen, oder mit "Daseinsvorsorge", wie der schöne Begriff heißt, nicht einmal mehr im Ansatz etwas zu tun hat.

Prompt geht die Sache schief, und bei der Bahn weiß man nicht, wieso die Leute so sauer sind. Freilich kann man sich auch fragen, warum die Leute so blöd sind, auf Schnäppchen und Versteigerungen zu hoffen - gerade so, als wäre die Funktion solcher Promotionangebote nicht seit Ewigkeiten klar. Der Dilettantismus, mit dem das Ganze nun durchgezogen wird, und die rotzfreche Verleugnungstaktik, die man gegenüber der Öffentlichkeit in Anwendung bringt, bezieht sich aber schon seit langem nicht nur auf Promotionangebote. Irgendwann werden die Kunden eben nicht mehr nur für vergeigte Internetaktionen und verpasste Anschlüsse um "Verständnis" gebeten werden. Sondern auch wieder für katastrophal entgleiste Züge. Und da hört der Spaß dann endgültig auf.