Zwei Kriege - zwei Welten?

Was hat der Konflikt in Georgien mit dem in Afghanistan zu tun?

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Mehrere Tage lang tobte nun ein verheerender Krieg in Zentralasien und ein Großteil der Medien, zumindest in Deutschland, bemüht sich auffallend um Objektivität. Das ZDF hat Reporter auf beiden Seiten der Front. Roland Strumpf berichtet "embedded" bei den russischen Truppen, Antonia Rados aus Georgien. Und siehe da, Kommentatoren allerorten entdecken, dass dieser Krieg wohl ganz unideologisch ökonomische Gründe hat.

"Es geht hier um eine russisch-amerikanische Konkurrenz um die strategische Kontrolle der Öl- und Gasressourcen dieser weiten Region – the new great game", schreibt Joschka Fischer nüchtern in der "Zeit". Zur Erklärung von Georgiens waghalsigem Einmarsch in das abtrünnige Südossetien ergänzt der Ex-Außenminister: "Es bietet sich – wenn überhaupt – nur eine einzige rationale Erklärung an, nämlich noch während der Amtszeit von Präsident Bush auf eine Internationalisierung des Konflikts zu setzen – kleines Land wird von großem Nachbar attackiert –, und so die USA hineinzuziehen, um eine Lösung zugunsten Georgiens zu erzwingen." Wahrhaft überraschende Einsichten.

Denn, so fragt man sich, was ist an diesem Konflikt eigentlich anders, als am Krieg in Afghanistan? Auch dort geht es schließlich vor allem um geostrategische Einflusssphären und Pipelinerouten. Nur ist die Nato an der Seite der USA längst mit kämpfenden Truppen dort. Und in Deutschland wird ernsthaft bloß noch debattiert, um wie viele Soldaten das Bundeswehr-Kontingent nach sechs Jahren Präsenz weiter aufgestockt werden soll.

Wie kommt es zu diesem eklatanten Unterschied in der öffentlichen Bewertung der beiden Konflikte? Etwa, weil die afghanischen Aufständischen nicht von deutschen Journalisten begleitet werden? Oder, weil Afghanistan ein "failed state" ohne funktionierende Regierung ist und keine übermächtige Schutzmacht wie Russland im Rücken hat, von der der Westen energiepolitisch auch noch abhängt?

Vor allem wohl gilt die Aggression gegen Afghanistan in der bürgerlichen Presse immer noch als der "notwendige Krieg", da er geschickterweise mit dem "War on Terror" verknüpft wurde. Die amerikanische Propaganda von den Höhlen der Terroristen, die es auszuräuchern gelte, um Anschläge im Westen zu verhindern, verfängt weiterhin. Auch wenn mittlerweile klar ist, dass der US-Feldzug gegen das Land am Hindukusch lange vor dem 11. September 2001 geplant wurde. Bereits die Regierung Clinton hatte erste Vorbereitungen dazu getroffen.

Der georgische Präsident Saakaschwili, der im November 2007 mit Knüppeln und Gummigeschossen gegen Oppositionelle vorgehen ließ, hat wiederum in Amerika eine solide Ausbildung genossen. Er arbeitete in New York in einer der größten Anwaltskanzleien des Landes (Patterson Belknap - sie stellt auch den derzeitigen US-Justizminister) und war später Lobbyist in der Ölbranche.

Auch mit Präsidentschaftskandidat John McCain ist Saakaschwili persönlich bekannt. Dieser beeilte sich denn auch, den "bedingungslosen Rückzug" der Russen zu fordern. Sicher nicht unbeteiligt an dieser Aussage war McCains außenpolitischer Topberater Randy Scheunemann. Dieser vertritt in Washington als Lobbyist interessanterweise diejenigen Staaten der Ex-Sowjetunion, die in die NATO integriert werden wollen. Scheunemanns Firma kassierte für ihre Beratungsdienste Millionenbeträge. Schließlich wird McCains Wahlkampf auch noch von Saakaschwilis Ex-Arbeitgeber Patterson Belknap finanziell unterstützt.

Wessen Interessen diese Netzwerke letztlich dienen, dürfte Joschka Fischer in seiner Analyse gut erkannt haben. Doch warum reicht die Weisheit nicht bis Afghanistan?