Wer mit Sanktionen drohen will, darf nicht abhängig sein

Die Energie- und Klimawochenschau: Am russischen Gashahn hängen und wegen des Kaukasuskrieges mit Sanktionen zu drohen, passt offensichtlich nicht zusammen. Steigende Energiepreise spornen die Politik zu neuem Aktivismus an. Sozialtarife versus ökologische Steuerreform sind im Angebot.

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Die osteuropäischen Staaten, allen voran Polen drängen, auf Sanktionen gegenüber Russland. Im Schutz der EU-Gemeinschaft glauben sie Stärke zeigen zu können als eine Art Wiedergutmachung für die erlittene eigene Unterdrückung als Satellitenstaat im russischen Kolonialreich. Westliche Diplomaten empfinden gegenüber diesem Impuls Unbehagen und drängen auf Besonnenheit, die französische Ratspräsidentschaft möchte entsprechende „Resolutionen“ am liebsten auf den Sanktnimmerleinstag, zumindest auf den nächsten EU-Gipfel im November vertagen. Denn womit sollte die EU auch drohen? Mit der Isolation Russlands in der WTO, einer Schrumpfung der G8 zu G7 oder gar einem Wirtschaftsembargo? Alles keine sinnvollen Optionen. Eine Isolation Russlands hätte für beide Seiten vor allem negative Folgen.

Vor allem aber ist Russland in den letzen beiden Jahrzehnten als Lieferant von Öl und vor allem von Erdgas ein unverzichtbarer Wirtschaftspartner geworden. Besonders die Kyoto-Beschlüsse führten zu einem massiven Schwenk hin zum vermeintlich sauberen Erdgas und in der Folge dem Transfer vieler Milliarden Euros für russisches Gas. Erst diese Gelder machten Russland auch wirtschaftlich wieder stark und erlauben dem Land sein imperiales Gebaren. Aus energiepolitischer Sicht besonders bedauerlich: Das Erdgas hat nicht nur zur Abhängigkeit von nur noch einem Staat geführt, die CO2-Bilanz insgesamt ist dadurch aber nicht besser geworden. Und schlimmer noch: Um sich gegen die unsicheren Lieferbedingungen abzusichern, steht die weltweite Renaissance der Kohle bevor.

Russland verfügt neben dem Nahen Osten über die größten Erdgasreserven. Die Reichweite beträgt zur Zeit noch gut 60 Jahre. Grafik: erdgassvisionen.de

Angewiesen auf gute Beziehungen

Russland verfügt über 30 Prozent der weltweiten Erdgasreserven. Europa ist zu 20 Prozent auf russisches Gas angewiesen. In Deutschland ist die Abhängigkeit besonders groß, hier kommen 35 Prozent des verbrauchten Erdgases aus Russland. Nach den Modernisierungswellen der letzten beiden Jahrzehnte wird mittlerweile jede zweite Wohnung mit Gas beheizt und in drei Viertel aller Neubauten eine Gasheizung eingebaut. Tendenz für den Gasverbrauch also steigend, denn Gas gilt als sauberer Energieträger und ist trotz offensichtlicher Abhängigkeit von kontinuierlichen Lieferungen immer noch beliebter als die eigene Solaranlage auf dem Dach.

Bisher liefert Russland jährlich etwa 116 Milliarden Kubikmeter Gas nach Westen. Durch die Ostseepipeline sollen demnächst zusätzlich 27,5 Milliarden Kubikmeter und später 50 Milliarden Kubikmeter pro Jahr dazukommen – die Abhängigkeit wird immer größer.

Für zukünftige Krisen ist jetzt in Deutschland eine „strategische Erdgasreserve“ im Gespräch, wie es sie für Erdöl bereits gibt. Als Reaktion auf die Ölkrise von 1973 wird Öl für 90 Tage eingelagert. Das Wirtschaftsministerium diskutiert nun, ob man ähnliche Vorkehrungen auch beim Erdgas treffen sollte, um die Energieversorgung krisensicherer zu machen. Die Gaskonzerne selbst halten wenig von einer staatlichen Gasreserve, eine staatlich kontrollierte Erdgsreserve sei zu teuer und überhaupt, die Lieferungen seien doch sicher. Man habe sich gegen Lieferstörungen durch langfristige Lieferverträge abgesichert und baue zu Beginn jeder Heizperiode eine Speicherkapazität für 40 Vollversorgungstage auf. Der Außenhandelsverband für Mineralöl und Energie hält dagegen und schlägt vor, ein Fünftel des Jahresverbrauchs zusätzlich als Reserve einzulagern. Die Kosten für die Bereitstellung der Speicher und die Gasreserve selbst würden etwa zwei Milliarden Euro jährlich betragen. Umgelegt auf den momentanen Jahresverbrauch an Gas wären das 0,18 Cent pro Kilowattstunde. Die Bevorratung von Gas wäre damit je kWh fünfeinhalb Mal so teuer wie die Erdölreserve.

Letzte Hoffnung für deutsche Autobauer – die Bahn

Hat die deutsche Autoindustrie die Entwicklung umweltfreundlicher Antriebssysteme verschlafen? Das legen die Marketingerfolge nahe, die derzeit die japanischen Hersteller Toyota und Honda mit ihren Hybridmodellen haben. Der Verkehrsclub Deutschland VCD kürte die umweltfreundlichsten der hierzulande verkauften Autos. Die Gewinner sind keine Mini-Zweisitzer, sondern „familientaugliche“ Mittelklassewagen, die Hybridmodelle Toyota Prius und der Honda Civic Hybrid. Sie wurden ausgezeichnet wegen guter Lärm- und Schadstoffwerte und vor allem wegen ihres sparsamen Verbrauchs. Die Hybridtechnik macht's möglich, durch Nutzung der Bremsenergie zum Beladen der Akkus bzw. die Unterstützung des Verbrennungsmotors bei Beschleunigungen durch den Elektroantrieb.

Von einem deutschen Hersteller schaffte es nur der Benziner von Smart unter die Top 10 der VCD-Umweltliste. Entsprechend brechen bereits die Verkaufszahlen deutscher Mittelklassewagen ein, etwa beim Audi Q7 um 22,4 Prozent im ersten Halbjahr – zeitgleich mit dem rasanten Anstieg der Spritkosten. Der Nachfolger Q5 soll deshalb jetzt auch einen Hybridantrieb bekommen. Am besten scheint sich derzeit VW aufzustellen. Start/Stopp-Systeme, Elektro- und Hybrid sind in Flottenversuchen unterwegs und 2011 soll der Elektroantrieb-kompatible Kleinwagen Up! auf den Markt kommen.

Die Deutsche Bahn tut derweil alles dafür, dass auch weiterhin möglichst Viele mit dem eigenen Auto reisen und stützt so zumindest die Verkaufzahlen der Autobauer. Zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember werden die Preise um durchschnittlich 3,9 Prozent steigen und beim Fahrkartenkauf am Schalter soll es jetzt einen Bedienzuschlag von 2,50 Euro geben. Das kann sich nur ein Monopolist leisten. Aber es passt zur simplen Börsenlogik, es wird weniger Mitarbeiter im Verkauf geben, dafür sollen 7.000 neue "leichter zu bedienende" Fahrkartenautomaten aufgestellt werden – der Börsengang kann kommen.

"Kleinvieh macht auch Mist"

... sagte Angela Merkel und eröffnete die IFA. Gemeint war damit der eigentlich mögliche sparsamere Umgang der ausgestellten Geräte mit Energie. Überhaupt ist „Energiesparen“ das Motto der diesjährigen IFA, der Funkausstellung, die erstmals Waschmaschinen, Kühlschränke, Geschirrspüler und Staubsauger zeigt.

Um dem Namen der Ausstellung gerecht zu werden verschmelzen mittlerweile beliebige Geräte ihre Kernfunktion mit Kommunikationselektronik. Der Herd sagt der Dunstabzugshaube wie stark sie saugen soll, im Kühlschrank flimmert ein Fernseher und die Waschmaschine verschickt eine SMS wenn die Wäsche fertig ist. Egal wie energiesparend die einzelnen Bauelemente sind, in Summe verbrauchen ehebettgroße Fernseher oder TV-Kühlschränke mit dem Volumen eines Kleiderschranks mehr Strom als nötig. Zwar nutzen die Geräte potentiell Energie immer besser, aber sie werden auch immer größer und machen damit mögliche Effizienzfortschritte zunichte. Was aber selbst im Jahre 2008 immer noch fehlt, ist der obligatorische Aus-Schalter für jedes Gerät der Unterhaltungselektronik.

Mehr Bewußtsein der Energieverbraucher für die steigenden Preise könnte zu entsprechendem Kaufverhalten von sparsamen Geräten führen, doch dazu müßten einerseits die Verbräuche transparent gemacht werden und Mehrverbrauch dürfte nicht mehr durch billigere Bezugspreise für Energie belohnt werden. Horst Seehofer griff dazu einen Vorschlag der SPD auf und forderte einen billigeren Basistarif und ein neues Preissystem, wonach derjenige, der mehr Energie verbraucht, pro kWh auch mehr bezahlen soll. Soviel Bürgernähe war seinen Parteikollegen zuviel. Das CSU-Präsidium lehnte seine Vorschläge ab. Ebenso RWE Vorstandsmitglied Ulrich Jobs: "Staatliche Preisvorgaben bringen uns nicht weiter." Aus Sicht der Energieversorger sicher nicht, denn sie wünschen sich natürlich den Mehrverbrauch und fördern ihn durch sinkende Bezugspreise bei steigendem Verbrauch.

Sozialtarife versus ökologische Steuerreform

Stattdessen sollen es wieder staatliche Zuschüsse, also ein Abwälzen der externen Kosten auf die Allgemeinheit bringen. Sowohl Umweltminister Sigmar Gabriel als auch Wirtschaftsminister Michael Glos befürworten ein Förderprogramm für den Kauf besonders effizienter Kühlgeräte. Das sähe auch der Branchenverband der Elektronikindustrie (ZVEI) gerne. Der ZVEI schlägt vor, beim Kauf eines Kühlgerätes der Effizienzklasse A++ zwei Jahre lang einen Zuschuss von 150 Euro zu zahlen. Noch haben diese Geräte nur einen Marktanteil von 1,2 Prozent, obwohl sie bis bis zu 45 Prozent weniger Strom verbrauchen als Geräte der Effizienzklasse A. Das Öko-Institut hat Kosten und Nutzen eines solchen Programmes berechnet. Kosten von 289 Millionen Euro stünden Einsparungen von 361 Millionen Euro und 2,06 Millionen Tonnen CO2 gegenüber.

Als Alternativvorschlag bringt das Bundesumweltministerium eine ökologische Steuerreform ins Gespräch. Kernkraftbetreiber sollen eine „Brennstoffsteuer“ von einem Cent pro Kilowattstunde zahlen. Dadurch ließen sich „ungerechtfertigte Extraprofite abschöpfen und Einnahmen für den erforderlichen nachhaltigen Umbau unserer Industriegesellschaft generieren“. Agrarsubventionen sollen nur noch für Leistungen gezahlt werden, die einen positiven Effekt auf Natur und Umwelt haben. Die Mehrwertsteuer soll für Waren, die Natur und Klima schonen, auf sieben Prozent sinken. Im Gegenzug sollen Dienstleistungen und Produkte, die bisher steuerlich bevorzugt waren mit dem Standardsteuersatz von 19 Prozent belegt werden. Ziel sei es, einen Anreiz für den Kauf umweltfreundlicher Konsumprodukte zu geben.

Auch für die Unternehmensbesteuerung soll es eine ökologisch orientierte Bewertung geben. Betriebe, die besonders umweltfreundlich investieren, sollen diese Kosten bis zu 100 Prozent von der Steuer absetzen dürfen. Auch bisherige Privilegien sollen fallen, etwa bei Dienstwagen und Flugreisen. Allein die Energiesteuerbefreiung beim Flugbenzin koste die Steuerzahler zur Zeit knapp sieben Milliarden Euro im Jahr. Gute Vorschläge, hoffentlich sind sie mehr als bloße Appetitanreger im Vorwahlkampf.