Aufmarsch der Retter des Abendlandes

Europa im Visier der extremen Rechten: der "Anti-Islamisierungskongress" in Köln

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Europas extreme und populistische Rechte rückt enger zusammen. Ihren gemeinsamen Feind hat sie bereits gefunden, wie der „Anti-Islamisierungskongress“ in Köln zeigt. Kampagnen gegen Muslime sollen den Rechtsaußen-Parteien neue Wähler zutreiben.

Medienschelte satt präsentiert die Partei „pro Köln“ auf ihrer Homepage. Den WDR darf man dort noch „Rotfunk“ nennen. Als vom "Düsseldorfer Innenministerium gesteuert", wähnt man all jene Journalisten, die auf den rechtspopulistischen Charakter der selbst ernannten Bürgerbewegung hinweisen. Dennoch ist den Kölner Rechten ein echter PR-Coup geglückt.

Bis vor einigen Monaten war die Partei, die seit 2004 erstmals vier Ratsherren stellt, außerhalb der Domstadt nur Insidern bekannt. Das hat sich schlagartig geändert, seit sie gemeinsam mit ihrem landesweiten Pendant „pro NRW“ einen „Anti-Islamisierungskongress“ angekündigt hat.

Die berühmt-berüchtigten Gastredner der Veranstaltung dürften einiges zur neu gewonnenen Prominenz beigetragen haben. Erwartet werden Filip Dewinter vom Vlaams Belang, Mario Borghezio von der Lega Nord und Andreas Mölzer von der FPÖ. Kaum verwunderlich, dass „pro Köln“ stolz auf diese Gäste ist; denn offensichtlich wird die überregional kaum verankerte Partei von den Größen der extremen und populistischen Rechten Europas als Bündnispartner betrachtet. Der zunächst groß angekündigte Jean-Marie Le Pen vom Front National hatte allerdings deutlich gemacht, dass er nicht kommen werde und von einer Zusage nie die Rede gewesen sei.

„Pro Köln“ selbst betont die europäische Dimension ihrer Veranstaltung: Vorsitzender Markus Beisicht, früher bei den Republikanern, nennt als „mittelfristiges Ziel“ die "Schaffung einer gemeinsamen europäischen Rechtspartei".

Forderungen, die eine nationale Agenda sprengen

Europa hat ein Teil der extremen Rechten schon seit ein paar Jahren ins Visier genommen. 2005 lud die Freiheitliche Akademie der FPÖ Gleichgesinnte nach Wien. Dort verabschiedeten sie ein Papier aus der Feder Andreas Mölzers. Die so genannte "Wiener Erklärung" fordert pathetisch „effektiven Schutz“ gegen „Terrorismus, aggressiven Islamismus, Supermacht-Imperialismus und wirtschaftliche Aggression durch Niedriglohnländer“.

Weiterhin verlangen die Unterzeichner einen „sofortigen Einwanderungsstopp“ und warnen vor einer „schrankenlose(n) Ausweitung der europäischen Integration auf geographisch, kulturell, religiös und ethnisch nicht-europäische Gebiete Asiens und Afrikas wie etwa der Türkei“. Europa solle ein „Staatenbund souveräner Nationalstaaten“ werden.

Keine zwei Jahre darauf dehnten die Rechten ihre Zusammenarbeit auf das Europäische Parlament aus (siehe Der braune Spuk von Strasbourg). Nach dem EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens waren genug ultrarechte Abgeordnete beisammen, um eine Fraktion bilden zu können.

Die Neulinge von der bulgarischen Ataka und der Großrumänienpartei stießen zu einem illustren Klüngel aus Front National, FPÖ und Vlaams Belang sowie den italienischen Neofaschisten von der Fiamma Tricolore und der Alternativa Sociale um Mussolini-Enkelin Alessandra. "Identität, Tradition, Souveränität" nannte sich der Zusammenschluss und wählte mit Bruno Gollnisch vom Front National einen Holocaustleugner zum Vorsitzenden.

Lange hielt die Fraktionsgemeinschaft nicht. Mitte November 2007 beklagten die Abgeordneten der Großrumänienpartei nach anti-rumänischer Stimmungsmache in Italien „die fremdenfeindliche Haltung … der Abgeordneten Alessandra Mussolini“ und verkündeten ihren Rückzug aus der ITS. Der wurde daraufhin mangels ausreichender Mitgliederzahl der Fraktionsstatus aberkannt.

Europa haben die Hardliner in Nadelstreifen über diese Niederlage nicht aus dem Blick verloren. So lud die Jugendorganisation des Vlaams Belang für Anfang Mai dieses Jahres zu einem „Tag der rechten europäischen Jugend“ nach Antwerpen.

Was treibt diese Leute nach Straßburg und Brüssel? Die millionenschweren EU-Mittel, auf die Fraktionen Anspruch haben, mögen eine Erklärung sein. Aber wenn der Ex-Fraktionsvorsitzende Gollnisch sagt: „Wir sehen uns als weiterführende Kraft der Werte Europas“, ist das mehr als gefällige Rhetorik. Selbstverständlich sind der FN-Mann und seine Kameraden nicht über Nacht zu Europäern im kosmopolitischen Sinne mutiert. Sie bleiben Nationalisten, die ein rassistisches Verständnis von Kultur pflegen.

Doch die „Wiener Erklärung“ wirft Forderungen auf, die eine nationale Agenda sprengen und nur im Rahmen der EU zu erfüllen wären. Als Europäer betrachten sich die Rechtsextremen insofern, als sie an die Überlegenheit des christlichen Abendlandes und die Herrschaft des weißen Mannes glauben. Daher leugnen sie beharrlich die kulturellen Einflüsse des Islam in der Geschichte Europas.

Und daher würden sie nie eingestehen, dass ein Türke, ein Roma oder eine philippinische Einwanderin mit dem gleichen Recht EU-Bürger sind oder werden könnten wie sie selbst. Diese europäischen Rechtsextremen und Rechtspopulisten wollen sich zum Retter des angeblich bedrohten Okzidents aufschwingen und sind dafür bereit, sich auf die – sonst gern und häufig geschmähte – EU einzulassen. So warnt man in der „Wiener Erklärung“ vor „der Bedrohung der europäischen Werte durch Globalisierung, Masseneinwanderung und der Realitätsverweigerung durch Vertreter der ‚Political Correctness’“.

Neue Wählermilieus: das islamophobe Potenzial in der Gesellschaft übersteigt die Zahl rechtsextremer Wähler deutlich

Der Kölner „Anti-Islamisierungskongress“ entspricht also einerseits dem Grundkonsens dieser Strömung. Andererseits folgt die Wahl des Mottos einer kühl kalkulierten Strategie. Kampagnen gegen Moscheeneubauten und die angeblich drohende Islamisierung Europas haben bei der extremen Rechten Konjunktur. Eine solche Stoßrichtung verspricht Zuspruch jenseits des eigenen Lagers und soll neue Wählermilieus erschließen. Tatsächlich übersteigt das islamophobe Potenzial in der Gesellschaft deutlich die Zahl rechtsextremer Wähler. So äußern über ein Drittel der Deutschen, „sich durch Muslime manchmal wie ein Fremder im eigenen Land zu fühlen“. Und 28,5 Prozent befürworten gar ein Zuwanderungsverbot für Muslime.

Hier öffnet sich aus Sicht der extremen Rechten ein lohnendes Agitationsfeld: Menschen mit islamophoben Einstellungen sind nicht zwangsläufig rechtsradikal, lassen sich aber möglicherweise zu entsprechendem Stimmverhalten bei Wahlen beeinflussen. Zudem dienen Proteste gegen Moscheebauten, wie Heiner Bielefeldt in einer jüngst veröffentlichten Studie schreibt, oft als Ventil für den Unmut über stadtpolitische Versäumnisse.

So gehe es „weniger um die Verteidigung des dreieinigen Gottes gegen die islamische Variante des Monotheismus als vielmehr um die notorische Knappheit an Parkplätzen…“ Diesen Frust wollen die Rechten in eine rassistische Richtung kanalisieren und die vorhandene Islamophobie zum Clash of Cultures in der Nachbarschaft nutzen.

Dabei gilt für „pro Köln“: Gegen wen oder was man zu Felde zieht, wird nach Nützlichkeitserwägungen bestimmt:

Die Bürgerbewegung pro Köln orientierte sich ab 1999 an Konflikten in Kölner Stadtteilen, bei denen sie hoffte, Ängste in der Bevölkerung und rassistische Ressentiments gegen Minderheiten nutzen zu können. Gewöhnlichen Bürgerprotest, wie es ihn in einzelnen Stadtteilen immer wieder gab und gibt, wollte sie zu ihren Gunsten instrumentalisieren.

„Pro Köln“ und Konsorten betreiben ein Geschäft mit Unmut und Angst. Nach dem rassistischen Kongress-Spektakel des Wochenendes dürften ihnen neue Kunden gewiss sein.