Geisterprozesse und Killerapplikationen

Der Computer im Film Teil 2: Der Geist in der Maschine

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Computer spielen im Film zumeist eine Nebenrolle. Dort, wo ihnen die Hauptrolle zugewiesen wird, erfahren wir viel über unsere Visionen und Ängste im Zeitalter der Mikroelektronik. In einer mehrteiligen Textreihe werden Filme der 1970er bis 1990er Jahre darauf hin betrachtet, wie Computer in ihnen dargestellt werden. Dieser zweite Teil befasst sich mit den Geistern, die in den Filmcomputern hausen.

Dark Star

Die Filmcomputer, die im ersten Teil der Reihe vorgestellt wurden, hatten eines bereits gemein: Sie besaßen Verstand in dem Maße, dass sie unabhängig vom Willen ihrer Programmierer oder Besitzer Entscheidungen über sich und ihre Umwelt gefällt haben. Dies zählt zu den Fähigkeiten, die einem Wesen mit Bewusstsein zugesprochen werden und ist Grundlage für die moralische Bewertung seiner Handlung. Zumindest die Justiz spricht ausschließlich Menschen diese Fähigkeit zu, nach eigenem Willen gut oder schlecht zu handeln. Dass dieses Vermögen im Film auf den Computer ausgedehnt wird, macht das Erzählpotenzial der Werke aus und geht auf eine lange Diskussion zurück.

Der Mythos der Denkmaschine

Seit ihren Anfängen beschäftigt sich die Kybernetik (die Wissenschaft komplexer Systeme) mit der Frage, ob es Maschinen geben kann, die „denken“. In der Literaturgeschichte tauchen Erzählungen von beseelten Automaten zuhauf in der Romantik auf und es folgt einer gewissen kulturhistorischen Logik, dass das Zeitalter der Industrialisierung immer mehr dieser Alptraum-Visionen wahr gemacht hat. Der Computer, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach und nach in alle Lebensbereiche drängt, scheint die Apotheose dieser Vision zu sein. Die Möglichkeiten des „Elektronengehirns“, bestimmte Fähigkeiten des Menschen (vor allem seines Denkens) zu automatisieren, haben in der Science Fiction bald das Motiv des intelligenten Computers auftauchen lassen.

Mortimer Taube, ein US-amerikanischer Bibliothekar und Kybernetiker, hat sich Anfang der 1960er Jahre in seinem Werk Computers and Common Sense, the Myth of Thinking Machines mit der Frage auseinander gesetzt, ob das, was Maschinen machen, überhaupt mit der menschlichen Leistung des Denkens vergleichbar ist. Er gelangt zu der Erkenntnis, dass Maschinen das Gehirn weder strukturell (aufgrund der fundamentalen Unterschiedlichkeit von Maschine und Gehirn) noch funktionell (aufgrund des mangelhaften Wissen, wie ein Gehirn funktioniert) zu simulieren in der Lage sind, ja, dass es überhaupt fraglich sei, ob eine Maschine wie ein Mensch denken könne:

Die Funktion des Gehirns durch eine Maschine zu simulieren, das heißt, eine Maschine zu bauen, die Informationen verarbeitet, um die Erhaltung eines biologischen Organismus sicherzustellen, von dem sie selbst integraler Bestandteil ist, ganz abgesehen von der Gattung, zu dem der biologische Organismus gehört. Solange nicht jemand ganz spezielle Vorstellungen darüber hat, wie man eine Maschine dieses Typs bauen kann, erscheint es ratsam, das Thema der mechanischen Simulation des menschlichen Gehirns ganz fallen zu lassen.

Mortimer Taube

Das Denken lässt sich also nicht auf das Gehirn reduzieren, es ist eine Funktion des gesamten biologischen Systems Mensch. Nur in der Kunst können Maschinen denken und allein dadurch wie Menschen sein.

Ich habe Angst, Dave!

2010 – The Year we made Contact

Die Diskussion um Denkmaschinen wurde bereits ab den 1950er Jahren im Science-Fiction-Film aufgegriffen, seinen ersten Höhepunkt findet das Motiv aber erst ab Mitte der 60er-Jahren durch TV-Serien wie „Star Trek“ und Filmerfolge wie „Billion Dollar Brain“ (1967), Godards „Alphaville“(1965) oder George Lucas’ „THX 1138 EB“ (1967). Eine der verblüffendsten Adaptionen fand das Motiv 1968 in Arthur C. Clarkes Roman und Stanley Kubricks gleichnamigem Film „2001 – A Space Odyssey“. Darin wird unter anderem die Geschichte des Computers HAL 9000 erzählt, der einen bemannten Raumflug zum Jupiter begleitet.

HAL gilt als das ausgereifteste Elektronengehirn seiner Zeit und ist sich über seine Unfehlbarkeit durchaus bewusst. Mit leichter Arroganz kontert er Fragen über seine Fähigkeiten und streitet einen tatsächlich von ihm begangenen Fehler vehement ab. Die Tatsache aber, dass sein Unfehlbarkeits-Bewusstsein auf einen tatsächlichen Fehler trifft, führt seine menschlichen Begleiter zu der Überzeugung, dass man seiner Funktionalität nicht mehr trauen kann und er – zumindest seine höheren „Gehirnfunktionen“ – abgeschaltet werden müsse.

2010 – The Year we made Contact

HAL, der im gesamten Raumschiff Kameraaugen hat, gelingt es, diesen Plan zu „durchschauen“ und er entschließt, die menschliche Besatzung des Schiffes umzubringen, um die Jupiter-Mission im Alleingang abzuschließen. In dem Moment, wo es Dave Bowman, dem letzten lebenden Astronauten gelingt, HALs Mord-Plänen zu entgehen, entfaltet sich das ganze dramatische Potenzial dieses vergeistigten Computers: Er versucht Dave zu überreden, versichert ihm, dass es ihm „schon besser gehe“ und rät ihm, eine Beruhigungstablette zu schlucken und sich die Sache noch einmal zu überlegen. Dave lässt sich jedoch nicht beirren, betritt das „Logic Memory Center“ und beginnt nach und nach alle Module für die höheren Funktionen von HAL zu deaktivieren, indes HAL ihm mitteilt, er habe Angst. Der Verlust der geistigen Fähigkeiten geht einher mit dem Verlust von Sprachvermögen.

Sprechen war im Computerfilm (vgl. „Electric Dreams“) immer schon ein Indiz für Intelligenz und so steht das Stummstellen HALs für dessen Unschädlichmachung. Interessant ist hier, dass sich Kubrick auf ein Werk der frühen Computerkunst beruft: HALs letzter Ausdruck von Sprachfähigkeit ist das Absingen eines ihm beigebrachten Kinderliedes – es handelt sich dabei um das Lied Daisy Bell, das erste von einem Computer gesungene Lied überhaupt.

Die Phänomenologie des Geistes

Dark Star

Kubrick und Clarke gehen das Thema der Denkmaschine mit für den damaligen Science-Fiction-Film erstaunlicher Ernsthaftigkeit an. Den Computer HAL unterwerfen sie einem moralischen Dilemma und messen ihn bzw. seine Menschlichkeit daran. Sechs Jahre später machte sich der US-amerikanische Regisseur John Carpenter in seinem Debüt-Film „Dark Star“ über genau diese Ernsthaftigkeit lustig und persiflierte Clarkes/Kubricks Computer-Vision.

An Bord des Raumschiffs „Dark Star“ gibt es gleich mehrere Computer, die mit Denkfähigkeiten ausgestattet sind: Zum einen sind das die Bomben, die zum Sprengen instabiler Planeten abgeschossen werden, denn die „Dark Star“ ist im Weltraum unterwegs, um fremde Sonnensysteme für die Kolonialisierung durch den Menschen urbar zu machen. Die Bomben sollen sich weitgehend autonom verhalten und sind mit Sprachfähigkeit ausgestattet, um mit der Besatzung des Schiffs zu kommunizieren.

Der andere Computer an Bord der „Dark Star“ ist der Schiffscomputer, der ebenfalls spricht – allerdings mit der Stimme einer Frau. Diese teilt den Astronauten mit lakonischem Tonfall mit, wer Aufräumdienst hat, wo die jüngste der zahlreich auftretenden Fehlfunktionen zu suchen ist und wenn der Besatzung der sichere Untergang droht.

Dark Star

Ein „Computer-Problem“ entsteht, als durch Beschädigung einer elektronischen Kommunikationseinheit eine der Bomben das Signal erhält, aus dem Bombenschacht zu fahren und sich scharf zu machen. Zunächst kann der Schiffscomputer den renitenten Sprengkörper noch davon überzeugen, dass er ein falsches Signal erhalten hat und ihn zurückordern. Als der Fehler jedoch ein weiteres Mal auftritt, glaubt die Bombe nicht mehr an einen Zufall. Sie zweifelt nun nicht mehr die Richtigkeit des Signals an, sondern dessen Fehlerhaftigkeit.

Einer der Astronauten sieht den letzten Ausweg darin, mit der Bombe über Phänomenologie zu diskutieren. Denn wenn sie über ein Bewusstsein verfügt, so muss es möglich sein, in ihr den Descartes’schen Zweifel zu säen: Woher weiß sie denn überhaupt, dass es eine Außenwelt gibt, von der sie Signale empfängt? Ist ihre Existenz nicht sinnlos, wenn sie aufgrund der Verführung durch einen „ingenius malignus“ (wie Descartes den bösen Geist, der unsere Sinne verwirrt, nennt) zu früh detoniert?

Der Computer in der Bombe ist der rationalistischen Philosophie allerdings um ein paar Jahrhunderte Voraus und hat den linguistic turn bereits vollzogen: In einem finalen „deklarativen Sprechakt“ (Searle) erklärt sie sich selbst zur Wahrheitsinstanz und explodiert mit den Worten: Es werde Licht!

Werde ich träumen?

Mit dem weiblichen Computer nimmt Carpenter einerseits den ebenfalls recht verschlagenen Schiffscomputer „Mother“ aus dem fünf Jahre später gedrehten Film „Alien“ von Ridley Scott vorweg, andererseits wird das Konzept 1984 von Peter Hyames in der „2001“-Fortsetzung „2010 – The Year we made Contact“ wieder aufgegriffen.

Dort unterhält sich zu Beginn der HAL-Entwickler Dr. Chandra mit SAL 9000, dem Pendant des Supercomputers, über einen Versuch, den der Wissenschaftler anstellen will: SALs höhere Gehirnfunktionen sollen deaktiviert und dann wieder aktiviert werden, damit Chandra sehen kann, ob der Computer danach ähnlich einem narkotisierten Menschen noch einwandfrei funktioniert. Da SAL wie schon zuvor HAL emotionale Zustände haben (oder simulieren) kann, ist sie sich unsicher, was mit ihr geschehen wird. Sie fragt: „Werde ich träumen?“ und Chandra antwortet ihr wie selbstverständlich: „Natürlich, alle höheren Lebewesen träumen.“

Die Anthropomorphisierung des Computers ist in „2010“ noch weiter fortgeschritten. Die Rechner sind allgegenwärtig (überall im Film sind Laptops, Monitore und Tastaturen zu sehen) und die Diskussion darum, ob Leben auf Silikonbasis dieselben Rechte habe, wie Leben auf Kohlenstoffbasis, ist zumindest für Chandra geklärt.

2010 – The Year we made Contact

„2010“ ist nur eine leidliche gute Fortsetzung von Kubricks Vorgängerfilm, weil er die meisten der intellektuellen Diskurse (von denen das Motiv der Möglichkeit einer Denkmaschine nur eines ist) außen vor lässt. Doch als Chandra in der Umlaufbahn von Jupiter schließlich auf HAL trifft, wird dieses Thema auf beeindruckende Weise wieder aufgenommen. Chandra, der von der übrigen Besatzung des Bergungsschiffes spaßeshalber „computer brain surgeon and psychiatrist“ genannt wird, tritt mit dem wiedererweckten HAL 9000 tatsächlich in ein therapeutisches Gespräch. Denn es gilt, den Computer und das verlassene Raumschiff zu opfern, damit das Bergungsschiff und seine Besatzung rechtzeitig in Sicherheit vor einer nahenden Katastrophe gebracht werden können.

HAL soll also zum Suizid überredet werden und Chandra redet schließlich Tacheles mit ihm: Er teilt ihm seine letzte Mission wie einem Patienten seine letale Diagnose mit. Die Maschine wird hier nicht mehr bloß als Mittel zum Zweck eingesetzt, sondern in ihren Widersprüchen und Ängsten als lebendes Wesen anerkannt. „2010“ erweitert letztlich die im Vorgänger inaugurierte Computer-Ethik zu einem „praktischen Philosophie“ im Umgang von Kohlenstoff- und Silizium-Lebewesen miteinander.

The machine is a Monster!

Ghost in the Machine

Doch der Geist, den die Science Fiction in die Maschine einziehen lässt, ist nicht immer ein philosophisches Spiegelbild zum menschlichen Pendant, sondern oft, ja sogar in den meisten Fällen ist er sein amoralischer Widersacher. Eine Folge aus der ersten Staffel der TV-Serie „Akte X“ mit dem programmatischen Titel Ghost in the Machine nimmt 1993 genau dieses Motiv auf.

In schon beinahe plagiatorischer Weise greift sie Motive aus „2001“ auf. In ihr heißt der Computer COS (Central Operating System) und kontrolliert eine Firma namens Eurisko, in der seit dem Einsatz der intelligenten Software Menschen auf mysteriöse Weise umkommen. Die FBI-Agenten Mulder und Scully ermitteln, dass der Computer schuld an den Todesfällen ist und überreden einen Hacker und ehemaligen Eurisko-Mitarbeiter, dem Rechner von außen einen Suizid-Virus einzupflanzen. Bevor COS abtritt, erkundigt er sich noch mit besten HAL-Manieren: „What are you doing, Brad?“

2010 – The Year we made Contact

In der „Akte X“-Folge ist der Geist in der Maschine bereits als grundsätzlich böse programmiert vorgestellt. Dass hier keine übersinnlichen Kräfte ihre Finger im Spiel haben, ist ungewöhnlich für die Serie, doch wenn man das Konzept des intelligenten Computers für sich bereits als Horror-Motiv begreift, wird klar, warum dann doch gerade diese Spezialabteilung des FBI mit dem Fall betraut wird.

Von hier ab ist es nur noch ein kurzer Gedankenweg zur Zweitbedeutung von „Geist“ als einem übernatürlich Wesen. Auch solche ergreifen zeitweilig Besitz von elektrischen Geräten (vgl. Stephen Kings „Maximum Overdrive“) und offenbar besonders gern von Computern. Der Geist eines Verstorbenen Bösewichts wird dann oft zu einem Sinnbild für die bereits beschriebene, bedrohlich gewordene Technologie, deren Unheimlichkeit gleichgesetzt wird mit der von Gespenstern und Dämonen.

Coopersmiths Dämon

Evilspeak

Damit wäre der Diskurs auch zurück im B-Horrorfilm und in den 1980er Jahren. Ein besonders eindrückliches Beispiel eines besessenen Computers findet sich in Eric Westons 1981 erschienenem Film Evilspeak. Dort ist es der untote Geist des Häretikers Father Estban, der in den Computer von Stanley Coopersmith, einem dicklichen und tölpelhaften Militär-Akademie-Kadetten einzieht. Coopersmith wird von allen anderen Schülern der Akademie gehänselt und zieht sich mehr und mehr von der Gemeinschaft zurück. Einzig sein Computer, ein Apple II, und ein kleiner Hund sind ihm noch wohl gesonnen.

Als er eines Tages beim Straf-Aufräumen des Schulkellers einen geheimen Raum und darin eine obskure lateinische Schrift entdeckt, wendet sich sein Schicksal, denn es handelt sich um eine Beschwörungsformel, mit der man einen mächtigen Geist erwecken kann. Diesen ruft Coopersmith zu Hilfe, um sich gegen seine immer brutaler vorgehenden Mitschüler zu wehren.

Evilspeak

Okkult- und Computer-Horror treffen in „Evilspeak“ auf den ersten Blick auf recht unproduktive Weise aufeinander. Der Computer ist hier zunächst nicht mehr als ein Erfüllungsgehilfe der Allmachtsfantasien des gemobbten Militärschülers. Anfangs entwirft er darauf für den Unterricht noch eine antike Steinschleuder, dann entdeckt er aber schnell, dass der Apple weit mehr als das kann - nämlich Latein.

Das wirkt wohl nur aus der heutigen Perspektive merkwürdig, weil man weiß, was für syntaktische „Meisterleistungen“ von Übersetzungssystemen zu erwarten sind. In einer Zeit, in der Computer noch der Nimbus des obskuren und unheimlichen „Ghost in the Machine“ umwehte, schien es vorstellbar, dass der Rechner nicht nur einwandfreie Übersetzungen liefert, sondern das Eingegebene in einer Datenbank derartig verarbeitet, dass sogar inhaltliche Fragen zum Thema von ihm beantwortet werden können.

Ghost in the Machine

Hier genau findet sich der eigentlich interessante Punkt dieser Mensch-Maschine-Interaktion: Der Apple-Rechner ist schon von Beginn an mit einer Art Bewusstsein ausgestattet. Das wird gegen Ende des Films klar, als sich bei jedem plötzlichen Tod eines Internatsinsassen auf dem ansonsten monochromen Bildschirm eine bunte Grafik aufbaut, die ein Pentagramm und den Namen „Esteban“ zeigt. Dieser Esteban ist der Gründer einer satanischen Sekte (was man im Prolog des Films erfährt) und spukt offenbar als Geist in der Militärakademie herum, auf seine Reanimation wartend.

In der lateinischen Schrift steht, dass Satan in Gestalt eines Menschen oder Tieres auf die Welt gerufen werden kann - dass er dann jedoch in Gestalt des Apple II erscheint, sagt einiges über den Computer: Der Rechner scheint der ideale Hort des Bösen zu sein, denn auch er ist mit einer Technologie ausgestattet, die wie das christliche Denken auf reiner Dichotomie beruht: 0 - 1, schwarz - weiß, gut - böse, Gott - Teufel. Allesamt das Werk abendländischer Dialektik und Spross eines dualistischen, Descates’schen Weltbilds. „Evilspeak“ endet böse, weil der Computer das finale Massaker überlebt. Niemand ist mehr da, der den Befehl zur Selbstzerstörung, zum Suizid gibt oder die „geistigen“ Funktionen des Rechners mit Gewalt deaktiviert. Damit gibt Westons Film eine Tendenz vor, die wenige Jahre später, im Zeitalter des Internets, zum Leitmotiv wird.

Why can’t we just delete him?

Ghost in the Machine

Elf Jahre nach „Evilspeak“ und drei Jahre nach der „Akte X“-Folge entsteht der Spielfilm „ Ghost in the Machine“ von Rachel Talalay. Darin findet sich eine recht frühe und hoch interessante Horror-Vision von den Möglichkeiten und Gefahren des Internets, das damals (zumindest der breiten Öffentlichkeit) noch allein durch Hörensagen bekannt war. Talalays Film erzählt von einem Serienmörder, der sich seine Opfer aus gestohlenen Adressbüchern sucht und deshalb „Address Book Killer“ genannt wird.

Dieser erleidet einen schweren Autounfall und stirbt kurz darauf in einem Krankenhaus innerhalb einer CRT-Röhre. Die Strahlung und die Anbindung des Computer-Tomographen ans Krankenhausnetz sind der Grund dafür, dass der Geist des Serienmörders nicht etwa in die Hölle, sondern in die elektronischen Netze fährt und von dort aus weiter sein Unwesen treibt. Hautangriffsziel ist eine alleinstehende Mutter, die kurz zuvor in einem Computerstore ihr Adressbuch hat einscannen lassen, aus welchem der Killer sich nun bedient.

Der Frau kommt nicht nur ihr Computer-begeisterter Teenager-Sohn zur Hilfe, sondern auch ein Ex-Hacker, der in einer nahe gelegenen Firma arbeitet, wo der Killer-Geist zum ersten Mal zuschlägt. Zusammen entdecken sie die Natur des Bösewichtes und ersinnen einen Plan, wie sie dessen virtuelle Existenz endgültig beenden können: Sie versperren ihm jedweden Netzzugang in das Haus seiner Opfer und locken ihn mithilfe eines Virus in das Netzwerk eines nahe gelegenen Teilchenbeschleunigers. Dort soll ihm im Magnetfeld des Synchrotrons der Garaus gemacht werden.

Evilspeak

„Ghost in the Machine“ setzt nicht nur auf für die damalige Zeit erstaunlich komplexe CGI, sondern versucht auch alle Möglichkeiten des Sujets für seine Story auszubeuten. So sieht man den virtuellen Killer durch jedwedes elektrische und elektronischen Netz reisen und ihn seine Opfer in trickreichen Varianten ermorden: durch Elektrifizierung, durch Mikrowellen und durch Manipulation eines Computers in einer Crashtest-Anlage. Alle Arten von Netzen dienen ihm als Wege zu seinen Opfern: Das Radionetz, das Telefonnetz, das Stromnetz, natürlich das Internet aber auch das Straßenverkehrsnetz (mithilfe einer GPS-ähnlichen Lokalisierungssoftware, mit der er den Aufenthaltsort eines Opfer-Autos und dessen Autoradio ermittelt).

Einfach abschalten lässt sich der Geist nicht, weil er nicht mehr an die Physis eines Computer gefesselt ist. Als reine Virtualität muss er zunächst zurück in die physische Welt der Menschen gezwungen und von seinen Netzen getrennt werden. Er braucht wie seine Opfer eine „Adresse“, bevor man ihm „zu Leibe“ rücken kann. Dass der Serienmörder es selbst vor allem auf Adressen abgesehen hat, hatte ihn für seine Netz-Existenz ja auch geradezu prädestiniert: Wie ein fleißiges kleines Maschinensprache-Programm arbeitet er seine Stacks ab und lässt seine Aufmerksamkeit von Adresse zu Adresse wandern bis er ans Ende seines Codes gelangt und schickt sich selbst über das Netz von Angriffsziel zu Angriffsziel. Heute nennt man so etwas einen Wurm.

Menschen und Maschinen

Dark Star

Die Frage nach der Maschine, die das menschlichen Gehirn simuliert, ist letztlich – so schreibt es Mortimer Taube – auch dialektisch als Rückfrage zu verstehen:

Wenn der Mensch letztlich nicht mehr ist als eine Maschine, und zwar in dem Sinne, in dem Descartes glaubte, Tiere seien Maschinen (Descartes nahm den Menschen aus religiösen Gründen aus dem mechanischen Bereich heraus), dann kann man die Simulation des menschlichen Gehirns durch Maschinen interpretieren als die Simulation einer Maschine durch eine Maschine. (Taube, S. 76)

Wenn wir (in der Kybernetik, im Film oder sonst wo) darüber spekulieren, wie sich eine Maschine verhält, der ein (menschlicher) Geist innewohnt, dann stellen wir damit zugleich Hypothesen über die Beschaffenheit von uns selbst, unserem Geist, die Funktionsweise unseres Gehirns an. Vielleicht steckt in der Fantasie von der Menschwerdung der Maschine letztlich nur die Sehnsucht von der Maschinewerdung des Menschen – zumindest zu einem gewissen Teil. Denn Maschinen und besonders Computer kompensieren viele Unzulänglichkeiten der menschlichen Physis und Psyche. McLuhan hat in der Tradition von Ernst Kapp und Siegmund Freud die Technik als Erweiterung des menschlichen Körpers verstanden. Computer waren für ihn eine „extension of the central nervous system“ – im Zeitalter des Internets eine Ausdehnung des Geistes im planetarischen Maßstab.

Ghost in the Machine

Die Filme, die Computern Geist zuschreiben (oder ihn in sie einkehren lassen), spielen mit den Möglichkeiten einer so verstandenen Mensch-Maschine-Symbiose. Sie stellen Computer dem Menschen als Gleiche zur Seite oder als ebenbürtige Feinde gegenüber und lassen ihn in den Elektronengehirnen zumindest Facetten seiner eigenen mentalen, moralischen oder ontologischen Beschaffenheit erkennen. In diesem Sinne sind der „geistesgestörte“ HAL 9000, die „vergeistigte“ Bombe aus „Dark Star“ und das vom Geist besessenen Netz in „Ghost in the Machine“ einander durchaus ähnlich. Gemeinsam ist ihnen und den Computern in den zuvor diskutierten Filmen ebenso, dass sie noch einen Unterschied zwischen sich selbst und ihren Usern machen. Die Computerfilme, die im folgenden Text vorgestellt werden sollen, sind da schon einen Schritt weiter: Sie verleiben sich den Menschen ein um ihn ihren eigenen Algorithmen zu unterwerfen.

Literatur:
Mortimer Taube: Der Mythos der Denkmaschine. Kritische Betrachtungen zur Kybernetik. Reinbek bei Hamburg: rowohlt 1969.