Die Angst des Bieters vor der Niederlage

Warum wir bei Online-Auktionen freiwillig mehr bezahlen, als die Ware wert ist

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Die Fernsehwerbung stellt den Prozess so schön simpel dar: 3 - 2 - 1, heißt es da, und das Objekt des Verlangens geht endlich in den eigenen Besitz über, die Auktion ist gewonnen. Entsprechend freudig erregt geben sich die Schauspieler. Doch ist tatsächlich die Freude über den Gewinn ausschlaggebend für die Bereitschaft, für einen Artikel mehr zu zahlen, als er eigentlich wert ist? Tatsächlich haben Ökonomen längst nachgewiesen, dass dem Prinzip der Auktion die Tendenz des Zu-Viel-Bietens („overbidding“) inhärent ist.

Rein rational ist das nicht zu erklären: Theoretisch müsste der Auktionserlös stets ein kleines bisschen unter dem wahren Wert der Ware liegen. Das wäre jedenfalls so, würden sich die Auktionsteilnehmer vernünftig verhalten. Hätte die Ware für sie einen Wert X, böten sie eine Preis Y, der immer etwas kleiner als X sein muss - denn die Ware mit dem Wert X für den Preis X zu kaufen, böte ja keinerlei ökonomischen Vorteil mehr. Nun kommt die zusätzliche Schwierigkeit hinzu, dass der „wahre“ Wert natürlich individuell ist - das gilt ganz besonders für Sammlerstücke. Doch auch bei Objekten mit einem für jedermann zugänglichen Preis außerhalb der Auktion erzielen die Verkäufer oft einen Betrag, der über dem allgemein akzeptierten Wert liegt. Woran liegt das?

In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science versucht ein Team amerikanischer Forscher, hier eine Erklärung zu finden. Die Wissenschaftler von der Rutgers, der New York und der Maryland University benutzen dazu mit Hilfe der funktionalen Magnetresonanztomografie angefertigte Aufnahmen, die die Sauerstoffverteilung im Gehirn charakterisieren. Als Ausgangspunkt dienen ihnen zwei verbreitete Hypothesen, die das Overbidding erklären sollten. Einerseits könnte es eine Form der Risikovermeidung darstellen, etwas mehr zu bieten, als im Sinne der optimalen Strategie nötig wäre. Andererseits könnte die Bieter die Freude am Sieg motivieren, auf das letzte Gebot noch ein allerletztes draufzupacken.

Im Experiment betrauten die Forscher die Teilnehmer mit zwei verschiedenen Spielen - einer Lotterie und einer Zwei-Personen-Auktion. Bei der Hälfte der Ereignisse konnten die Versuchspersonen Geld gewinnen, bei der anderen nur Punkte - am Ende der Studie sollte aber der Punktestand anonym bekannt gegeben werden. Tatsächlich boten die Teilnehmer bei der Auktion in jedem Fall mehr als nötig: 65 Prozent mehr, wenn Geld im Spiel war, und noch 57 Prozent mehr, wenn es nur um Punkte ging.

Auf den gleichzeitig angefertigten fMRI-Aufnahmen zeigten sich nur im rechten und linken Striatum von Typ des Spiels und Typ der Belohnung abhängige Unterschiede. Mit einer kleinen Besonderheit: Wenn die betreffende Person gewonnen hatte, wiesen die Gehirnscans auf keine Unterschiede zwischen Lotterie und Auktion hin. Im Augenblick des Verlusts hingegen nahm der Sauerstoffgehalt im Striatum bei der Auktion viel deutlicher ab als bei der Lotterie. Führt also eventuell die Angst vor einem Verlust oder einer Niederlage zur Tendenz des Zu-Viel-Bietens?

Die Wissenschaftler gingen dieser Annahme mit einem weiteren Experiment nach, indem sie die Versuchsteilnehmer bei einer neuen Auktion in drei Gruppen aufteilten. Gruppe 1 führte das Experiment wie gewohnt durch. Gruppe 2 gaben die Forscher zusätzlich Geld in die Hand, dass sie bei einer Niederlage abgeben, sonst aber behalten könnten. Gruppe 3 schließlich versprachen sie für den Fall eines Gewinns einen Bonus. In beiden Fällen wäre die optimale Bietstrategie dieselbe - nur der Rahmen war anders.

Falls tatsächlich die Angst vor einem Verlust den gebotenen Maximalpreis beeinflusst, sollte Gruppe 2 also diejenige mit dem stärksten Overbidding sein. Tatsächlich entsprach auch genau dies dem Ergebnis des Experiments. Und nicht nur das: In der Summe hätte ein Auktionator mit Gruppe 2 die höchsten Gewinne erzielt, obwohl er zusätzlich den Bonus hätte zahlen müssen.

Vielleicht ist das eine Anregung für die Online-Auktionshäuser dieser Welt? Die Firmen müssten den Auktionsteilnehmern lediglich vor der Versteigerung einen Gutschein in die Hand drücken, der dann verfällt, wenn die Auktion nicht gewonnen wird. Die Investition in die Gutscheine würde durch den zusätzlichen Gewinn aus dem Overbidding mehr als ausgeglichen.