Wärmer wird es sowieso

Selbst bei striktester Umsetzung aktuell vorgeschlagener Klimaschutzmaßnahmen wird es auf der Erde bis 2100 signifikant wärmer - wir sollten uns also rechtzeitig überlegen, wie wir mit den Folgen umgehen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es braucht mittlerweile ein gerüttelt Maß an politischer Unverfrorenheit, an der Diagnose eines bevorstehenden Klimawandels zu zweifeln. Der im vergangenen Jahr in drei Teilen veröffentlichte IPCC-Bericht (siehe Kein Weckruf, sondern eine gellende Sirene) gibt einen erschreckenden, wenn auch aus politischer Rücksichtnahme durchaus noch geglätteten Ausblick auf die im Laufe dieses Jahrhunderts zu erwartenden Szenarien. Bis 2100 wird sich demnach die mittlere Oberflächentemperatur auf unserem Planeten im Vergleich zu 1990 um je nach Modell 1.1 bis 6.4 °C erhöht haben. Ähnliche Ergebnisse brachten auch andere Studien, der vergleichsweise hohe Spielraum resultiert einerseits aus unserem begrenzten Verständnis der Klimaphysik, andererseits aus Unwägbarkeiten in den Emissionsszenarien.

Dass etwas getan werden muss, ist insofern klar. Selbst von den USA wird gemeinhin unabhängig vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen eine Änderung der Klimapolitik erwartet. Doch was hilfts? Die IPCC-Berichte schließen Änderungen im menschlichen Emissionsverhalten jedenfalls nicht ein.

Es gibt zwar Modelle, die die Auswirkungen eines bestimmten Gasgehaltes der Atmosphäre untersuchen, indem sie etwa ein Einfrieren der Verhältnisse auf dem Niveau des Jahres 2000 annehmen. Noch um 0,6 °C soll sich dann die Erdoberfläche im Lauf des 21. Jahrhunderts erwärmen. Doch realistisch sind diese Berechnungen nicht, führt doch der Beharrungsdruck der menschlichen Gesellschaft auch in den kommenden Jahren garantiert noch zu einer Erhöhung des Kohlendioxid-Anteils in der Atmosphäre.

Ein vielköpfiges internationales Forscherteam, das sich zum Teil auch aus den IPCC-Expertengremien rekrutiert, hat jetzt untersucht, wie sich verschiedene Klimaschutzmaßnahmen auf die vorhergesagten Prozesse auswirken. In den Veröffentlichungen der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS) beschreiben die Forscher ihre Ergebnisse. Die geben leider zu Entwarnung keinen Anlass.

Zum Vergleich gehen die Forscher von einem Anstieg der Treibhausgas-Emissionen im „Wir tun gar nichts“-Szenario zwischen 70 und 250 Prozent bis 2100 im Vergleich zu 2000 aus. In diesem Fall stabilisieren sich die Emissionsraten erst zum Ende des Jahrhunderts. Die Klimaschutz-Szenarien hingegen nehmen an, dass zwischen 2020 und 2040 der 50 Prozent über dem heutigen liegende Maximalwert der Emissionen erreicht wird. Die Reduktion wird hier vor allem über die Verringerung des energiebezüglichen CO2-Ausstoßes erreicht (70-90 Prozent), gefolgt von der Absenkung der Emission anderer Klimagase (15-30 Prozent).

Für die Szenarien mit der geringsten Treibhausgas-Abgabe, schätzen die Forscher ein, müssten die notwendigen Änderungen von Technologie und Lebensweise bis ans Limit geführt werden. Die Nutzung von Bioenergie würde hierbei mit CO2-Abtrennung und -Speicherung gekoppelt, so dass sich bei der Stromherstellung die Möglichkeit negativer CO2-Emissionen ergäbe.

Ganz billig wird das auch im besten Fall nicht

Gleichzeitig würde allerdings auch die atmosphärische Umweltverschmutzung sinken - technisch sind die Reduktion von Kohlenstoff- und Schwefel-Dioxidemission in der Regel verknüpft. Das ist im Klimaschutzsinne keine gute Nachricht, denn der SO2-Anteil in der Luft wirkt praktisch als Sonnenschutz für die Erde - wird er kleiner, verringert das auch seine Wirkung. Nicht umsonst gab es schon den Ernst gemeinten Vorschlag, mit Ballons Schwefeldioxid in der oberen Atmosphäre auszubringen und so die Wirkung eines großen Vulkanausbruchs nachzuahmen.

Ganz billig wird das auch im besten Fall nicht: Selbst ein von den Forschern durchgerechnetes moderates Szenario würde zwischen zwei und 19 Billiarden US-Dollar kosten. Die strikteste Umsetzung einer Klimaschutzpolitik hingegen wäre für nicht weniger als zwei bis drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu haben.

Trotz alledem errechnen die Forscher bis 2100 einen Temperaturanstieg von im Mittel 1,4 °C - und zwar bei strikter Durchsetzung einer ernstgemeinten Klimapolitik. Wie schwer das den Industriestaaten fällt, hat die Vergangenheit schon öfter gezeigt (siehe Auto-Lobby will CO2-Reduktion von PKW weiter aufweichen). Die Wissenschaftler empfehlen deshalb, sich rechtzeitig auf die Folgen der Klimaerwärmung einzustellen, die offenbar nicht in vollem Umfang vermeidbar ist.