Mit Atomkraft in eine saubere und sichere Welt

Das US-Unternehmen Hyperion Power Generation will 2013 die ersten mobilen Mini-Atomkraftwerke ausliefern

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Der griechische Lichtgott Hyperion diente schon zahlreichen Projekten als Namenspatron. Dass auch der größte Baum der Welt im Redwood Nationalpark in Kalifornien nach ihm benannt wurde, ist sicherlich nicht der Grund, warum ein in saftigem Grün stehender Baum die Internetseite von Hyperion Power Generation ziert. Die Botschaft ist hier ebenso deutlich, wie in Deutschland, wo die Politik die Bereitschaft zum Ausstieg aus dem Atomausstieg verbal auslotet: Atomenergie ist grüne Energie. Dabei stehen sich die Positionen für und wider die Atomkraft unvereinbar gegenüber.

Bild: Hyperion Power Generation

In zahlreichen Projekten wird die Gewinnung von „Atomstrom“ weiterentwickelt: In Russland werden mobile Atomkraftwerke auf dem Wasser entwickelt, Frankreich arbeitet an Kraftwerken, die auch die Trinkwasserversorgung verbessern. und auch die Temme AG machte im Frühjahr 2008 in Deutschland mit einer kleinen Variante des Atomkraftwerkes auf sich aufmerksam (Aus den Augen, aus dem Sinn). Deren Internetpräsenz betont zwar erneuerbare Energien und weist nur extrem verklausuliert auf „mobile Energieanlagenkonzepte von außerordentlicher Leistungsdichte und Erzeugungskontinuität bei gleichzeitiger Wartungsfreiheit über Jahre und bei Bedarf auch über Jahrzehnte hinweg“ hin. Werden alle anderen angebotenen Formen der Energieversorgung einfach beschrieben und illustriert, wird hier weitgehend verhindert, das Produkt beim Namen zu nennen.

Anders hingegen auf der Homepage von Hyperion, auf der zuverlässige, erschwingliche, sichere und saubere Atomkraftwerke im Miniaturformat als umweltfreundlicher Weg aus der drohenden Energiekrise angepriesen werden.

Die angeblich sicherste, zuverlässigste und am wenigsten schädliche Weise der Energieerzeugung

Hyperion, erst vor einem Jahr eingetragen, baut auf Forschungen auf, die in den letzten Jahren im berühmt-berüchtigten Los Alamos National Laboratory durchgeführt wurden. Die dort entwickelten Module sollen mit einem Zug, Lastwagen oder Schiff zu transportieren und schnell einzusetzen sein – im Gegensatz zu den „traditionellen Kernkraftwerken“, die mehr als zehn Jahre benötigen, um ans Netz zu gehen. Die ca. 2 Meter hohen Einheiten, die 15-20 Tonnen wiegen, sollen kompakt sein und nahezu wartungs- und verschleißfrei arbeiten, nachdem sie angeliefert wurden. Somit würden nach Angabe des Herstellers nicht nur Bedienfehler vermieden, sondern jede Art von Unfällen. Selbst bei einem Öffnen des versiegelten Moduls würde der verwendete Brennstoff sofort abkühlen. Auch die Gefahr eines Missbrauchs würde wegen des versiegelten Moduls, das zudem noch vergraben wird, reduziert.

Bild: Hyperion Power Generation

Der 25-30 Millionen Dollar teure Reaktor kann nach Angaben des Herstellers mit seiner Leistung von 25 Megawatt Elektrizität oder einer Hitzeenergie von 70 MW (die Zahlen wurden berichtigt – Red.) mehr als genug Energie für ca. 20.000 Haushalte produzieren.

In der Begründung für die kostspielige Entwicklung der Mini-Atomkraftwerke werden – wie allgemein bei der Befürwortung von Atomkraftwerken in der letzten Zeit – die Energie- und Klimakrise zu Argumenten, die die Kritik an der atomaren Energiegewinnung umgekehrt:

Global warming. Dependence on foreign oil. Infrastructure vulnerable to natural and manmade catastrophes. Undrinkable water, poverty, disease, social unrest. These increasingly serious problems can only be solved by finding solutions to the ever-expanding energy crisis.

Hyperion bietet seine Kraftwerke als Weg aus diesen Problemen an. Wenn auch anderen Formen der Energiegewinnung eine Rolle bei der Stromversorgung zugewiesen wird, „bleibt das Arbeitspferd die Atomenergie“. Hierbei weisen die Betreiber der Seite auf das bekannte Argument hin, dass Wind-, Solar- und geothermale Energie nicht jederzeit und überall zur Verfügung stehen.

When the sun doesn’t shine and the wind doesn’t blow these types of plants do not deliver electricity. Regardless of the weather, nuclear-based power plants can produce base load electricity 24/7 with no greenhouse-gas emissions.

Nukleare Energiegewinnung wird in diesem Sinne als der „sicherste, zuverlässigste und am wenigsten schädliche Weg, Energie herzustellen“ und als notwendige Stütze der Energieversorgung beschrieben, wenn auch nur 20% der Energie in den USA von den 104 Kernkraftwerken im Lande gewonnen wird.

Rundum-Sorglos-Paket versprochen

Mit der kleinen Variante der Kernkraftwerke von Hyperion soll dieses Versorgungsnetz mit Kernenergie ausgeweitet werden und neben kleineren Gemeinden auch Militärbasen und andere Institutionen von der nuklearen Energie profitieren. Der Vorteil dieser Energiegewinnung ist, dass kaum Infrastruktur notwendig ist, um den Betrieb aufzunehmen.

John R. Deal, Geschäftsführer von Hyperion Power Generation, erklärt in einem Interview, dass 4.000 Reaktoren der ersten Generation gebaut werden sollen, wobei er einen viel höheren Bedarf sieht:

The market opportunity is for half a million units today and it's growing, so selling 4,000 units of our first design is a pretty reasonable goal.

Deal betont, dass das im Modul enthaltene Material (das Hydrid UH3) auf keine Weise missbraucht werden kann, da es hierfür noch weiter angereichert werden müsste:

You can't turn our fuel into a bomb. You'd have to re-enrich, re-process the fuel, so you might as well start with yellowcake. That's one of the neat safety features of our reactor. For nefarious purposes, our reactor has absolutely no value whatsoever.

Der Kunde kann den verbrauchten Brennstoff des Moduls nach den vorgesehenen acht bis zehn Jahren Verwendung nicht selbst wieder ersetzen, so dass das gesamte Modul zum Wiederauffüllen in die Fabrik zurückgeholt wird, die es ausgeliefert hat: „We're going to take it back to the factory and we're going to reuse most of it.“ Die Module, die somit als große Akkus dargestellt werden, die der Kunde im Laden zurückgibt, wenn sie verbraucht sind, werden als Rundum-Sorglos-Paket angepriesen, bei dem der Hersteller jegliche Verantwortung übernimmt. Den entstandenen Abfall, dessen Größe mit einem Fußball verglichen wird, wird von Hyperion wieder zurückgenommen und entsorgt:

So our waste stream is very concentrated, and yes, we have to do something with it, but there are known ways of dealing with it.

Was letztendlich damit geschieht, sagt John Deal „aus Sicherheitsgründen“ nicht, nur, dass man sich keine Sorgen darum machen solle. Neben dieser offen gelassenen Frage stellen sich noch weitere ein, zum Beispiel die, ob das radioaktive Material, das in den 4.000 Miniaturreaktoren, die um den Globus verteilt werden sollen, wirklich keine Gefahr darstellt, selbst wenn es nicht für den Bau einer Atomwaffe verwendet werden kann.

Zudem erinnert die Aussage, dass das entstandene radioaktive Material pro Reaktor im Vergleich zum „normalen“ Atomkraftwerk wenig ist, an die Begründungsstrategien für Mini-Atomwaffen, die vor einigen Jahren wieder an Popularität gewonnen haben. In beiden Fällen wird argumentiert, dass die kleine Variante weniger Schaden anrichtet, als ihr großer Konterpart, und dabei verschwiegen, dass die große Variante unter diesen Bedingungen gar nicht zur Anwendung käme. An Stellen, an denen bisher keine Atomkraftwerke zum Einsatz kommen könnten (ob aus technologischen, politischen oder anderen Gründen), wird nun die technische Möglichkeit gegeben, Atomkraft einzusetzen. Wenig heißt aber immer: mehr. In jedem Fall vermehrt sich die Nutzung von Atomenergie und somit die Gefahr des Missbrauchs derselben und der produzierte radioaktive Abfall.

Zur Zeit ist Hyperion noch auf der Suche nach Investoren, die bereit sind, Kapital in das Projekt einzubringen, um weiter zu forschen. Als erste Kunden nennt John Deal Rumänien und Tschechien. Im Juni 2013 soll das erste Miniatomkraftwerk installiert werden, wobei sich Deal – der Hyperion auf dem Markt als konkurrenzlos sieht – zuversichtlich zeigt, dass der Termin eingehalten werden kann.