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Little Big Planet - endlich der System Seller für die PS3?

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Lang genug hat es ja gedauert, bis sich die PlayStation 3 ihren Rang in den Verkaufscharts sichern konnte. Mit interessanten Bundles versucht Sony nun das Weihnachtsgeschäft für sich zu entscheiden und dabei könnte vor allem ein neues Spiel helfen: Little Big Planet1

Auf wenige Spiele hat die Playstation-3-Spielergemeinde länger warten müssen als auf das jüngst erschienene Little Big Planet. Erste Screenshots aus der Entwicklerschmiede tauchten bereits Anfang April 2007 auf und schon damals vermuteten die Spieler und prophezeiten die Entwickler des Spiels, dass hier etwas ganz Großes entstünde.

Im Sommer und Herbst desselben Jahres brodelte die Gerüchteküche weiter und es wurde über Funktionen und eine eventuelle Exklusivität des Titels für die PS3 spekuliert. Anfang 2008 wurden die Details zu „Little Big Planet“ konkreter, Videoclips erschienen und im Augusts heimste das noch nicht ganz fertig gestellte Spiel auf der Leipziger Games Convention drei Auszeichnungen ein. Hohe Erwartungen und eine Menge Vorschusslorbeeren also, dem sich das in der vergangenen Woche endlich erschienene Spiel ausgesetzt sieht.

Holzauge sei wachsam!

Eigentlich hätte „Little Big Planet“ bereits zwei Wochen früher in den Läden stehen sollen, doch die Musikauswahl des Spiels enthielt einen Titel, in dem einige zweifelhafte Koran-Suren im Text gesungen wurden, was Sony zu heiß war und dem auf Niedlichkeit getrimmten Game einen Schuss Bitternis verpasst hätte. Jetzt liegt ein Patch vor, der gleich beim ersten Start des Spiels aus dem Netz nachgeladen wird (wer das nicht will, möge seine PS3 also vor dem Spielen vom Internet trennen) und erlaubt endlich den Genuss des Neulings.

Nach dem Start wird man von einer wohlbekannten männlichen Stimme in Empfang genommen: Gordon Piedesack spricht ein Tutorial, das nach und nach erklärt, wie man „Little Big Planet“ zu spielen habe.

Auf einen etwas kindlichen Humor wird dabei besonders wert gelegt: Selbst Warnungen, keinen unkeuschen Content in das Netzwerk des Spiels hochzuladen, umschreibt Piedesack mit blumigen Vergleichen von Pferden in Badehosen. Dass das durchaus ernst gemeint ist hat man jüngst erfahren dürfen, als einige von Usern gebastelte Level kommentarlos vom Media-Molecule-Server entfernt wurden, weil in ihnen Urheberrechte verletzt wurden.

Selbstgestricktes Spielen

„Little Big Planet“ ist zuallererst ein klassisches Jump-and-Run-Game mit allem, was dazugehört: Hindernisse, Irrwege, Fallen, Bossmonster. Man lenkt seine kleine Figur, den „SackBoy“, durch verschiedene Levels, die nach unterschiedlichen „Themen“ aufgebaut sind. Diese Level sind über einen erdähnlichen Planeten verteilt und müssen nach und nach freigespielt werden.

Man hat die Möglichkeit, sie entweder ohne viel Aufwand zu durchlaufen, kann dabei Bonuspunkte einsammeln (oder es lassen) und am Ende der Runde Punkte für die Leistung zu bekommen. Die wird dann in einer Online-Rangliste mit den Ergebnissen anderer Spieler verglichen. An einer Prozentangabe wird deutlich, wie viel oder wenig des jeweiligen Levels man zu Gesicht bekommen und durchspielt hat. Es lohnt sich also durchaus, Runden mehrere Male zu absolvieren, um in verstecken Bereichen mehr Boni zu sammeln und vor allem, um Gadgets aufzunehmen, die für denjenigen Teil des Spiels von Interesse sind, der sich etwas vom Standard-Jump&Run-Game abhebt.

Bereits das Durchspielen der etwa 50 Level lässt sich nämlich individuell gestalten: Zunächst kann man die Spielfigur in Geschlecht, Farbe und Kleidung an den eigenen Geschmack anpassen. Dann lassen sich die eingesammelten Gegenstände in der Spielwelt platzieren – das geht soweit, dass mit der EyeToy-Kamera aufgenommene Fotos in den Levels aufgehängt werden können. Einige Runden verlangen es schließlich sogar, dass man sie verändert oder anpasst, was jedoch nie so schwierig ist, dass man nicht drauf käme – oder das Level nicht auch anderweitig zu absolvieren wäre.

Schließlich lassen sich Runden auch mit bis zu vier Spielern im Off- oder Online-Modus spielen (letzteres ist zumindest mir bislang nicht gelungen ist, weil der Andrang auf dem Server von „Little Big Planet“ recht hoch ist).

„Gaming 3.0“

Sony und Entwickler Media Molecule apostrophieren ihr Spiel mit „Gaming 3.0“, womit sie wohl insbesondere die Interaktivität von „Little Big Planet“ meinen: Neben den mittlerweile normalen Online-Spielfunktionen enthält das Game nämlich einen Level-Konstruktionsmodus. Auch durch diesen wird man „spielerisch“ geführt – was der Komplexität des Editors übrigens keinen Abbruch tut; es ist nicht gerade leicht, die zahlreichen Funktionen für die Gestaltung im Überblick zu behalten.

Dennoch: Wer kreativ ist, kann einen kleinen Mond, der über das Zentralmenü aufrufbar ist, mit Eigenkreationen füllen, diese auf den Server des Spiels laden und dort von anderen spielen lassen. Ebenso ist es möglich, fremde Level durchzuspielen. Zumindest für die PlayStation 3 hat bislang kein Spiel mit ähnlich vielen und komplexen Interaktions- und Individualisierungsmöglichkeiten existiert.

Ob sich diese Features, so originell und stimmig sie sich zum Gesamtkonzept des Spiels verhalten, nun tatsächlich als eine (R)Evolution im „Gaming“ sehen lassen, ist jedoch zweifelhaft. Bereits zu 8-Bit-Computerzeiten gab es Games, die neben ihren normalen Spielmodes auch Levelkonstruktionen ermöglichten. Man erinnere sich beispielsweise nur etwa an das vom Spielprinzip „Little Big Planets“ gar nicht so unähnliche "Boulder Dash" ('First Star Software, 1984), für das ein „Construction Kit“ erhältlich war, mit dem man Level selbst gestalten und diese speichern und an andere Spieler weitergeben konnte.

Mangels Internet war das damals natürlich nur offline möglich, wurde aber gern genutzt (heute kann man „Boulder Dash“-Level natürlich auch über das Netz tauschen). Die diesbezüglichen Vorteile von „Little Big Planet“ sind daher wohl eher im Bereich des Komfort zu suchen.

System Seller in Sack und Asche

„Little Big Planet“ wirkt auf den ersten Blick vor allem durch seine grafische Gestaltung originell. Alles im Spiel sieht irgendwie aus, als wäre es gebastelt, gehäkelt, genäht oder geklebt. Die Figuren bekommen dadurch eine überaus physische Anmutung, ganz so, als blicke man in ein Puppentheater. Dies wird durch die Physik des Spiels (vor allem Reibungs- und Gravitationserscheinungen sind sehr realistisch programmiert) noch unterstrichen.

Die humorige Aufmachung und Begleitung, sowie die Musikauswahl vermittelt einen wirklich runden Eindruck und es ist denkbar, dass der Titel wirklich Spieler aller Altersklassen anspricht. Die variable Komplexität und die Tatsache, dass man als Spieler vieles kann aber kaum etwas muss, könnten darüber hinaus sowohl Casual Gamer als auch den weichen Kern der etwas hartgesotteneren Konsoleros ansprechen. (Letzteren bietet gerade der Leveleditor eine Spielwiese für gute und schlechte Ideen)

Dass vor allem Kinder von dem niedlich-kitschigen Figuren (die derzeit verstärkt im Fernsehen für das Spiel und – als die neue PS3-Galionsfigur – für Sony überhaupt werben) angezogen werden, dürfte sich mit der Tatsache, dass das Weihnachtsgeschäft vor der Tür steht, in bare Münze wandeln lassen. Sony hat daher zum 31. Oktober ein Bundle herausgegeben, das eine PS3, einen Controller und das Spiel enthält und durch einen entsprechend gestalteten Karton noch einmal zusätzlich auf sich aufmerksam macht.

Familienfreundliche Titel wie „Little Big Planet“ haben auf der PS3 bislang ja eher ein Schattendasein geführt und könnten vielleicht sogar die „Generation Wii“ für sich einnehmen. Der Kunstgriff hierfür heißt: Reduktion statt Hyperrealität, Kreativität statt bloßer Interaktion und natürlich eine wiedererkennbare Ikone, die vielleicht sogar dem bärtigen Klempner aus der Nachbarschaft den Rang streitig machen könnte.