Kampf um Kongos Rohstoffe

Hinter der Eskalation des Krieges im Kongo steht unter anderem die steigende Nachfrage nach Ressourcen - auch aus Deutschland

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Nachdem es im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) offenbar erneut zu Massakern an Zivilisten gekommen ist, wollen afrikanische Staaten nun reagieren. Die Mitglieder der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) haben sich am Sonntagabend grundsätzlich dafür ausgesprochen, Truppen in die umkämpfte Kivu-Region im Osten des afrikanischen Landes zu entsenden. Auch die Organisation der Vereinten Nationen erwägt eine Aufstockung ihres mit 17.000 Mann größten Armeeeinsatzes, der Monuc. Ein genauerer Blick auf den Konflikt zeigt: Im Kongo droht ein neuer Krieg regionalen Ausmaßes. Und die militärischen Akteure finanzieren sich durch einen regen Handel mit Rohstoffen, die auch an europäische Firmen verkauft werden.

Die Lage im Osten der DR Kongo ist unübersichtlich. Auf der einen Seite kämpfen Regierungstruppen und verbündete Milizen. Nach Berichten der BBC werden sie inzwischen auch von Truppen aus Angola unterstützt. Ihnen gegenüber steht der Rebellenführer Laurent Nkunda (Kongo: Nkunda auf dem Vormarsch). Im August hat der Tutsi-Militär ein Friedensabkommen mit der Zentralregierung in Kinshasa nach wenigen Monaten einseitig aufgekündigt – nicht ohne Rückendeckung aus dem angrenzenden Ruanda.

Seine Verbindung zur dortigen Führung ist historisch gewachsen: Mitte der 1990er Jahre hatte Nkunda an der Seite des heutigen ruandischen Präsidenten Paul Kagame gegen Angehörige der Hutu-Volksgruppe gekämpft. Nkunda behauptet inzwischen, mit Ruanda nur noch ein lockeres Bündnis zu unterhalten. Tatsächlich scheint er im Auftrag der Kagame-Führung zu handeln. Hintergrund der verdeckten Kriegspolitik sind klassische imperiale Interessen: Alle Akteure versuchen, Einfluss über die ressourcenreiche Region zu wahren, bzw. zu erlangen.

Die SADC und die Afrikanische Union sehen sich nun zum Handeln gezwungen. Vor wenigen Tagen hatten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in der Stadt Kiwanja die Leichen Dutzender junger Männer gefunden, berichtet wird von über 60 Toten. Sie waren offenbar von Rebellen unter Nkundas Kommando hingerichtet worden, als diese die Stadt nach nur einem Tag von regierungsnahen Milizen zurückerobert hatten.

Lage ist militärisch kaum zu kontrollieren

Die Monuc-Mission im Kongo ist angesichts der Eskalation völlig überlastet. Sie und die Regierung des Präsidenten der DR Kongo, Joseph Kabila, werfen sich gegenseitig Versagen vor. „Wir kämpfen an vier verschiedenen Fronten“, erklärte der Vizegeneralsekretär für friedenserhaltende Maßnahmen der UNO, Edmond Mulet. Weil die Monuc-Soldaten in einem „sehr großen Gebiet“ operieren, müsse der UN-Sicherheitsrat zusätzliche 3000 Soldaten entsenden, forderte der guatemaltekische UN-Diplomat. Internationale Hilfsorganisationen gehen indes davon aus, dass seit dem erneuten Ausbruch der Kämpfe rund 250.000 Menschen geflohen sind. Die Flüchtlinge sind äußerst schwer zu versorgen, weil die Hilfsgüter der Kämpfe wegen nicht transportiert werden können. Er mache sich Sorgen über eine mögliche weitere Verschlimmerung der Situation, gestand Mulet, zumal es keine rein militärische, sondern nur eine politische Lösung geben könne.

Eben diese politische Lösung des drohenden neuen regionalen Krieges im Kongo ist aber nicht in Sicht. Am Freitag bereits hatten sich unter Mitwirkung der UNO und der AU die Hauptakteure in Nairobi getroffen. Neben Kongos Staatschef Kabila waren zu dem eilends einberufen Gipfel auch der tansanische Präsident und derzeitige Vorsitzende der Afrikanischen Union, Jakaya Kikwete, der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sowie der ruandische Präsident Kagame gekommen.

Während die Teilnehmer in Nairobi wohlklingende Erklärungen verfassten und Appelle an die kämpfenden Truppen richteten, trat im Kriegsgebiet der Sprecher von Nkundas Rebellengruppe „Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes“ (CNDP) vor die Presse: „Das war ein weiterer sinnloser Gipfel“, spottete Bertrand Bisimwa. Und: „Die kongolesische Regierung muss Verhandlungen mit uns führen, sonst wird es keinen Frieden geben.“

Zugleich kam es nördlich der Provinzhauptstadt Goma zu neuen Kämpfen. Erneut wurden Zivilisten getötet, tausende Bewohner der Region flohen um ihr Leben.

Kampf um Ressourcen heizt Krieg an

Es war der deutsche Bundespräsident Horst Köhler, der auf die Hintergründe des Konfliktes hinwies. Es sei der illegale Handel mit Rohstoffen, der die Sicherheitslage in Afrika beeinträchtige, sagte Köhler nach Presseberichten am Sonntag zum Abschluss eines Treffens zwischen Staaten der EU und Afrikas. Dieser Handel stehe auch hinter dem aktuellen Konflikt im Osten Kongos. Was Köhler wohlweislich verschwieg: Auch deutsche Unternehmen und die Regierung in Berlin sind in den Konflikt über wirtschaftliche Interessen verstrickt.

Die Liste der Rohstoffe im Kongo ist lang: Erdöl, Gold, Diamanten, Kupfer, Kobalt, Coltan, Zink, Zinn, Kadmium, Germanium und Wolfram – viele dieser raren Stoffe kommen in dem umkämpften Gebiet vor. Auch deutsche Unternehmen sind an diesen Vorkommen interessiert. Mitte 2006 erhob die UNO nach eingehender Untersuchung deswegen schwere Vorwürfe:

Laurent Nkunda und ein zweiter Rebellenführer, Jules Mutebutsi, sollen in der Erzmine „Lueshe“ im Osten Kongos einen geheimen Stützpunkt errichtet haben, um von dort aus militärische Operationen zu organisieren, Vergewaltigungen und Zwangsrekrutierungen von Kindersoldaten eingeschlossen. Haupteigner der Mine war zu diesem Zeitpunkt die Gesellschaft für Elektrometallurgie GFE mit Sitz in Nürnberg. Wie Thomas Reutter vom TV-Magazin Report Mainz herausfand, hielt die GFE 70 Prozent der Anteile an ihrer Tochterfirma im Kongo.

Die Autoren der UN-Studie erhoben aber nicht nur Vorwürfe gegen den süddeutschen Konzern, sondern auch gegen das Berliner Bundeswirtschaftsministerium. Weil es der GFE 1994 sieben Millionen Euro für Kriegsschäden an ihrer Mine gezahlt hatte, sei das Ministerium rechtlich gesehen Miteigentümer (Co-Owner) – und damit mitverantwortlich. Die Angeklagten in Nürnberg und Berlin stritten damals alle Vorwürfe ab. Aufgeklärt wurde der Fall bis heute nicht.

Debatte um wirtschaftliche Interessen

Die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands standen schon im Mai 2006 zur Diskussion. Damals beschloss eine Mehrheit des Bundestages, bis zu 780 deutsche Soldaten in den Kongo zu entsenden. Sie waren von Juli bis November 2006 im Einsatz. Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag kritisierte damals, dass 56 Millionen Euro für diesen Einsatz zur Verfügung gestellt wurden, während aus Berlin für zivile Nothilfe-Programme gerade einmal 2,2 Millionen Euro eingebracht wurden.

Dass dem militärischen Engagement eine bedeutend höhere Priorität eingeräumt wurde, erklärte Strutynski damals mit den Interessen europäischer Unternehmen. So verwaltete die französische Consultingfirma Sofreco übergangsweise die staatliche Minengesellschaft des Kongo, Gécamines. Ziel dieser Fremdverwaltung sei es, die Privatisierung des lukrativen Staatsunternehmens abzusichern, meinte der Friedensaktivist. Die militärische Präsenz der EU half dabei sicherlich.

Auch gegenüber der internationalen Konkurrenz übrigens: Im Gespräch mit Spiegel Online verlangte der deutsche General a.D. Manfred Eisele unmittelbar vor dem Einsatzbeschluss des Bundestages die Annullierung einer Förderkonzession des US-Bergbaukonzerns Phelps Dodge im Osten Kongos. Dessen Vertrag zur Ausbeutung reicher Kupfervorkommen „wird vor internationalen Gremien neu zu verhandeln sein.“ Was zeigt: Der Krieg im Kongo wird nicht nur von lokalen und regionalen Kräften ausgefochten. Auch internationale Interessen halten ihn am Laufen.