Recht auf Sterben

In Großbritannien hat ein Gericht entschieden, dass eine 13-Jährige nicht zu einer Herztransplantation gezwungen werden darf

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13 Jahre alt ist das britische Mädchen Hannah Jones erst, aber sie weiß, dass sie sterben muss. Seit vier Jahren ist sie immer wieder im Krankenhaus gewesen, im Alter von fünf Jahren wurde bei ihr eine seltene Art der Leukämie diagnostiziert, zahlreiche Operationen liegen bereits hinter ihr – und nun will sie nicht mehr eine neue Operation an sich durchführen lassen, die das Krankenhaus zwar für riskant, aber für notwendig hielt. Sie will sterben dürfen, falls dies ihr Schicksal sein sollte.

Die Leukämie wurde mit Chemotherapie behandelt, die aber hatte zur Folge, dass sie ein Loch im Herzen hat. Zudem konnte das Herz nicht mit dem übrigen Körper mitwachsen. Hilfe könnte nur eine Herztransplantation bringen, aber sie ist riskant. Hannah will lieber sterben, als noch einmal alle Leiden eines solchen schweren Eingriffs aushalten zu müssen und dennoch zu wissen, das bestenfalls ihre Leben nur um kurze Zeit verlängert, der Tod nur ein wenig hinausgeschoben würde.

Das Mädchen wollte statt dessen lieber die verbleibende Lebenszeit bei seinen Eltern bleiben und dann in Würde sterben, selbst wenn es eine kleine Chance des Weiter- und Überlebens durch die Transplantation geben sollte. Das Spenderherz sollte lieber einem anderen Kranken gegeben werden, sagte sie, schließlich gebe es eine lange Warteliste und sie sei glücklich, dadurch einem anderen das Leben zu retten.

Das Hereford-Krankenhaus wollte dies aber nicht zulassen und zog vor Gericht. Man dachte daran, das Mädchen zeitweise aus der Vormundschaft der Eltern zu entziehen – ihre Mutter ist Krankenschwester – und die Transplantation so auch gegen den expliziten Willen von Hannah durchzuführen. Ein Arzt zog deshalb vor Gericht, vermutlich weil er glaube, eine Operation sei im besten Interesse des Kindes, das das Mädchen und die Eltern nru nicht einsehen würden. Die Eltern erreichten es, dass eine Kinderschutzbeauftragte des Herefordshire Primary Care Trust mit dem Mädchen Zuhause sprechen konnte. Aufgrund ihres Berichts schlugen die Richter die Klage nieder.

Das ist gut so. Das Recht, in Würde sterben zu dürfen, ist genauso wichtig, wie das Recht auf Leben – und die Pflicht, Leben zu retten. Natürlich ist bei einem 13-jährigen Kind die Entscheidung, eine womöglich lebensrettende Behandlung nicht durchzuführen, noch viel schwieriger als bei einem Erwachsenen. Kann oder soll das Mädchen in diesem Alter schon über sein Leben entscheiden? Kann es die Situation und die Folgen der Transplantation wirklich beurteilen? Wird es vielleicht von den Eltern oder Freunden zu der Entscheidung getrieben? Ab wann und unter welchen Bedingungen darf ein Mensch solche Entscheidungen treffen und muss die Gesellschaft dies respektieren? Darf die Gesellschaft ein Kind (einen Erwachsenen) auch unter Zwang nicht nur am Leben erhalten, sondern einer riskanten Operation unterziehen, mit den Schmerzen und Leiden, die daraus entstehen, und, wie in diesem Fall, mit der nur geringen Hoffnung?

Sally Stucke vom Herefordshire Primary Care Trust sagt, dass niemand zu einer Herztransplantation gezwungen werden könne, und dass jeder, auch ein Kind, wenn es reif genug sei, seine Entscheidungen verändern könne. Auch Tony Calland, der Vorsitzende des Ethikausschusses der British Medical Association, ist der Überzeugung, dass eine 13-Jährige eine zu respektierende Entscheidung darüber treffen könne, eine Behandlung abzulehnen.

Es wäre grausam, menschenverachtend und unwürdig gewesen, das Mädchen unter Zwang zu operieren. Ähnliches ist aber auch der Fall, wenn es um lebenserhaltende Maßnahmen geht, also wenn ein Menschen durch eine Patientenverfügung oder nur durch eine Mitteilung seines Willens sich entschieden hat, nicht mit aller Macht am Leben gehalten zu werden. Und letztlich müsste eine freie Gesellschaft, die die Würde und Selbstbestimmung der Menschen achtet, auch akzeptieren, wenn Menschen nicht mehr weiter leben wollen. Wäre es nicht humaner, den Menschen, die sich dazu entschlossen haben, einen würdigen Tod auch durch aktive Sterbehilfe zu ermöglichen (Recht auf Selbsttötung)?