Vorstoß der sichtbaren Exoplaneten

Keck-Aufnahme von HR 8799 und seinen Begleitern. Die Exoplaneten b, c und d sind infolge ihrer emittierten Infrarotstrahlung nur als rote Punkte auszumachen. Bild: NRC

Zwei internationale Astronomenteams machten Schnappschüsse von vier massereichen extrasolaren Planeten im nahen Infrarot und optischen Licht. Dabei gelang ihnen ein spektakulärer Fund im Dreierpack

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Auf der Suche nach terrestrischen Planeten, auf der Jagd nach der „zweiten Erde“, haben die weltweit observierenden Planetenjäger ein aufsehenerregendes Resultat eingefahren. In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazin „Science Express“ berichten zwei von voneinander unabhängig operierende Forscherteams von vier neuen Exoplaneten, von denen drei im Infrarotbereich entdeckt, observiert und fotografiert wurden und ein anderer im optischen Licht. Es ist das erste Mal in der Exoplanetenforschung, dass ein Abbild von einem Teil eines Sonnensystems gelang, in dem gleich drei vagabundierende Sterntrabanten als kleine rote Punkte zu sehen sind. Dennoch ist es nicht das erste Mal, dass ein Exoplanet direkt lokalisiert und fotografiert wurde.

Sage und schreibe 322 Planeten, die sich in 261 fernen Sonnensystemen versteckt haben, spürten die emsigen Planetendetektive binnen 14 Jahren mit ihren erdgebundenen und orbitalen Lupen auf. 322 extrasolare Planeten, von denen sie das Gros mit Boden- und Weltraumteleskopen mittels der Radialgeschwindigkeits-Technik detektierten, die die Gravitation der Planeten und das daraus resultierende taumelartige Wackeln des Zentralsterns metergenau misst. 261 ferne Sonnensysteme, in denen sie auch zahlreiche Planeten via Transit-Verfahren lokalisierten, mit dem Helligkeitsschwankungen eines Sterns registriert werden, die ein im Sichtfeld vorbeiziehender Planet verursacht.

Drei auf einen Schlag

Wie zwei Astronomenteams nunmehr in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazin Science Express berichten (Optical Images of an Exosolar Planet 25 Light-Years from Earth und Direct Imaging of Multiple Planets Orbiting the Star HR 8799, ist es jetzt geglückt, ohne Anwendung des Radialgeschwindigkeits- und Transitverfahrens vier Exoplaneten mit der direktesten aller Observationsmethoden zu entdecken und zu fotografieren: via Licht. Den dicksten Fisch in Gestalt von drei massiven Exoplaneten zogen dabei die Planetenangler um Bruce Macintosh vom „Lawrence Livermore National Laboratoy“ in Livermore (Kalifornien) ans irdische Ufer.

Bild: NRC

Ihnen gelang mit den auf dem 4200 Meter hohen Vulkan Mauna Kea in Hawaii (USA) gelegenen Keck- und Gemini-Teleskopen das Kunststück, gleich drei neue Planeten eines fernen Sonnensystems auf einen Schlag im nahen Infrarotlicht zu fotografieren. Mithilfe der zehn und acht Durchmesser großen Keck- und Gemini-Spiegel und dank neuester Zusatzinstrumente konnten die Forscher den Effekt der adaptiven Optik optimal nutzen und das Flimmern in der Atmosphäre austricksen, mit dem alle bodengestützten Teleskope zu kämpfen haben.

Verbesserte Adaptive Optik

Bei diesem speziellen Verfahren werden die atmosphärischen Schwankungen durch die laufende Messung der Bildverformungen und deren Kompensation mittels rechnergesteuerter, schnell deformierbarer Spiegel, die in den Strahlengang der Teleskopriesen eingebracht sind, korrigiert. Das Resultat: Die störenden Luftunruhen in der Erdatmosphäre werden quasi herausgefiltert, das Bild wird gewissermaßen entwackelt und gewinnt dadurch an Schärfe.

Diesen Part setzte beim Gemini-Teleskop das „Altair adaptive optics system” mit Bravour um. Sekundiert wurde die Observation auch von einem weiterentwickelten innovativen computergestützten Verfahren, das das schwache Licht der Planeten von dem alles überstrahlenden Licht des Sterns effektiv separierte.

Das HR 8799-System, so wie es sich die Künstlerin Lynette Cook „ausmalt“. Bild: Gemini Observatory Artwork by Lynette Cook

Informative Infrarotstrahlung

„Wir arbeiten seit acht Jahren daran, von Exoplaneten Bilder zu schießen“, so der US-Astrophysiker Bruce Macintosh, einer der federführenden Autoren der Studie. „Jetzt aber liegt uns erstmals ein aktuelles Foto eines ganzen Sonnensystems vor. Dies ist ein Meilenstein auf der Suche nach Planeten um andere Sterne und deren Charakterisierung.“

Bei dem 128 Lichtjahre entfernten Muttergestirn des Planeten-Trios handelt es sich um einen sehr hellen Stern vom Spektraltyp A5V. Er ist 1,5-mal so schwer wie unsere Sonne, leuchtet aber um 500 Prozent intensiver. Exoplaneten, die solch grelle Sterne umrunden, sind infolge ihrer geringen Leuchtkraft mit optischen Teleskopen kaum auszumachen. Dennoch haben Sterne der Klasse A5V gegenüber unserer Sonne (Sterntyp G) einen Vorteil. Denn in ihrer Jugendzeit umgeben sie sich gerne mit massiven Staubscheiben, in denen sich das Baumaterial anreichert, aus dem sich später Planeten formen. Fernab des Muttersterns können in solchen Regionen Jupiter-ähnliche Objekte ungestört heranreifen, die zur Freude der Wissenschaftler besonders starke Infrarotstrahlung emittieren, in der wertvolle Informationen verpackt sind.

„Den nahen Infrarot-Bereich bevorzugen wir als Wellenlänge, weil uns diese Strahlung etwas über die chemische Zusammensetzung des Planeten, seiner Masse, Gravitation und Oberflächentemperatur vermittelt“, betont Christian Marois vom „National Research Council“ (NRC in Victoria B.C. (Kanada), der die Beobachtungskampagnen im Oktober 2007 und Sommer 2008 koordinierte und leitete.

Darstellung des HR 8799-Systems (links) im Vergleich zu unserem Sonnensystem. Bild: NRC

Ziemlich heiß

Während der Observationen konnte Marois‘ Team die Bewegungen der drei Exoplaneten genau dokumentieren, ein Umstand, den vor allem der österreichische Astrophysiker Günther Wuchterl von der Thüringer Landessternwarte Tautenburg in einem Interview mit Telepolis würdigt. „Das Schöne an den drei neuentdeckten Planeten ist, dass man deren Bewegung so schön nachweisen konnte. Planeten leben in Systemen. Und HR 8799 ist ein System, in dem Planeten leben."

Die drei zirka 60 Millionen Jahre alten „fotografierten“ Begleiter von HR 8799 sind hierfür ein Musterbeispiel. Mit der fünf- bis dreizehnfachen Masse des Jupiters versehen, umkreisen sie ihre gerade einmal 40 Millionen Jahre ältere Sonne in einem Abstand von 24, 38 und 68 Astronomischen Einheiten (eine AU = Abstand Erde-Sonne = 150 Millionen Kilometer), wobei Letzterer als Einziger vom Staubring seines Systems eingeschlossen ist. Und sie sind alles andere als warm. Die Auswertung der Infrarotstrahlung hat ergeben, dass sie um die 1200 Grad Celsius heiß sind.

Das Gemini-Teleskop hatte maßgeblichen Anteil an der Entdeckung. Bild: Gemini-Telescope

Terrestrische Planeten im Innern?

Noch aber ist die Datenlage für aussagekräftige Analysen zu dürftig. Immerhin zeigte ein detaillierter Vergleich mit theoretischen Modellen, dass wohl alle drei Planeten eine komplexe Atmosphäre mit Staubwolken besitzen, unter denen enorm viel Hitze gestaut wird. Von Bedeutung könnte die Anwesenheit der Trümmerscheibe im HR 8799-System sein, die stark an den Kuiper-Gürtel unseres Sonnensystems erinnert, in dem Myriaden von Gesteinstrümmern treiben.

“Die den Stern HR 8799 umgebende Staubscheibe ist die bislang massivste, die wir innerhalb von 300 Lichtjahren beobachten konnten“, konstatiert Ben Zuckermann, der als Astronom an der Universität in Kalifornien in Los Angeles (USA) forscht und lehrt. „Ich denke, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass in diesem System noch mehr Planeten existieren, die wir jetzt entdecken können“, vermutet Macintosh. Da HR 8799 wie unsere Sonne in seiner äußeren Zone gigantische Planeten beherberge, sei im Innern genug Platz für kleinere terrestrische Planeten. „Nur können wir diese mit unseren Möglichkeiten noch nicht sehen.“

Abhilfe schaffen könnte hier das NASA-Weltraumteleskop „Terrestrial Planet Finder“ (TPF), ein Superteleskop, das einmal aus fünf zusammengeschalteten Spiegeln bestehen soll. Sollte es jemals starten, könnte es ab 2020 fünf Jahre lang im optischen Spektrum nach erdähnlichen Planeten in bis zu 50 Lichtjahren Entfernung suchen – und zwar 100 Mal genauer als "Hubble".

Der TPF – bislang ist immer noch nicht entschieden, ob das Interferometer-Teleskop überhaupt gebaut werden kann. Bild: Nasa

Hubble-Entdeckung weniger spektakulär

Dieser Gedanke klingt deshalb so verlockend, weil das 18 Jahre alte orbitale Fernrohr nunmehr selbst einen Exoplaneten ausgemacht und im optischen Licht fotografiert hat. In dem zweiten „Science Express“-Beitrag stellen die Autoren den neuen Exoplaneten als Begleiter des 25 Lichtjahre entfernten Sterns Fomalhaut vor. Der hiesige Heimatstern präsentiert sich wie HR 8799 als junger, heller und heißer aufstrebender Himmelskörper, in dessen System ebenfalls eine riesige Staubscheibe driftet. Inmitten dieser Trümmerwüste treibt – 119 AUs von seinem Heimatstern entfernt – der Sterntrabant Fomalhaut b (siehe Hubble-Bild). Dreimal so massereich wie Jupiter, benötigt er für einen Umlauf um seine Sonne 870 Jahre.

Bild des Exoplaneten Fomalhaut b, der im Innern der Staubscheibe sein Dasein fristet. Bild: Paul Kalas – University of California/Berkeley

Entscheidenden Anteil an der Hubble-Entdeckung hatte der teleskopeigene Coronagraph, mit dem das Licht von Fomalhaut immerhin so effektiv herausgefiltert wurde, dass der Exoplanet sein Antlitz zeigen konnte. Dennoch findet Wuchterl die Hubble-Entdeckung „nicht so überzeugend als Planet“, weil die Ergebnisse dieser Beobachtung hauptsächlich auf der von dem Begleiter beeinflussten Bewegung des Staubringes basieren.

Stellen Sie sich vor, Sie säßen in einem Flugzeug und überquerten einen Ozean, auf dem ein Schiff wäre. Anstatt das Selbige direkt anzuvisieren, würden sie stattdessen nur die von dem Schiff verursachten Wellenbewegungen beobachten, um auf die Existenz und den Typ des Schiffes zu schließen. So ähnlich haben es die Forscher bei der Hubble-Beobachtung gemacht.

Günther Wuchterl
Fomalhaut b in flagranti erwischt. Der Exoplanet ist 100 Millionen Mal lichtschwächer als sein Stern. Bild: Paul Kalas – University of California/Berkeley

Nicht die ersten fotografierten Exoplaneten

Erwähnenswert ist der Umstand, dass die nunmehr der Öffentlichkeit präsentierten Bilder bei weitem nicht die ersten sind, die von Exoplaneten aufgenommen wurden. Wie aus dem Interaktiven extrasolaren Planetenkatalog von Jean Schneider hervorgeht, wurden bis auf den heutigen Tag sechs Planeten direkt beobachtet und fotografiert. Dass dieser Wert dennoch mit Vorsicht zu genießen ist, verdeutlicht Wuchterl: „Auf eine genaue Zahl würde ich mich hier nicht festlegen wollen, da so einige Entdeckungen noch kontrovers diskutiert werden.“

Wuchterl weiß, wovon er spricht. Schließlich gehörte er selbst dem Forscherteam an, das im Juni 2004 mit dem UT4-Fernrohr "Yepun" des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO erstmals einen extrasolaren Planeten direkt beobachtete und fotografierte. Bis heute melden Kritiker ihre Zweifel an. Sie sehen in GQ Lupi b, so der Name des planetaren Kandidaten, eher einen Braunen Zwerg, also einen „verhinderten“ Stern.

Bild: Uni Jena/ESO

Gleichwohl geht das Gros der Planetenjäger davon aus, dass der 460 Lichtjahre entfernte und zirka zwei Millionen Jahre junge Exoplanet mit der zweifachen Jupitermasse, wirklich der erste jemals fotografierte Planet außerhalb des Sonnensystems ist. Wuchterl schließt sich schon allein aus professionellen Motiven dieser Meinung an: „GQ Lupi b ist in meinen Augen nach wie vor der erste Exoplanet, der fotografiert wurde."

Aber auch Ralph Neuhäuser vom Astrophysikalischen Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena (AIU), der seinerzeit die Observation leitete und der erste Ansprechpartner für alle Wissenschaftsjournalisten war, verteidigt in einer E-Mail an Telepolis den planetaren Status von GQ Lupi b:

In der Tat bleibt GQ Lupi b weiterhin der erste publizierte und per Eigenbewegung und Spektrum bestätigte, direkt detektierte Planet bzw. Planetenkandidat. Sogar einer der Autoren dieses Papers zu HR 8799, Christian Marois, hat GQ Lupi b selbst nachbeobachtet und all unsere Ergebnisse bestätigt.

Ralph Neuhäuser

Einen direkten Kontakt zwischen den beiden internationalen Teams, die ihre Entdeckung im „Science Express“ so zeitnah vorstellen, hat es übrigens nicht gegeben, wie Bruce Macintosh diesem Magazin bestätigte. „Die Resultate sind unabhängig voneinander zustande gekommen.“