Das BKA als Hüter der Pressefreiheit?

Wenn der Bock zum Gärtner wird

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das Bundesverfassungsgericht beschrieb 1966 in der so genannten Spiegel-Entscheidung die Bedeutung der Presse in der Demokratie so: "Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich.". Der Bundestag hat jetzt das umstrittene Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt (BKAG) durchgewunken und damit ein eindeutiges Zeichen gegen die Pressefreiheit gesetzt: Deren Schutz würde in das Ermessen des BKA gestellt.

Mit der Stimmenmehrheit der großen Koalition passierte vergangene Woche das umstrittene BKAG den Bundestag. Nun muss der Bundesrat zustimmen. Widerstand wurde zunächst aus den Bundesländern laut, in denen die FDP mit regiert. Inzwischen soll die Front gegen das Gesetz im Bundesrat stehen, nachdem auch die SPD in Sachsen ausgeschert ist. Das Gesetz könnte nun im Bundesrat scheitern.

Eine Vielzahl von Befugnissen, die dem BKA durch das Gesetz eingeräumt werden sollen, wurden in den vergangenen Wochen und Monaten heiß diskutiert. Vor allem die Erlaubnis zur heimlichen Online-Durchsuchung erwies sich als medialer Dauerbrenner. Maßnahmen wie der großer Spähangriff und die Rasterfahndung erreichten ebenfalls die öffentlich Diskussion. Alle umstrittenen Befugnisse hatten in den vergangenen Jahren das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Formale Gesichtspunkte des BKAG traten zwangsläufig in den Hintergrund: Ärzte und Journalisten haben nach dem Willen des Gesetzgebers keinen der StPO entsprechenden Berufsgeheimnisträgerschutz mehr.

Mit schwammigen Worten heißt es in § 20 u Absatz 2 des BKAG: "Soweit durch eine Maßnahme eine in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 3b oder Nr. 5 der Strafprozessordnung genannte Person betroffen wäre und dadurch voraussichtlich Erkenntnisse erlangt würden, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, ist dies im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit unter Würdigung des öffentlichen Interesses an den von dieser Person wahrgenommenen Aufgaben und des Interesses an der Geheimhaltung der dieser Person anvertrauten oder bekannt ge- wordenen Tatsachen besonders zu berücksichtigen." Soweit es hiernach geboten ist, soll die Maßnahme dann unterlassen oder beschränkt werden.

Im Klartext bedeutet das: Die ermittelnden Beamten sollen im konkreten Einzelfall zwischen mehr Sicherheit durch den Kampf gegen den Terrorismus einerseits und Arztgeheimnis oder Pressefreiheit andererseits abwägen. Sie haben zu überprüfen, ob die konkrete Maßnahme im Einzelfall taugliches und mildestes Werkzeug ist, um den angestrebten Zweck zu erreichen.

"Sicherheit" hat sich allem Anschein nach zum obersten Staatsziel entwickelt. Politiker rechtfertigen damit seit geraumer Zeit im Rahmen der Sicherheitsgesetzgebung jede Verkürzung der Grundrechte. Es ist leicht zu erraten, welchem Rechtsgut der Vorteil, welchen der Nachteil gebührt: Sicherheit oder Pressefreiheit und Arztgeheimnis?

Arztgeheimnis und Informantenschutz existieren für das BKA faktisch nicht: Beides "soll" nach § 20 u Absatz 2 BKAG berücksichtigt werden. Jede Maßnahme muss in sich "angemessen und verhältnismäßig" sein. Nach Art. 1 Absatz 3 Grundgesetz (GG ) "binden die Grundrechte Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Dennoch dürfte es realitätsfern sein anzunehmen, dass im BKA mehr Sensibilität und mehr Wissen über die verfassungsrichterliche Rechtssprechung zur Pressefreiheit bestände als in anderen Behörden.

Das Bundesverfassungsgerichts hat sich in der Vergangenheit mehrfach zur Pressefreiheit geäußert. Die Verfassungshüter waren schon in der so genannten Spiegelentscheidung ausführlich auf die Bedeutung der freien Presse in Demokratie und Gesellschaft im Spannungsfeld zwischen Sicherheit des Staates und Informationsbedürfnis der Bürger eingegangen. Im Falle Cicero erklärten sie die Vorgänge im Februar 2007 für verfassungswidrig: "Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige sind verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln." Kaum ein halbes Jahr später wurden wieder Journalisten Ziel von Ermittlungsmaßnahmen, weil sie Informationen veröffentlicht hatten. Es ging wieder darum festzustellen, von wem die "vertraulichen" Informationen herausgegeben worden waren.

Journalisten bewegen sich nicht im rechtsfreien Raum. Sie müssen die Gesetze achten. Die Pressefreiheit darf auch durch allgemeine Gesetze eingeschränkt werden. Allgemeine Gesetze sind solche, "die sich nicht gegen die Meinungsfreiheit oder die Freiheit von Presse und Rundfunk an sich oder gegen die Äußerung einer bestimmten Meinung richten, die vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen".

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind diese allgemeinen Gesetze im Lichte der Pressefreiheit auszulegen. Das heißt: Der Verfassungswert, dessen Schutz das allgemeine Gesetz gilt, ist nicht absolut über Presse- und Meinungsfreiheit gestellt. Allgemeine Gesetze setzen zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken, müssen ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung der Kommunikationsgrundrechte im freiheitlich-demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden.

Der strafprozessuale Pressegeheimnisschutz ist lückenhaft

Die Sicherheitsbehörden haben bei der Verbrechensbekämpfung und Strafverfolgung einen Leitfaden erhalten, wie bestimmte Berufsgruppen in Ausübung ihrer Berufes aufgrund ihres besonderen Verhältnisses zu Dritten zu behandeln sind. Die Strafprozessordnung (StPO) räumt so genannten Berufsgeheimnisträgern in § 53 Absatz 1 Nr. 1.bis 5.StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht ein. Während generell eine Zeugnispflicht besteht, können unter anderem Geistliche, Rechtsanwälte, Ärzte und Journalisten Aussagen verweigern, wenn Ermittlungsbehörden im Zusammenhang der beruflichen Tätigkeit dieser Berufsgruppen Fragen zu den Schutzbefohlenen, Mandanten, Patienten oder Informanten stellen.

Es besteht dann außerdem ein Beschlagnahme- und damit ein Durchsuchungsverbot (§ 97 stopp).Diese umgekehrte Regel-Ausnahme-Konstellation wird durch die so genannte Strafverstrickungsklausel durchbrochen. Nach § 97 Absatz 2, Satz 3 stopp gilt das Beschlagnahmeverbot nicht, wenn dem Berufsgeheimnisträger eine Mitwirkung an der Straftat zur Last gelegt wird. Der einfache Verdacht der Ermittlungsbehörden genügt, den Berufsgeheimnisträgerschutz auszuhebeln.

Die Strafverstrickungsklausel kommt gegen andere Berufsgeheimnisträger als Journalisten selten zur Anwendung. Der Geistliche, der etwa in der Beichte Kenntnis von Straftaten erlangt, läuft kaum Gefahr, einer Straftat bezichtigt zu werden, weil er die gewonnene Kenntnis gerade nicht nach außen trägt. Für Journalisten gilt etwas anderes: Sie erhalten regelmäßig Informationen, damit sie diese veröffentlichen oder verarbeiten. Sie veröffentlichen und es ist für jedermann les- und sichtbar - auch für die Ermittlungsbehörden -, welche Informationen der Journalist erhalten haben muss, möglicherweise auch mit welcher Art von Informanten, er zu tun hatten.

"In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung." (BVerfGE) Nimmt der Journalist diese Kontrollfunktion ernst, läuft er immer Gefahr sich der Beihilfe zum Geheimnisverrats strafbar zu machen. Das haben die Fälle Cicero und der Untersuchungsausschuss Kurnaz hinreichend gezeigt: Gegen den Journalisten wird als Beteiligten an einer Straftat ermittelt. Damit liegt ein Fall der Strafverstrickungsklausel vor. Der Pressegeheimnisschutz wirkt nicht, obwohl der Journalist nur die Rolle ausfüllt, die ihm durch die Pressefreiheit zugewiesen wird.

Ineffizienz des Richtervorbehalts

Diese Fälle zeigen auch die Ineffizienz des so genannten Richtervorbehalts. Die zur Bastion des Rechtsstaats erkorene Genehmigung des Richters vor der Maßnahme hat mit dem Schutz der Verdächtigen, für den das Bundesverfassungsgericht diesen in Rn. 257 am 28.2.2008 verlangt hatte, wenig zu tun, wenn Durchsuchungsbeschlüsse aus Zeitdruck ohne Überprüfung und Begründung unterzeichnet werden.

Der strafprozessuale Pressegeheimnisschutz erweist sich aber auch in anderer Hinsicht als lückenhaft: Er ist beschränkt auf periodisch erscheinende Druckerzeugnisse. Obwohl gerade Bücher besonders geeignet sind, im Detail Missstände darzustellen, können sich Buchautoren nicht auf den Pressegeheimnisschutz der StPO berufen. Es ist auch nur der redaktionelle Teil geschützt. Das Beschlagnahmeverbot gilt nur für fremdes Material vom Informanten. Vor allem Fotojournalisten, die heikle Ereignisse aufnehmen, sind schutzlos gestellt. Sie müssen zusehen und hinnehmen, wie ganze Filme etwa über eine Großdemonstration als Eigenmaterial beschlagnahmt.

In der Vergangenheit wurde mit zahlreichen Zwangsmaßnahmen gegen Journalisten unter Beweis gestellt, dass die Ermittlungsbehörden mit einfachen Verdächtigungen den Pressegeheimnisschutz unterwandern können oder diesen als nicht greifend ansehen, weil es sich um selbstrecherchiertes Material handelt. Der Richtervorbehalt konnte nicht verhindern, dass rechtswidrige Zwangsmaßnahmen gegen Journalisten durchgeführt wurden.

Sicherheitsbehörden haben Probleme, sich an die Vorgaben aus Karlsruhe zu halten. Die Fälle Cicero und Ermittlungsmaßnahmen gegen Journalisten zum Untersuchungsausschuss Kurnaz zeigen das. Der Bundesnachrichtendienst (BND) überwachte ebenfalls rechtswidrig Journalisten. Obwohl in dem so genannten Schäfer-Bericht für das parlamentarische Kontrollgremium die Rechtswidrigkeit der Überwachung eines Journalisten festgestellt worden war, begann der BND kurze Zeit später, den E-Mail-Verkehr des afghanischen Handelsministers mit einer Spiegel-Reporterin zu überwachen. Im BKAG soll jetzt noch auf den ohnehin lückenhaften Pressegeheimnisschutz verzichtet werden.

Die Politik hat damit unzweifelhaft deutlich gemacht, dass sie in Belangen der Sicherheit nicht bereit ist, Einschränkungen durch die Pressefreiheit hinzunehmen. Dem entspricht der Willen, Freiheits- und Bürgerrechte für Sicherheit und ein vermeintlich sicheres Deutschland einzuschränken. Damit wird der Sicherheit, die man im Grundrechtekatalog der Art. 1 bis 19 GG vergeblich sucht, eine Bedeutung beigemessen, die schon längst über die Garantie der Menschenwürde des Art. 1 Absatz GG hinauszugehen scheint. Das Risiko ist groß, dass sich das BKA nicht anders verhalten wird als andere Sicherheitsbehörden.

Mit der Bedeutung einer (staats-)freien Presse in der Demokratie, wie sie das Bundesverfassungsgericht immer wieder betont hat, ist das schlecht zu vereinbaren:

Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang; sie beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung. In ihr artikuliert sich die öffentliche Meinung; die Argumente klären sich in Rede und Gegenrede, gewinnen deutliche Konturen und erleichtern so dem Bürger Urteil und Entscheidung.

BVerfG