Aus Stammzellen erzeugtes Organ erfolgreich transplantiert

Wissenschaftler sprechen nach der Transplantation der ersten Ersatz-Bronchie, die mit Stammzellen der Patientin hergestellt wurde, von einem "revolutionären" Durchbruch

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Wissenschaftlern ist es gelungen, ein künstliches Organ, das aus Stammzellen speziell für eine Patientin aufgebaut wurde, zu transplantieren. In diesem Fall haben britische, spanische und italienische Wissenschaftler einer 30jährigen Patientin Stammzellen aus ihrem Knochenmark entnommen, um daraus einen Teil einer Luftröhre, einen Bronchus, herzustellen. Über die Transplantation berichten die Wissenschaftler in einem Artikel, der in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift The Lancet erschienen ist.

Der Bioreaktor, in dem die aus adulten Stammzellen sowie Knorpel- und Epithelzellen erzeugte Bronchie hergestellt wurde. Bild: Lancet

Zur Grundlage für das "Gerüst" wurde allerdings das von Zellen gereinigte Knorpelgewebe einer Bronchie, bestehend aus Kollagen, von einem verstorbenen Spender genommen. Zunächst wurden Chondrozyten (Knorpelzellen), zusammen mit den Stammzellen, und Epithel-Zellen, die von der Luftröhre der Patientin durch Biopsie gewonnen wurden, an der University of Bristol gezüchtet. In einem vom Politecnico di Milano entwickelten Bioreaktor wurden diese auf das gereinigte Knorpelgerüst aufgetragen und vier Tage lang weiter gezüchtet. Dann erfolgte die Transplantation.

Blick in die Luftröhre einen Monat nach der Transplantation der linken Bronchie. Bild: Lancet

Da das fremde Gewebe gut kolonisiert und ganz durchdrungen wurde und sich bislang nach der Transplantation keine Antikörper gebildet haben, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass das Transplantat auch in Zukunft nicht abgestoßen wird. Die Operation wurde vor fünf Monaten ausgeführt, bislang sind keine Probleme aufgetaucht. Im Gegensatz zu transplantierten Spenderorganen von Menschen oder von Xenotransplantaten sind bei Organen und anderen Transplantaten, die mit den Stammzellen des Patienten aufgebaut wurden, keine Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems notwendig. Dadurch werden die damit verbundenen Risiken vermieden. Entwickelt und getestet haben die Wissenschaftler die Technik zuvor anhand von Mäuse- und Schweinemodellen.

Auch wenn es sich bei dem Teil der Luftröhre um einfaches Organ handelt, dürfte man von einem weiteren Durchbruch sprechen können. Die Wissenschaftler sind jedenfalls der Überzeugung, dass solche Transplantate von Organen, die aus Stammzellen der Patienten erzeugt werden, bald gang und gäbe sein werden. Professor Martin Birchall, in dessen Labor an der University of Bristol die Stammzellen zum Aufbau der Ersatz-Bronchie gezüchtet wurden, sagte, dass in 20 Jahren solche Transplantationen "die häufigste Operation sein werden, die Chirurgen vornehmen".

Lunge der Patientin nach der Transplantation. Bild: Lancet

Die Technik sei "revolutionär", verkündet er, wohl vor allem auch, um weitere Forschungsgelder zu erhalten. In den nächsten Jahren wollen die Wissenschaftler mit einem ähnlichen Verfahren Ersatz-Kehlköpfe herstellen und die Technik so weiter entwickeln, um schließlich komplizierte Organe wie Herzen, Nieren oder eine Leber herstellen zu können. Das würde nicht nur vielen Menschen das Leben retten können, sondern auch einen riesigen Ersatzteilmarkt eröffnen, der große Gewinne abwirft.

Die Wissenschaftler nehmen für sich in Anspruch, als erste ein ganzes Organ aus Stammzellen hergestellt und erfolgreich transplantiert zu haben. Zwar wurde vor zwei Jahren von Wissenschaftlern des Institute for Regenerative Medicine der Wake Forest University School of Medicine mehrere Blase, die aus Stammzellen erzeugt wurden, verpflanzt (Wichtiger Schritt für Organtransplantation), aber damals habe man nur, wie Birchall erklärt, einen Teil des Organs transplantiert, nicht ein ganzes Organ.

Allerdings haben die Wissenschaftler nun auch nicht die ganze Luftröhre, sondern nur eine der zwei Bronchien verpflanzt und eben als "Gerüst" die Bronchie eines Spenders verwendet, was bei anderen Organen wie Herzen oder Nieren nicht mehr möglich wäre. Hier müsste ein künstliches Gerüst geschaffen werden. Der Versuch, sich als "Erste" darzustellen, weist auf die enorme Konkurrenz hin, die in diesem heiß umkämpften medizinischen Markt für Ersatzorgane herrscht. Das Institute for Regenerative Medicine nimmt natürlich weiter für sich in Anspruch, erstmals ein ganzes Organ, das aus Stammzellen erzeugt wurde, verpflanzt zu haben und kündigt an, an der Herstellung von weiteren Organen aus Stammzellen zu arbeiten.

Für die Frau spielt das keine Rolle. Die Transplantation hat ihr die Herausnahme eines ganzen Lungenflügels erspart und ermöglicht ihr nun wieder ein weitgehend normales Leben.