Zeit für neue Allianzen

Die Energie- und Klimawochenschau: Finanzsystem demontiert, Autoindustrie am Boden, Ölmarkt zu Discountpreisen und ein Supertanker symbolträchtig in der Hand von Schlauchbootpiraten. Alles nur eine vorübergehende Krise?

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Unstimmigkeit allerorten über die passenden Rezepte in Zeiten der Krise. Den Klimaschutz auf Eis legen oder doch die CO2-Besteuerung schnell umsetzen? Gerade jetzt die Autoindustrie zum Vorreiter in Sachen regenerativer Technik machen? Weiteren zerstörerischen Straßenbau stoppen oder gerade ihn als Konjunkturprogramm fördern? Die ganze Wachstumsideologie hinterfragen oder hoffen, dass es doch irgendwie so weitergeht? Während in den Industriestaaten Aktivismus und Uneinigkeit herrschen, sich aber auch eine neue transatlantische Zusammenarbeit in Sachen Klimaschutz abzeichnet, kündigt sich für einige OPEC-Staaten der Staatsbankrott an.

Erkenntnis nach einer Revision der Trümmerlandschaft und den Willen zum sozial-ökologischen Umbau zeigte der kommende US-Präsident Obama in einer, an die US-Wirtschaft gerichteten, Videobotschaft.

Jede Nation, die bereit ist, beim Kampf gegen den Klimawandel mitzumachen, wird einen Alliierten in den Vereinigten Staaten von Amerika haben.

Die USA sollen bis 2050 jährlich 80% weniger Treibhausgase verursachen als noch 1990. Man reibt sich die Augen, was sein Vorgänger Bush immer abgelehnt hat, soll nun Leitgedanke der US-Wirtschaftspolitik werden - der künftige US-Präsident schließt sich den Klimaschutzzielen der EU an. Gleich ob die Ziele realistisch sind, das Signal zur Kooperation in Sachen Klimaschutz ist eindeutig.

Noch eine Neuerung: Die amerikanische Politik versagt der Wirtschaft zum ersten Mal seit langem Wünsche ohne Gegenleistungen und fordert vor Hilfen zuerst ein Konzept zum Richtungswechsel. Der Kongress lehnte die Kreditwünsche der US-Autoindustrie ab. Nancy Pelosi für den US-Kongress:

Solange sie uns keinen Plan vorlegen, können wir kein Geld bereitstellen ... Es ist notwendig, Verantwortung zu zeigen und die Zukunftsfähigkeit zu beweisen.

Die Branche müsse erst zeigen, wie sie auf Dauer überleben könne. Erst dann könne sie mit staatlichen Hilfen rechnen. Die Chefs der "Großen Drei", General Motors, Ford und Chrysler erhielten eine Frist bis zum 2. Dezember, schlüssige Konzepte vorzulegen, wie sie Staatshilfen einzusetzen gedenken. Sie müssen bis dahin eine Strategie über die Verwendung der gewünschten 25 Milliarden Dollar vorlegen. Der Chef der Demokraten im Senat, Harry Reid, sagte, man könne nur helfen, wenn die Hersteller bereit seien, sich selbst zu helfen.

GM allein bat um 12 Milliarden Dollar Kredit und versuchte, die Drohung mit ansonsten tausendfachen Arbeitsplatzverlust als Druckmittel einzusetzen. Das erinnert an die letzte Krise bei GM vor vier Jahren, als der Konzern 12.000 Stellen streichen wollte und das gesamte Werk in Rüsselsheim vor der Schließung stand.

Soweit wollte Opel diesmal nicht gehen, bat jedoch schon mal die Bundesregierung um eine Bürgschaft über 1. Milliarde Euro, so wie im Moment nichts unter einer Milliarde zu gehen scheint, und betonte gleichzeitig, der Betrieb der deutschen Tochter sei trotz des vorläufigen Scheiterns des Hilfspakets für GM in den USA gesichert.

An dieser einen Milliarde orientierte sich der umtriebige Solarworld Chef Frank Asbeck und nutzte die Chance zum Mediencoup für die selbstbewusste Solarbranche. Er schlug gleich die Übernahme des Autobauers durch seine Solarfirma vor, machte den Wechsel hin zu angepassteren, zukunftsfähigen Technologien zum Thema und zeigte - auf den Trümmern der krisengeschüttelten Autobranche - das neue Selbstvertrauen der Regenerativen-Technologien-Industrie.

Bereits engagiert im Kleinwagenbau: Der Solarrennwagen "SolarWorld No.1" der Uni-Bochum belegte bei der North American Solar Challenge den dritten Platz. Bild: SolardWorld No.1

SolarWorld bot General Motors an, die vier deutschen Opel-Werke und das Entwicklungszentrum in Rüsselsheim zu übernehmen. Dafür bietet SolarWorld insgesamt eine Mrd. Euro, vorbehaltlich einer Bundesbürgschaft und einer Zahlung von 40.000 Euro von GM für jeden Arbeitsplatz bei Opel, in Summe ebenfalls eine Mrd. Euro. Im Prinzip würde das die Übernahme zum „Neue Heimat Nulltarif“ bedeuten. Aber vielleicht doch besser als ein Bankrott auf Raten? Der bisher ausschließlich in der Solartechnologie aktive Konzern wolle Opel zum ersten "grünen" europäischen Autokonzern weiterentwickeln. Opel arbeitete ja bereits an Lösungen für zukunftsfähige Elektrofahrzeuge, etwa dem "Volt" und auch SolarWorld hat als Hauptfinanzier des "SolarWorld 1" Elektroflitzers bereits etwas Erfahrung mit Elektrofahrzeugen.

Bankrott statt Revolution

Düster sieht es auch für einige bisher besonders selbstbewusst auftretende Ölförderstaaten aus. Nach Einschätzung der Beratungsfirma PFC Energy werden die OPEC-Staaten 2008 noch von den hohen Einnahmen in den ersten acht Monaten dieses Jahres zehren. Ab 2009 wird es aber für Venezuela, Nigeria und Iran kritisch werden. Seit seinem Hoch Anfang Juli bei 150$ liegt der Ölpreis jetzt mit 50$ bei nur noch einem Drittel. Ein Preis, der für mehrere OPEC-Staaten ruinös sein wird. Sie brauchen ein höheres Preisniveau, um ihre aufgeblähten Staatshaushalte zu finanzieren. Vor allem in Venezuela gründete Chavez seine "sozialistisches Projekt" auf die Öleinnahmen, zudem hat das Land, wie auch der Iran keine Rücklagen in Form von Staatsfonds gebildet und statt dessen viel in kostspielige politische Ziele investiert.

Einige Ölförderländer werden ihre aufgeblähten Staatsausgaben beim jetzigen Ölpreis nicht halten können. Das Diagramm zeigt benötigte Ölpreise je Barrel um die Staatsausgaben 2009 zu finanzieren. Fehlbetrag bei jetzigen Preisen in Rot aufgetragen. Grafik: rohstoff-welt.de

Auf Fahrzeuge mit Elektroantrieb richten sich bei uns viele Erwartungen, sie sollen große Potenziale zur Verringerung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen und einen Ausweg aus der Abhängigkeit von Erdölimporten bieten. Daher hat die Bundesregierung das Thema Elektromobilität in das Integrierte Energie- und Klimaprogramm aufgenommen und wird jetzt Ende 2008 einen "Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität" verabschieden, der den Rahmen für künftige Technologieentwicklungen und für eine anzustrebende Markteinführung von Plugin-Hybrid- und Elektrofahrzeugen in Deutschland geben soll.

Das Integrierte Energie- und Klimaprogramm (IEKP) der Bundesregierung schreibt sich schon jetzt angesichts des weltweit steigenden Energiehungers Energiesparen, Energieeffizienz und die Umstellung auf regenerative Energieträger auf die Fahnen. Bei einem bis 2030 prognostizierten Mehrbedarf an Energie von 50 Prozent und eines Investitionsbedarfs von 15 bis 18 Billionen Euro hofft die Politik, Erneuerbare Energien werden der erhoffte neuen Wirtschaftsmotor sein.

Bisher waren die IEKP Ziele fixiert auf den Gebäudesektor, ganz einfach weil in einer Branche mit ihren 6,5 Millionen Mitarbeitern Fördermaßnahmen in Sachen Energieeinsparung gleichzeitig als Konjunkturprogramme wirksam werden sollten. Letzte Neuerungen des Programms waren die Liberalisierung des Messwesens mit der kommenden Einführung intelligenter Stromzähler, der Netzausbau, die Energieeinsparverordnung und sie begleitende Regelungen zur Förderung von Dämmmaßnahmen und energiesparender Technik in Gebäuden. Vernachlässigt wurde bisher eindeutig der Verkehrssektor, obwohl er ebensoviel Energie verbraucht wie Gebäude in Deutschland.

Bisher war die Politik auf Energieeinsparungen im Bereich Gebäude fixiert, wohl auch durch die 6,5 Millionen Arbeitsplätze der Baubranche und die Idee Energiesparförderung so auch als Konjunkturprogramm einzusetzen. Die Industrie wird ab 2013 durch den Treibhaushandel verstärkt in die Pflicht genommen. Jetzt ist der Verkehrssektor an der Reihe, die Steuerbefreiung für Elektromobile und das Umschwenken bei VW in Bezug auf die Produktpalette sind ein Anfang.

Schwenk in Richtung Elektromobilität

Die Maßnahmen sollen Perspektiven für die Wirtschaft auch im auslaufenden Erdölzeitalter bieten. Neu im Gesetzesentwurf ist deshalb auch der Vorschlag, Elektrofahrzeuge für fünf Jahren von der Steuer zu befreien. Ulrich Kasparick, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, sagte hierzu:

Wir leben in einer Zeitwende: Das Öl geht zu Ende. Wir müssen Mobilität völlig neu denken: Ohne Öl! ... Diese Steuerbefreiung für Elektro-Fahrzeuge ist ein Beitrag, um neue Technologien in den Markt zu bringen.

Die Forderungen des bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer und auch anderer Bundesländer mit Autoindustrie wie Niedersachsen und Nordrhein Westfalen, die EU-Klimaschutzziele auszusetzen, lehnte Bundesumweltminister Gabriel ab. Das Beispiel GM zeigt, dass ein Festhalten an überkommenen Rezepten um jeden Preis an den Abgrund führt.

Derweil schwenkt Volkswagen als erster deutscher Autokonzern auf die Zeichen der Zeit um. Letzte Woche hat der Aufsichtsrat eine Anpassung der Unternehmensstrategie beschlossen. Mit der Zustimmung aller Aufsichtsratsmitglieder wird die Zukunftsplanung um eine ökonomische und eine ökologische Komponente erweitert: Mehr „Umweltautos“ sollen gebaut werden, die Entwicklung sparsamer, umweltschonender Autos mit alternativen Antrieben und Motoren soll erste Priorität haben, heißt es bei Volkswagen. Der Konzern will jährlich 8 Milliarden Euro in neue Modelle und Technologie investieren. Eins der Ziele soll das Downsizing, die Entwicklung kleinerer Motoren, die mehr Leistung bei geringerem Verbrauch bringen, sein.

Verbunden damit ist natürlich die Hoffnung, Elektromobilität möge sich zum nächsten Wachstumsmotor entwickeln. Eine Revision der Schimäre vom Wachstum als Basis unseres Wirtschaftsystems hat damit immer noch nicht stattgefunden. Ein gesamtgesellschaftliches "Downsizing", das den weiteren Ausbau des Individualverkehrs sowie Wohn- und Arbeitsformen, die die Landschaft weiter zersiedeln stoppt - oder im Zeitalter moderner Kommunikationsmittel die ständige energieintensive Mobilität an sich in Frage stellt, wagt noch niemand in Angriff zu nehmen. Aber wäre ein umfassender Systemwechsel nicht doch vor allem eine Chance?