Extrempornographische Ausschnitte aus nichtpornographischen Filmen

Am 26. Januar 2009 tritt in Großbritannien ein Besitzverbot für "extreme" Pornographie in Kraft. Was davon genau betroffen ist, weiß niemand so recht

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Die Abschnitte 62 bis 67 des im Mai verabschiedeten Criminal Justice and Immigration Act 2008 gehen vor allem auf die Schlagzeilen zurück, welche der Fall Graham Coutts in Großbritannien erzeugte. Coutts hatte 2004 eine Frau erwürgt - und die Polizei hatte bei ihren Ermittlungen festgestellt, dass er Websites wie Necrobabes, Death by Asphyxia und Hanging Bitches besucht hatte. Obwohl der Täter bereits lange Jahre Erstickungserotik praktiziert und schon 1991 einem Psychiater anvertraut hatte, er fürchte, dass ihn seine Neigungen zum Begehen strafbarer Handlungen bringen könnten, hatte sich die britische Boulevardpresse schnell darauf geeinigt, dass ihn die Websites zum Mord animiert hätten, weshalb dringender Handlungsbedarf bestehe.

Resultat der Kampagne war, dass der Besitz von Bildern und Filmen ab dem 26. Januar 2009 mit bis zu drei Jahren Haft bestraft wird, wenn diese sowohl "pornographisch" als auch "extrem" sind. "Pornographisch" wird in Abschnitt 63 Absatz 3 der neuen Vorschrift so definiert, dass etwas "ausschließlich oder hauptsächlich" zum Zweck der sexuellen Erregung produziert wurde. Es reicht aber auch, wenn ein Außenstehender solch einen Produktionszweck "vernünftigerweise" annehmen muss.

"Extrem" beinhaltet nach Abschnitt 63 Absatz 7 Buchstabe a Handlungen, die das Leben einer Person gefährden. Darüber hinaus gilt eine Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit nach Buchstabe B dann als "extrem" wenn es um "ernsthafte" Verletzungen des Anus, der Brüste oder der Genitalien einer Person geht. Außerdem fallen unter diesen zweiten Definitionsbestandteil auch geschlechtliche Handlungen mit menschlichen Leichen (Buchstabe c) und (toten wie lebendigen) Tieren (Buchstabe d). Zudem muss die Darstellung "in grober Weise anstößig, abstoßend oder anderweitig von unzüchtigem Charakter" sein. Weiterhin legal ist der Besitz von erkennbar unrealistischen Zeichentrickdarstellungen und von Bildern oder Filmen, auf denen der Besitzer selbst zu sehen ist. Keine Rolle spielt dagegen, ob bei der Herstellung der Werke tatsächlich jemand zu Schaden kam oder ob es sich um Inszenierungen handelt.

Der Gesetzestext ist gespickt mit unbestimmten Begriffen wie "vernünftig" und "anstößig", von denen die Geschworenen in britischen Gerichten ganz unterschiedliche Vorstellungen haben können. Letztendlich wird es bei der zukünftigen rechtlichen Beurteilung solcher Sachverhalte wahrscheinlich auch um Details wie die Ausleuchtung oder die Dekoration gehen, deren Wirkung wiederum subjektiv bestimmt sein kann. Bevor also nicht eine ganze Reihe von Gerichtsprozessen durchlaufen sind, herrscht Rechtsunsicherheit – sowohl bei Produzenten als auch bei Konsumenten.

Auch die Ende der letzten Woche vom Justizministerium veröffentlichten Ausführungsbestimmungen vermochten die Unbestimmtheit nur sehr bedingt einzuschränken: Relative Klarheit haben die Briten aber nun dahingehend, dass im Regelfall ein Löschen von digitalem Bildmaterial ausreicht, damit keine Anklage erhoben werden kann. Allerdings gelten Inhalte nach einem Präjudizfall aus einem anderen Bereich nur dann als gelöscht, wenn sie jemand nicht selbständig wiederherstellen kann. Ein Detail, das The Register befürchten ließ, dass Personen mit IT-Kenntnissen in den zu erwartenden Prozessen erheblich benachteiligt sind. Zum einen, weil sie möglicherweise das Wissen zur Wiederherstellung von Daten haben (so lange diese nicht aufwändig mit Spezialsoftware wie Eraser gelöscht wurden), zum anderen auch deshalb, weil sich möglicherweise auch Wiederherstellungstools in ihrem Besitz befinden.

Der problematischste Teil des Gesetzes ist jedoch Abschnitt 64. Er regelt, dass Werke, welche vom British Board of Film Classification (BBFC) eingestuft wurden, weiterhin erlaubt sind – aber nur als Ganzes. Einzelne Ausschnitte solcher Filmwerke können dagegen unter das Verbot fallen. In britischen Medien wird bereits diskutiert, was dafür in Frage kommen könnte: Kandidaten sind unter anderem die Vergewaltigung aus Stanley Kubricks Clockwork Orange und die Würgeszenen aus Alfred Hitchcocks Frenzy.