Illegitime Kredite

Ecuador zweifelt die Rechtmäßigkeit seiner Auslandschulden an

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In Ecuador veröffentlichte die Staatsschuldenkommission einen Bericht, der zu dem Ergebnis kommt, dass ein Großteil der finanziellen Verpflichtungen des Landes auf angreifbaren Rechtsgrundlagen beruht, weshalb es die Zahlungen für 3,9 Milliarden der insgesamt 10 Milliarden Dollar Auslandschulden aussetzen sollte.

Die Kommission bewertete alle Schulden aus den Jahren 1976 bis 2006. Ihr zufolge wurden auf viele Anleihen Wucherzinsen erhoben, außerdem seien Kredite in der Vergangenheit häufig ohne ausreichende Autorisierung und damit rechtswidrig aufgenommen oder verändert worden. In die jetzige Verschuldung geführt worden sei Ecuador zudem durch eine von 1974 bis 1979 amtierende und nicht demokratisch legitimierte Militärregierung. Nach Auffassung von Karina Saenz, einem Mitglied der Kommission, dienten die von den Militärherrschern gemachten Schulden nicht der Entwicklung Ecuadors, sondern vorwiegend den Interessen ausländischer Banken. Umschuldungen und Zinsanhebungen hätten das Land wieder und wieder dazu gezwungen, neue Kredite aufzunehmen, um alte Schulden zu bezahlen - oft auch zu höheren Zinssätzen. Aus ursprünglich 200 Millionen Dollar wären so 11,26 Milliarden Dollar geworden.

Das Konzept der illegitimen Schulden, dessen sich die Kommission in dem Bericht bedient, wurde vom Rechtswissenschaftler Alexander Sack entwickelt. Staatsschulden sind danach illegitim, wenn sie von nicht demokratisch legitimierten Regierungen aufgenommen und nicht zum Nutzen der Einwohner eingesetzt wurden. Hinzu kommt, dass diejenigen, welche die Kredite gewährten, von diesen beiden Tatsachen wussten oder davon wissen hätten müssen. Schuldner aus solchen Verträgen sind nach Sack nicht die Staaten, in deren Namen sie aufgenommen wurden, sondern diejenigen Personen, welche die Aufnahme veranlassten.

Das Argument der Legitimität von Schulden wurde in der Vergangenheit auch von den USA genutzt: Nicht nur 1898, als sie sich nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg weigerten, die von der Kolonialverwaltung angehäuften Schulden Kubas beim Mutterland zu akzeptieren, sondern auch in der unmittelbaren Vergangenheit, als sie andere Länder zur Streichung der Zahlungsverpflichtungen des Irak aufforderten, die unter der Herrschaft Saddam Husseins eingegangen wurden.

Laut María Elsa Viteri, der Finanzministerin Ecuadors, soll am 15. Dezember eine Entscheidung darüber fallen, ob das Land die als illegitim eingestuften Schulden zahlt oder nicht. Zu diesem Termin wären die bereits über den eigentlichen Termin hinaus zurückgehaltenen Zinsen für eine Dollar-Anleihe endgültig fällig. Staatsschuldenkommissionsmitglied Alejandro Olmos deutete diese Woche gegenüber Dow Jones Newswires allerdings an, dass diese "Kupons" noch einmal bezahlt würden, wenn Ecuador bis dahin keine sauber ausgearbeitete Klage fertig habe.

Präsident Correa selbst machte zwar geltend, dass er die "sozialen Verpflichtungen" in den Bereichen Bildung und Gesundheit als dringlicher ansehen würde als die finanziellen bei ausländischen Kreditgebern - allerdings wird trotzdem erwartet, dass er die Ergebnisse des Kommissionsberichts nicht eins zu eins in Zahlungseinstellungen übersetzt, sondern stattdessen als Verhandlungsargument nutzt. Darauf deutet zumindest eine Äußerung des Kommissionspräsidenten Ricardo Patiño gegenüber Bloomberg News hin, der meinte, dass die früher von Ecuador geforderte Verringerung der Schulden nun nicht mehr ausreichen würde.

Zudem müsste der Präsident eine Zahlungsverweigerung möglicherweise auch mit seinem venezolanischen Kollegen Hugo Chávez absprechen, der Barclays Capital zufolge für ecuadorianische Schulden bürgte. Bereits in der Vergangenheit hatte Correa die finanziellen Verpflichtungen seines Landes immer wieder scharf kritisiert, sie aber trotzdem pünktlich bezahlt. Auch sein Vorgehen gegen Öl- und Bergbaukonzerne verlief nach einem ähnlichen Muster: Rhetorischen Angriffen und Drohungen folgten keine Enteignungen oder Ausweisungen, sondern neue Verträge.

Eine andere Forderung aus dem Kommissionsbericht ist, dass die Verantwortlichen für die Schulden gesucht und zur Verantwortung gezogen werden sollten. Kandidaten dafür gibt es genug - allein von den ehemaligen Präsidenten sind noch elf am Leben. Der 87jährige Ex-Präsident Sixto Duran Ballen zeigte sich allerdings der Auffassung, dass noch viel Zeit vergehen werde, bis die ecuadorianische Justiz den Bericht ausreichend genau geprüft hat. Andere potentiell Verantwortliche könnten zudem von Amnestien geschützt sein, wie sie die verfassungsgebende Versammlung etwa Gustavo Noboa gewährte. Correa kündigte aber auch an, dass Klagen in den USA in Betracht gezogen würden – unter anderem gegen die Citigroup und JP Morgan.