Lebenslänglich für Anschlagsversuch mit Kofferbomben

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat am Dienstag Youssef Mohammed el Hajdib zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt und die Anwälte gerügt

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Unter dem Namen Youssef Mohammed el Hajdib ist der aus dem Libanon stammende 24jährige Student kaum bekannt. Stattdessen gibt es zahlreiche Artikel, in denen er als Kofferbomber bezeichnet wurde, bevor es überhaupt ein Urteil gab. Dazu gab es reichlich Gelegenheit. Schließlich dauerten die Verhandlungen in dem neu errichten Prozessgebäude des Düsseldorf OLG 60 Tage.

Zumindest für die Medien war das Urteil deshalb keine Überraschung. Hajdib wurde für schuldig befunden, als Rache für den Nachdruck der Mohammed-Karikaturen in deutschen Zeitungen gemeinsam mit dem im Libanon zu einer 12jährigen Freiheitsstrafe verurteilten Jihad Hamad am 31.7.2006 zwei Kofferbomben in der Regionalbahn von Nordrhein-Westfalen deponiert zu haben.

Der Sachverhalt ist unstrittig und sowohl von Hamad als auch von Hajdib zugegeben worden. Worüber aber bis zuletzt Unklarheit bestand und was das Urteil um mehr als eine Woche verzögerte, war die Frage, ob der Angeklagte vielleicht selbst davor gesorgt hat, dass die Bomben nicht explodierten. Die Verteidigung von Hajdib forderte Freispruch mit dieser Begründung. Auch der Angeklagte nutzte das Schlusswort, um diese Version noch zu untermauern: „Ich wusste schon, als ich den Koffer in die Hand genommen habe, dass ich niemand töten werde. Das schwöre ich bei Gott, dem Allmächtigen.“

Hajdib erklärte, der Tod seines Bruders bei einem israelischen Luftangriff und ein Gespräch mit seiner Schwester hätten dafür gesorgt, dass er von dem Vorhaben, mit den Bomben möglichst viele Menschen zu töten, schließlich Abstand nahm. Ohne Wissen seines Komplizen habe er seine Chemiekenntnisse benutzt, um eine Explosion zu verhindern. Auf die nahe liegende Frage, warum er das Vorhaben nach seinem angeblichen Gesinnungswandel nicht ganz abgeblasen hat, antwortete El-Hajdib: „Wir hatten alles gekauft. Es wäre dumm gewesen, alles wieder auseinander zunehmen . . .“

Diese Begründung scheint in der Tat ebenso fragwürdig, wie der angebliche Anlass seines Umdenkens. Denn der Tod seines Bruders im Libanon hätte auch den bei den jungen Männern schon vorhandenen Hass auf den Westen verstärken und die Hinwendung zur islamistischen Szene festigen können.

Nur Geschichten aus 1001 Nacht?

In seiner Urteilsbegründung wurde von dem zuständigen Richter Ottmar Breidling die Äußerungen von Haijibs sogar eher strafverschärfend gewertet:

Der Angeklagte hatte es in der Hand, eine mildere Strafe, eine zeitige Freiheitsstrafe, zu erreichen. Ihm ist vom Senat bereits am ersten Hauptverhandlungstag geraten worden, ein „Geständnis in der Nähe des Tatgeschehens“ abzulegen, wenn es etwas zu gestehen gebe, und keine „Geschichten aus 1001 Nacht“ zu erzählen. Der Angeklagte ist diesem Rat jedoch nicht gefolgt, sondern hat alles sozusagen auf eine Karte gesetzt.

Aus der Urteilsbegründung

Als unglaubwürdig wird dabei allerdings nicht nur der angebliche Wandel des Angeklagten eingeschätzt. Auch die nicht nur von Verteidigern, sondern auch von Menschenrechtlern geäußerte Befürchtung, dass der im Libanon verurteilte Hamad bei seiner Vernehmung gefoltert oder zumindest geschlagen worden sei, wurde im Plädoyer vehement zurück gewiesen und mit einer Verteidigerschelte verbunden.

In allen diesen Vernehmungen hatte Hamad nämlich die Tat so, wie sie angeklagt wurde, gestanden. Also musste die Verteidigungsstrategie dahin gehen, diese Vernehmung „wegzubekommen“, d.h. ihre Unverwertbarkeit zu belegen. Und weshalb hätte diese Vernehmung für den Senat unverwertbar sein können? Dies wäre der Fall gewesen, wenn Hamad die den Angeklagten belastende Aussage aufgrund von Folter gemacht hätte. Und in der Tat, einen solchen Sachverhalt, nämlich die Erzwingung dieser Aussage Hamads durch Folter, hat der Verteidiger des Angeklagten Rechtsanwalt R. mit einer Vielzahl von Beweisanträgen, mit von ihm gestellten Zeugen, mit zwei Reisen in den Libanon zur Befragung von Zeugen und mit seiner eigenen Präsentation als Zeuge zu belegen versucht.

Diese Beweisantritte sind nicht nur ins Leere gegangen, vielmehr hat sich zur Gewissheit des Senats ergeben, dass Hamad nicht gefoltert wurde und damit seine Aussage vor dem libanesischen Richter ohne jede Einschränkung verwertbar ist. Diese Aussage des Mittäters war ein ganz wesentlicher oder sogar der wesentliche Baustein für die Überzeugungsbildung des Senats. Auf ihm beruhen neben den objektiven Beweismitteln die Feststellungen zum Tatgeschehen.

Aus der Urteilsbegründung

Einschränkung der Verteidigerrechte

Am Schluss des Plädoyers hat Breidling die Kritik an den Verteidigern noch verschärft.

Nicht zuletzt hatte sich der Senat damit auseinanderzusetzen, dass seitens der Verteidigung trotz erster gemeinsamer Terminabsprachen zur Beendigung des Verfahrens bereits im September gleichwohl bis zur letzten Woche, also bis Anfang Dezember, fortlaufend Beweisanträge gestellt wurden, durch die das Verfahren weiter in die Länge gezogen wurde.

Aus der Urteilsbegründung

Deshalb sollte, so die Empfehlung der Richter, schnell eine schon länger diskutierte Neuordnung des Beweisantragsrechts auf dem Weg gebracht werden. Durch eine Fristsetzung soll das Einbringen von Beweisanträgen reglementiert werden. Dagegen wehren sich nicht nur Strafverteidigervereinigungen. Schließlich kommt es bei langem Verfahren nicht selten vor, dass sich erst nach einer bestimmten Zeit neue Fragen stellen oder Fakten auftauchen, die weitere Beweisanträge erfordern.

Kritiker verweisen auf negative Beispiele durch eine rigide Fristensätzung von Beweisanträgen in den USA. So hat es die Verteidigung des US-Journalisten Mumia Abu Jamal schwer, eine Wiederaufnahme seines Verfahrens wegen eines angeblichen Polizistenmordes, für den er zum Tode verurteilt wurde, zu erreichen. Sein Anwalt Robert R. Bryan klagt darüber, dass ein wichtiger Antrag scheitern kann, wenn die Frist zum Einreichen versäumt wurde. Vor diesem Hintergrund sollte der Ruf nach einer Verschärfung des Antragsrechts besonders kritisch betrachtet werden. Zumal auch in der Vergangenheit spektakuläre, die Öffentlichkeit aufwühlende Verfahren als Anlass für Verschärfungen der Verteidigerrechte herhalten mussten.

Auffällig ist auch, dass die Richter in den Anträgen nicht eine besonders gründliche Arbeit der Verteidiger, sondern nur ein unnötiges, in die Länge ziehendes Verfahrens sehen. Dabei bleibt die von den Anwälten aufgeworfene Frage, wie man mit Aussagen umgeht, die vielleicht unter nicht rechtsstaatlichen Umständen zustande kamen, unbeantwortet. Denn die Sicherheit, mit der jeder Verdacht auf Folter bei Hamad zurück gewiesen wurde, muss doch verwundern. Diese Meinung stützt sich nur auf die Aussagen deutscher Kripobeamter, die bei ihren kurzen Besuchen von Hamad keinen Hinweis auf Folter erkennen konnten.

Gerade weil Breidling noch einmal betonte, wie wichtig Hamads Aussagen für den Prozess und auch das Urteil waren, hätte man schon eine gründlichere Auseinandersetzung mit den auch von Hamad selber erhobenen Vorwürfe erwartet. Das Gericht vermittelt hier eher den Eindruck, dass man sich lästiger Nachfragen nach dem Zustandekommen von belastenden Aussagen in anderen Ländern dadurch vom Halse schaffen will, indem man die Antragspflicht einschränkt.